Pestizid und Algengift - zwei mögliche Fischkiller in Oder nachgewiesen
Forscher weisen in Wasserproben der Oder deutlich überhöhte Pestizidwerte nach. Auch ein Algengift haben Forscher in signifikanten Mengen gefunden. Dennoch bleiben Fragen offen.
Auf der Suche nach den Ursachen für das massenhafte Fischsterben in der Oder sind Wissenschaftler vorangekommen. Der Verdacht, dass die Alge Prymnesium paryum einen wesentlichen Anteil daran haben könnte, hat sich erhärtet. Inzwischen wurden aber auch überhöhte Pestizid-Werte in Wasserproben nachgewiesen.
Den Nachweis für letzteres hatte das Landeslabor Berlin-Brandenburg erbracht. Es hatte Wasserproben untersucht, die zwischen dem 7. und 9. August aus der Oder entnommen wurden. Dabei wurde ein Pestizid in ungewöhnlich hoher Konzentration festgestellt. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um Wirkstoff 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure.
Der Tagesspiegel hatte als Erstes über den Fund berichtet. Ein Mikrogramm des Pestizids pro Liter (µg/l) sei der Grenzwert für die Umweltqualitätsnorm, heißt es in dem Bericht. Gefunden wurden allerdings Werte, die deutlich darüber lagen.
Die Messungen hätten für den 8. August 9,14 Mikrogramm pro Liter ergeben. Am Vortag seien 6,41 µg/l, am 9. August 4,28 µg/l festgestellt worden. Die Jahresdurchschnitt-Umweltqualitätsnorm beträgt nach Angaben des Ministeriums 0,2 µg/l.
Der Tagesspiegel (20.08.2022)
Die Proben stammen demnach von einer Messstelle in Frankfurt (Oder) – doch wo das Pestizid in das Wasser gelangte, ist noch nicht geklärt. Sollte es flussaufwärts, an einem unbekannten Ort in Polen, in das Wasser eingetragen worden sein, dann müsste es an polnischen Messstellen in höherer Konzentration festgestellt worden sein. Dazu ist bislang aber nichts bekannt.
Brandenburgs Umweltministerium erklärte laut Deutscher Presse-Agentur (dpa): Es sei aber davon auszugehen, dass die nachgewiesene Dosis nicht unmittelbar tödlich für Fische gewesen sei. Man gehe weiterhin davon aus, dass es mehrere Ursachen für das Fischsterben gab.
Massive Algenblüte mit Satelliten nachgewiesen
Vor einigen Tagen hatten Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) die Algenart Prymnesium paryum nachgewiesen, die vorrangig im salzhaltigen Brackwasser gedeiht. Ihr Gift greift Schleimhäute und Blutgefäße von Fischen, Muscheln und Amphibien an. Doch zu diesem Zeitpunkt war zwar die Alge, nicht aber ihr Gift nachgewiesen.
Am Freitag erklärten dann die IGB-Forscher, dass sie das Gift in "signifikanten Mengen" nachweisen konnten. Die Wissenschaftlerin Elisabeth Varga, die die Analysen am Massenspektrometriezentrum der Universität Wien durchgeführt hat, sagte dazu:
Aus vorherigen Forschungsergebnissen zu diesem Algengift wissen wir, dass das Gift stark an die Alge selbst gebunden ist. Wenn diese spezifische Algenart in sehr großen Mengen vorliegt, wie das in den Oderproben der Fall ist, muss auch von sehr hoher Giftkonzentration ausgegangen werden. Da alle Proben bereits im fortgeschrittenen Stadium der Algenblüte gezogen wurden, ist von einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Sterben von Fischen und Weichtieren auszugehen.
Elisabeth Varga
Die exakte Mengenbestimmung laufe aber noch, hieß es beim IGB.
Mit Satellitendaten konnten die Forscher inzwischen eine massive Algenblüte in der Oder bestätigen. Sie werteten dafür Aufnahmen des europäischen Copernicus Satelliten Sentinel 2 aus. Über einen optischen Sensor des Satelliten lässt sich die Wasserfarbe bestimmen und daraus kann abgeleitet werden, wie viel Chlorophyll oder andere farbgebende Substanzen sich im Wasser befinden.
Ausgewertet wurden drei ausgewählte Zeiträume: Ende Juli, Anfang August und Mitte August. Die Chlorophyll-Konzentration sei Ende Juli im gesamten Flusslauf auf mittlerem Niveau gewesen, im südlichen Flussabschnitt in der Nähe der Stadt Opole sei sie leicht erhöht gewesen.
Anfang August erkennt man einen sprunghaften Anstieg der Chlorophyll-Konzentration auf der Höhe von Wroclaw. 10 bis 12 Tage später hat sich die Algenblüte wie eine Welle weiter flussabwärts verlagert und auf einen größeren Bereich der Oder ausgedehnt.
IGB-Erklärung, 20.08.2022
Einen natürlichen Ursprung der Algenblüte schließen die Forscher aus. Sie steht vermutlich in direktem Zusammenhang mit den hohen Salzfrachten in der Oder, da die Alge in salzigem Wasser gedeiht. Doch welches Unternehmen große Mengen Salz einleitete, bleibt nach wie vor ungeklärt.
Herkunft des eingeleiteten Salzes weiter unklar
Polnische Medien hatten kürzlich den staatlichen Bergbaukonzern KGHM in Verdacht. Das Unternehmen habe zwischen dem 29. Juni und dem 10. August aus einem Klärbecken bei Glogau salziges Wasser in die Oder geleitet.
Dieses Becken ist etwa so groß wie der Berliner Müggelsee. Aus ihm wird regelmäßig salzhaltiges Abwasser in die Oder eingeleitet, erklärte der Parlamentsabgeordnete Piotr Borys laut RBB. Und das Unternehmen habe eine entsprechende Genehmigung der Wasserbehörde.
"Es erscheint stimmig, dass in diesem Absetzbecken die Prymnesium Alge schon seit Langem und in großen Mengen wächst, und mit der Einleitung von Wasser in die Oder gelangte", hatte der IGB-Forscher Martin Pusch den Vorwurf am Donnerstag kommentiert. Wegen des niedrigen Wasserstands und der starken Sonneneinstrahlung könne die Alge sich dann in der Oder weiter vermehrt haben.
KGHM hat die Vorwürfe inzwischen zurückgewiesen. In einer Presseerklärung sprach das Unternehmen am Freitag von "falschen Informationen". Das Unternehmen leite Wasser in der Nähe von Głogów. Die Kontamination sei aber mehr als 100 Kilometer flussaufwärts bei Oława festgestellt worden.
"Es ist nicht möglich, dass sich das Wasser der KGHM-Einleitung 100 Kilometer gegen den Fluss bewegt", heißt es in der Erklärung. Außerdem habe man im Juli nur minimal Wasser in die Oder eingespeist: Die Menge habe lediglich zwölf Prozent dessen entsprochen, was man im Juli 2021 eingeleitet habe.