Forencheck: Kosten der Energiewende, Fauci zu PCR-Tests und Quarantäneverstöße
Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne
Was kostet die Energiewende?
Wir sind Weltmeister beim Strompreis. In keinem anderen Land der Welt kostet der Strom so viel wie in Deutschland. Im Jahr 2019 haben wir bei Stromkosten in Privathaushalten 30 Cents pro Kilowattstunde geknackt und 2022 überschreiten wir schon die 35 Cents pro kWh".
Das schreibt ein Kommentator [1] in Bezug auf den Telepolis-Artikel Was tun gegen hohe Strompreise? von Wolfgang Pomrehn [2].
Das ist zunächst richtig, bzw. wurde Deutschland bei den Verbraucherstrompreisen Stand Juni 2021 knapp geschlagen dem britisch-atlantischen Überseegebiet Bermuda [3].
"Die Energiewende hat in ihren ersten 20 Jahren mehr als 388 Milliarden Euro gekostet. Im Jahr 2000 startete die Energiewende mit 2,0 Milliarden Euro Kosten pro Jahr. Die jährlichen Ausgaben stiegen jedes Jahr auf mittlerweile 42,5 Milliarden Euro", heißt es in dem Kommentar weiter.
Hier wird es schon komplizierter. Wie lassen sich genau die Kosten der Energiewende beziffern? Sollten hier die Gesamtbeträge gemeint sein, die pro Jahr über die EEG-Umlage erhoben wurden, dann stimmen diese Zahlen nicht ganz. Im Jahr 2000 flossen 880 Millionen Euro an EEG-Umlagen, im Jahr 2011 wurde mit 16,76 Milliarden Euro ein Höchststand erreicht und in den letzten Jahren hat sich die Umlage bei elf Milliarden Euro im Jahr eingependelt [4].
In Bezug auf künftige Kosten der Energiewende stellt das ifo-Institut fest [5]:
Um Aussagen über die Kosten der Energiewende zu beurteilen, muss zunächst klar sein, welche Arten von Kosten einbezogen werden.
Demnach könnten einerseits die Gesamtkosten für den Aufbau von Erzeugungstechnik und Infrastruktur betrachtet werden oder in einem weiteren Szenario die Folgen für Wertschöpfung und Beschäftigung, oder, noch darüber hinausgehend, die externen Kosten miteinbezogen:
Dies können beispielsweise Folgen des Klimawandels selbst sein. Die Kosten abzuschätzen, die aus dem Ausstoß einer Tonne CO2 langfristig global entstehen, ist natürlich schwierig. Schätzungen schwanken zwischen 40 Euro und 350 Euro, extreme Szenarien kommen auf noch höhere Werte.
Trotz dieser Unsicherheiten müssen die Kosten mit einbezogen werden, um die Dimension des Problems zu begreifen. So ergäben sich aus den Treibhausgasemissionen Deutschlands allein im Jahr 2018 externe Kosten in Höhe von 35 bis 300 Milliarden Euro.
Dem Wandel des Energiesystems müssten demnach dann die Vermeidungskosten gutgeschrieben werden, die Kosten der Energiewende würden dadurch gegenüber dem Verharren im fossilen Energiesystem sinken.
Letztlich hatte sich das in den letzten Jahren bereits bei der Kohleverstromung gezeigt: Angesichts steigender CO₂-Preise wurde die Kohle gegenüber Erneuerbaren zunehmend unwirtschaftlich. Durch die exorbitant gestiegenen Gaspreise ist die Kohle nun kurzfristig wieder wettbewerbsfähig geworden. Doch von Dauer wird das wahrscheinlich nicht sein.
Die Senkung der EEG-Umlage sollte nun eigentlich eine Maßnahme sein, um die privaten Haushalte beim Strompreis zu entlasten. Doch die Entlastung kommt bisher nicht bei den Haushalten an, wie etwa die Tagesschau Anfang Januar berichtete [6].
Erklärt Fauci PCR-Tests für nichtig?
Und der amerikanische Lauterbach Fauci erklärt den PCR-Test nach 2 Jahren Rechte- und Reichtumumverteilung für plötzlich nichtig und löst die Inzidenz-Pandemie wie einen Zauber in Luft auf. Seltsam wie das untergeht in der Weltpresse, wo hierzulande immer noch die Inzidenzen den Ton beim Pandemieorchester angeben.
So beginnt ein Kommentar zum Artikel [7] Covid: Das Endspiel von Thomas Pany [8].
Die angebliche Aussage traf der Leiter der US-Behörde für Allergien und Ansteckende Krankheiten (NIAID), Anthony Fauci in einem Interview des US-amerikanischen Senders MSNBC [9]. Die Aussage ist im Kommentar allerdings falsch interpretiert.
Im Interview erklärt Fauci die neuen Quarantäne-Richtlinien der Seuchenschutzbehörde CDC. Die CDC empfahl am 27.12.2021 eine Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage [10].
Nur Angestellte des Gesundheitswesens sollen für sieben Tage in Quarantäne bleiben und zudem am Ende einen negativen Test vorweisen. Die Verkürzung auf fünf Tage begründet Fauci damit, dass eine infizierte Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nach fünf Tagen nicht mehr ansteckend ist.
In diesem Zusammenhang sind auch seine Aussagen zu Antigen- und PCR-Tests zu sehen. In Bezug auf die PCR-Tests erklärte er:
PCR misst keine vermehrungsfähigen Viren, es misst Virus-Partikel, Nukleinsäure. In anderen Worten: Ich könnte infiziert gewesen sein, könnte frei von vermehrungsfähigen Viren sein, aber ich kann immer noch einige Tage PCR-positiv sein, nachdem ich genesen und gar nicht mehr ansteckend bin.
Diese Aussage stellt weder eine wissenschaftlich neue Erkenntnis dar, noch wird der PCR-Test damit für nichtig erklärt. Der PCR-Test sagt nach wie vor auf, dass ein Mensch mit dem Virus infiziert ist oder war. Er kann nur, genauso wie auch ein Antigen-Test, keine Auskunft darüber geben, ob die betreffende Person auch ansteckend ist.
"Man kann nur dann sagen, ob es übertragbar ist, wenn man nachweisen kann, dass man wirklich ein lebendes Virus in sich trägt. Und das können die Tests nicht messen. Sie messen das Vorhandensein oder die Abwesenheit des Virus, und das Virus kann ein totes, inaktives Virus sein, das nicht übertragbar ist." so Fauci in dem Interview.
Die Tests – sofern denn ausreichend durchgeführt werden – zeigen also weiterhin eine reale und hohe Infektionsrate. Die Verkürzung der Quarantäne und ein Verzicht auf Freitestung bei der Mehrzahl der Bevölkerung ist eher eine politische Entscheidung, die einem Abwägen von Risiken folgt. Hier geht es darum, Wirtschaft und Gesellschaft angesichts einer sehr hohen Zahl von krankheits- und quarantänebedingten Ausfällen am Laufen zu halten.
Muss die Quarantäne besser überwacht werden?
Schon jetzt wird die Missachtung einer Quarantäneanordnung mit empfindlichen Bußgeldern belegt. Der Autor redet hier extremen Überwachungsmaßnahmen das Wort, die nur zu rechtfertigen wären, wenn dadurch die Virusausbreitung signifikant gebremst werden könnte. Ich bezweifle, dass diese Maßnahmen dazu führen würden. Ich glaube nicht, dass es einen relevanten Anteil an Menschen gibt, die einer Quarantäneanordnung zuwider handeln und das Virus weiter verbreiten, obwohl sie wissen, dass sie infiziert sind. Der Autor schweigt sich darüber aus wie häufig so etwas vorkommt. Offensichtlich hat er ein sehr negatives Menschenbild verinnerlicht, das in seinen Mitmenschen nur noch potentielle Krankheitsüberträger sehen kann. Nur weil eine Maßnahme prinzipiell möglich ist, muss man sie noch lange nicht umsetzen, wenn es dafür keinen hinreichenden Grund gibt [11].
Ob hier wirklich Handlungsbedarf besteht, wird sich mangels verlässlicher Zahlen wohl nicht feststellen lassen – dazu müssten Verstöße gegen angeordnete Quarantäne bzw. Isolation systematisch erfasst und zentral gesammelt werden. Das ist nicht der Fall.
So lassen sich nur einige Presseberichte mit regionalen Zahlen anführen. So hat etwa Der Spiegel im vergangenen Jahr in verschiedenen deutschen Landeshauptstädten nach Verstößen gegen die Corona-Bestimmungen gefragt [12].
Führend war hier Berlin, wo es bis Ende Juni zu 51.000 Anzeigen kam – in wie vielen Fällen wirklich Bußgelder verhängt wurden, ist unbekannt. Magdeburg meldete beispielsweise nur 1.059 Verfahren. Doch diese Zahlen schließen alle möglichen Verstöße gegen die Coronaverordnungen ein, etwa gegen die Maskenpflicht oder Abstandsgebote.
Eine ähnliche Recherche nahm das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vor, und berichtet, dass die meisten Bußgeldverfahren Verstöße gegen Kontaktbeschränkungen oder Maskenpflicht betrafen [13].
Berichtet wird außerdem, dass Kommunen in Grenznähe häufige Verstöße gegen Quarantänebestimmungen registrierten. Hier geht es vermutlich nicht um die Quarantäne nachweislich Infizierter, sondern um eine Quarantäne nach der Rückkehr aus Risikogebieten.
Abschließend wird in dem Artikel festgestellt, dass die Verstöße gegen die Coronaverordnungen nicht zentral erfasst werden, sondern vielerorts nur in den Landkreisen und kreisfreien Städten vorlägen.
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-6335393
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Was-tun-gegen-hohe-Strompreise/Weltmeister-im-Strompreis/posting-40345928/show/
[2] https://www.heise.de/tp/features/Was-tun-gegen-hohe-Strompreise-6331676.html
[3] https://de.globalpetrolprices.com/electricity_prices/
[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36306/umfrage/entwicklung-der-verguetung-nach-dem-eeg-seit-2000/#professional
[5] https://www.ifo.de/node/43785
[6] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/eeg-umlage-strom-energie-101.html
[7] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Covid-Das-Endspiel/Covid-Das-x-te-Endspiel-des-US-Imperialismus-und-Kapitalismus/posting-40339796/show/?nid=gISWjp1j
[8] https://www.heise.de/tp/features/Covid-Das-Endspiel-6330900.html
[9] https://www.youtube.com/watch?v=bAICMQ1D5F8
[10] https://www.cdc.gov/media/releases/2021/s1227-isolation-quarantine-guidance.html
[11] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Mehr-Quarantaene-mehr-Freiheit/Besteht-denn-Handlungsbedarf/posting-40271942/show/
[12] https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/corona-verstoesse-gegen-maskenpflicht-und-kontaktbeschraenkungen-zehntausende-bussgelder-verhaengt-a-d748719b-1628-4ca4-95a8-06e2253eed4f
[13] https://www.rnd.de/politik/hier-wurden-die-meisten-bussgelder-wegen-verstoessen-gegen-die-corona-massnahmen-verhaengt-ZR2FRHEFVJFRBHMJOPERUSFZ4E.html
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