Forschung: Weniger Durchbrüche, schleppender Fortschritt

Seite 2: Mehr Konformität und weniger komplex?

Einen der möglichen Gründe führen die Autoren auf die quantitative Zunahme der Veröffentlichungen und Patente zurück. Bei den Veröffentlichungen ergab sich dadurch eine Zunahme an disruptiven Papers, bei den Patenten eine Abnahme.

Aber sie vermuten, dass die Verfügbarkeit von Wissen sich von dessen Gebrauch unterscheidet.

Sie beobachteten eine zunehmende Konzentration der Wissenschaftler auf spezielle Themen. Damit verbunden war eine Abnahme der Diversität der zitierten Papers und eine Zunahme der Zitierung aus den einen Prozent der am meisten zitierten Papers und Patenten, so dass zunehmend dieselben vorhergehenden Veröffentlichungen zitiert werden.

Dazu kommt, dass die Zitierungen aus den eigenen Arbeiten zunimmt, ein Indikator dafür, dass man auf einer Bahn weiterforscht. Und dann steigt auch das Durchschnittsalter der zitierten Veröffentlichungen, was heißt, dass man sich angesichts der Veröffentlichungsflut auf bekannte und ältere Arbeiten stützt.

Die neuere Strategie könnte man als Versuch einer Komplexitätsreduktion beschreiben, aber es ist eben auch eine stärkere Konformität, die sich eher in anerkannten Bereichen bewegt.

Wenn es stimmt, dass die Innovationsrate für neue Erkenntnisse und Techniken trotz massiven Investitionen in Wissenschaft und Technik und schnell zunehmenden Veröffentlichungen von immer mehr Wissenschaftlern und Erfindern zurückgeht, dann geht es nicht um mehr Investitionen, sondern um Veränderungen des Wissenschafts- und Universitätsbetriebs.

Mehr Grundlagenforschung; Zeit- und Erfolgsdruck herausnehmen?

Die Autoren meinen letztlich, es sei wichtig, den Zeit- und Erfolgsdruck – etwa nach der Maxime "publish or perish" – aus dem Betrieb zu nehmen, um breiter denken und forschen zu können, wodurch womöglich mehr disruptive Erkenntnisse entstehen, man könnte auch davon sprechen, dass wieder mehr Grundlagenforschung gefördert werden müsste:

Zur Förderung einer disruptiven Wissenschaft und Technologie könnten die Wissenschaftler ermutigt werden, viel zu lesen und sich Zeit zu nehmen, um mit dem sich rasch erweiternden Wissensstand Schritt zu halten.

Russel Funk, Michael Park, Erin Leahey Die Universitäten könnten den Schwerpunkt nicht mehr auf Quantität legen, sondern die Qualität der Forschung stärker belohnen und vielleicht einjährige Sabbaticals stärker subventionieren.

Aber das wäre ein paradoxer Versuch, mit einer Verlangsamung den Fortschritt wieder zu beschleunigen. Es könnte aber auch sein, dass disruptive oder bahnbrechende Erkenntnisse oder gar Paradigmenwechsel weniger werden, weil viele der grundlegenden Erkenntnisse bereits gemacht wurden und nun vermehrt in dem schon aufgespannten Rahmen geforscht werden muss.

Es könnte also auch sein, dass in der Wissenschaft eine Art Postmoderne einzieht.

Der Beitrag entstand in Kooperation mit dem Overton Magazin.