Fraunhofer-Analyse: Europa kann Wasserstoffbedarf selbst decken

Wasserstoffspeicher vor Solarzellen und Windrädern.

Wasserstoff wird eine tragende Säule im künftigen Energiesystem Europas sein. Forscher haben nun erstmals detailliert untersucht, welche Infrastruktur dafür nötig ist.

Windräder in der Nordsee, Solaranlagen in Spanien, Wasserstoffspeicher in alten Erdgaskavernen: So könnte die Energiezukunft Europas aussehen. Wie auch immer sie sich entwickeln wird, eines ist sicher: Wasserstoff spielt dabei eine Schlüsselrolle. Das zeigt eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Exzellenzclusters "Integrierte Energiesysteme" (CINES).

Die Forscher haben das gesamteuropäische Energiesystem der Jahre 2030 und 2050 simuliert. Ihr Fazit: Selbst bei der geringsten zu erwartenden Wasserstoffnachfrage werden alle wesentlichen Elemente der Infrastruktur, also Elektrolyseure, Transportkorridore und Speicher, in großem Maßstab benötigt.

Wasserstoffbedarf schwankt je nach Szenario erheblich

Der jährliche Wasserstoffbedarf in Europa könnte 2050 laut Studie zwischen 700 und 2.800 Terawattstunden liegen, je nachdem, wie stark Wasserstoff in Industrie, Verkehr und Gebäuden genutzt wird. Zum Vergleich: Die gesamte Stromerzeugung in Deutschland lag 2022 bei rund 580 Terawattstunden.

Den robust zu erwartenden Wasserstoffverbrauch sehen die Forscher bei rund 700 Terawattstunden für die sonst schwer elektrifizierbaren Anteile der industriellen Prozesswärme, Kraftwerke, Fernwärme und des innereuropäischen Flugverkehrs. Bei maximaler Nutzung, etwa als Grundstoff in der chemischen Industrie, könnte der Bedarf dann auf bis zu 2.800 Terawattstunden steigen.

Elektrolyse dort, wo Wind und Sonne günstig sind

Um den grünen Wasserstoff herzustellen, werden je nach Szenario Elektrolyseure mit einer Leistung zwischen 300 und 1.067 Gigawatt benötigt. Zum Vergleich: Ein moderner Offshore-Windpark hat heute meist eine Leistung von deutlich unter einem Gigawatt. Der Windpark Hollandse Kust Zuid 1–4 ist mit einer Leistung von 1,5 GW der größte in Betrieb befindliche Offshore-Windpark der Welt.

Die Elektrolyseure sollten der Studie zufolge dort gebaut werden, wo viel günstiger Solar- und Windstrom zur Verfügung steht, etwa an den Küsten Nordwesteuropas und in Südeuropa. Von dort müsste der Wasserstoff über Pipelines zu den Verbrauchszentren transportiert werden, vorwiegend in Industrie- und Chemieregionen wie dem Ruhrgebiet oder den Niederlanden.

Europa kann Wasserstoff selbst herstellen

"Unter der Annahme, dass das Energiesystem annähernd kostenoptimal ausgebaut wird, bleibt in Europa hergestellter grüner Wasserstoff mehr als konkurrenzfähig gegenüber Importen", betont Studienleiter Tobias Fleiter. Die zusätzlichen Transportkosten für Wasserstoff aus Nordafrika oder dem Nahen Osten würden die Kostenvorteile bei der Produktion aufzehren. Selbst im Maximalszenario würden Importe nur etwa zehn Prozent des europäischen Bedarfs decken.

Um saisonale Schwankungen auszugleichen, sind zudem große Wasserstoffspeicher notwendig. Bis zu 300 Terawattstunden Speicherkapazität könnten 2050 nötig sein – etwa so viel, wie die heutigen europäischen Erdgasspeicher fassen. Diese könnten zu Wasserstoffspeichern umgerüstet werden, so die Forscher.