G7: "Wirtschafts-Nato" im Wettbewerb mit China

Polarisierung im Handel: Wie steht es mit der Abhängigkeit von Asien? Interview mit Roberto Guidetti von Gigaset über neue Weichenstellungen und Wertschöpfungsketten.

Die frühere Kurz-Zeit-Premierministerin Liz Truss (Downing Street 10: Der Nächste, bitte!) ist auf einer "Comeback-Tour", wie dies britische Medien nicht ganz ohne hämischen Unterton berichten. Immerhin schaffte sie es mit einer spektakulär klingenden Idee einige Aufmerksamkeit zu bekommen.

Truss schlägt vor, dass der Westen eine "ökonomische Nato" bildet: Die G7 sollten nach ihrer Vorstellung wie eine Wirtschafts-Nato handeln und "unseren Wohlstand verteidigen", sagte sie kürzlich auf einem Symposium in Tokio.

Sollte Chinas Präsident Xi Jinping aggressive Schritte gegen Taiwan unternehmen, so sollten die Mitglieder der "economic Nato" ein hartes Paket an Wirtschaftssanktionen beschließen und einander beistehen, zitieren sie britische Magazine. Politico hatte bereits vorab davon berichtet, wie sich Truss eine härtere "Wirtschafts-Nato"-Gangart gegen China vorstellt.

Das Label "economic Nato" wird wahrscheinlich nur kurz und beschränkt berühmt sein, ähnlich wie Liz Truss, aber die Kampfansage Richtung China gibt es längst ("Der Kampf der Systemrivalen spitzt sich zu").

Dem stehen allerdings wirtschaftliche Realitäten und Abhängigkeiten gegenüber.

Wer heute das Typenschild eines technischen Produktes vom Notebook bis zum Smartphone betrachtet, wird in den meisten Fällen feststellen, dass praktisch alle aus China stammen. Selbst bei vielen Produkten, die mit ″Made in Germany″ glänzen, werden die Komponenten zumeist importiert.

Zulieferketten

Bislang kommen die Chips für Smartphone mehrheitlich aus Taiwan, wo sie von sogenannten Foundries im Auftrag US-amerikanischer Fabless Companies produziert werden. Aus den USA kommen auch die einschlägigen Betriebssysteme wie Android und Apples iOS.

Für neue Smartphones von Huawei ist die Nutzung von Android inzwischen verboten, sodass der Hersteller inzwischen gezwungen ist, für seine hochwertigen Geräte ein eigenes Betriebssystem einzusetzen, das ohne Rechte auskommt, die bei Google liegen. Die Tochter Honor hat man aus den Sanktionen herausgezogen, indem man sie an eine Gruppe chinesischer Investoren ausgelagert hat.

Während Apple seine Smartphones zumeist von Herstellern aus Taiwan auf dem chinesischen Festland fertigen lässt, die seit Jahren auch eine Produktion in Indien anstreben, hat Samsung seine Fertigung inzwischen von China in die Sozialistische Republik Vietnam verlagert und Sony ins Königreich Thailand, wo man seit Jahren schon erfolgreich Digitalkameras fertigt.

Nach Deutschland, wo ehemals Motorola, Siemens und Nokia produzierten und wo es auch eine leistungsfähige Zuliefererindustrie gab, hat sich im industriellen Maßstab bislang nur Gigaset gewagt.

Gigaset in Bocholt, unweit der deutsch-niederländischen Grenze, geht auf die Festnetzsparte des Münchner Elektrokonzern zurück und produziert dort neben Dect-Telefonen inzwischen auch Smartphones.