Game-Changer DeepSeek: Herausforderung für die westliche Militärdominanz
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"FPV-Drohne in Produktion für den Krieg." Foto: Maestro-0111 / shutterstock.com
Chinas Open-Source-KI senkt Hürden für die Entwicklung autonomer Waffen. Mit Folgen für asymmetrische Kriegsführung und westliche Vormachtstellung.
Die Revolution der Drohnenkriegsführung erreicht mit der Veröffentlichung des chinesischen KI-Sprachmodells DeepSeek eine neue Dimension, denn dessen Open-Source-Lizenz kann die Entwicklung autonomer Waffensysteme dramatisch beschleunigen und dezentralisieren.
Was bisher nur hochentwickelten Militärmächten mit großen Forschungsbudgets möglich war, und hier natürlich vor allem den USA, wird nun auch für kleinere Akteure zugänglich.
Kriegsverändernde Drohnentechnologie
Die Bedeutung dieser Entwicklung wird erst im Kontext des Ukraine-Krieges vollständig deutlich. Dort hat sich die Drohnentechnologie als kriegsverändernd erwiesen. Bisher sind die meisten Drohnensysteme noch auf direkte Steuerung durch Piloten angewiesen. Doch bereits jetzt zeigt sich der Trend zur Autonomisierung.
Russische Streitkräfte setzen zunehmend KI-gesteuerte Drohnenschwärme ein, die auch bei gestörter Funkverbindung operieren können. Die Ukraine setzt ihrerseits auf Drohnen mit autonomer Zielerfassung.
Die freie Verfügbarkeit des fortschrittlichen KI-Modells DeepSeek wird diese Entwicklung massiv beschleunigen. Die Open-Source-Lizenz erlaubt es jedem, die Technologie zu nutzen, zu modifizieren und weiterzuentwickeln. Dies hat weitreichende Implikationen.
Denn besonders für Länder des Globalen Südens oder auch gut finanzierte, nicht staatliche Akteure eröffnen sich neue Möglichkeiten. Mit vergleichsweise geringen Investitionen können sie die Technologie nutzen, um ihre militärischen Fähigkeiten deutlich zu erweitern.
Niedrige technische Hürden
Die technischen Hürden sind überraschend niedrig: DeepSeek kann mit relativ geringem Aufwand für die autonome Steuerung von Drohnen adaptiert werden. Denn ein entscheidender Vorteil von DeepSeek ist seine Ressourceneffizienz.
Im Vergleich zu anderen KIs benötigt DeepSeek weniger Rechenleistung, was es ideal für den Einsatz in Drohnen macht, die nur begrenzte Kapazitäten für Hardware haben. Ferner behaupten die Entwickler, dass DeepSeek mit weniger Trainingsdaten vergleichbare oder sogar bessere Ergebnisse erzielt als andere Modelle.
Die dafür notwendige Rechenleistung ist mittlerweile auch mit handelsüblicher Hardware erreichbar. Damit wird die Entwicklung autonomer Waffensysteme von einer Hightech-Nische zu einer breit verfügbaren Technologie.
Low-Cost-Computer für FPV-Drohnen
Kompakte Low-Cost-Computer wie das Raspberry-Pi-Board werden für KI-Anwendungen mit Echtzeitverarbeitung zwar wahrscheinlich zu schwach sein. Der Blog Next Big Future berichtet bei der Ausführung von DeepSeek auf dem Raspy von bis zu 200 Token pro Sekunde.
Die Verarbeitungsgeschwindigkeit "Tokens pro Sekunde" gibt an, wie viele Texteinheiten ein Sprachmodell pro Sekunde generieren oder verarbeiten kann. Ein Token kann dabei ein ganzes Wort, ein Teil eines Wortes oder ein Satzzeichen sein. Diese Metrik ist entscheidend für Anwendungen, die eine Echtzeitverarbeitung erfordern.
Bei einfachen Steuerungsaufgaben könnte dieser Wert bereits ausreichend sein. Doch zum Raspy gibt es Alternativen. Für FPV-Drohnen könnte ein Jetson Nano oder ein leistungsstärkerer Jetson Xavier NX ausreichen, wenn es um KI-gestützte Zielerfassung oder Flugsteuerung geht.
Beide Minicomputer haben eine Abmessung von nur 70 × 45 mm. Der Nano kostet nur um die 100 Euro. Sie brauchen allerdings eine gute Stromversorgung und Kühlung.
Für größere Langstreckendrohnen wie die Shahed wäre der Platz weniger problematisch, sodass leistungsfähigere AI-Hardware verbaut werden könnte.
Kostengünstig – auch für nicht-staatliche Akteure zugänglich
Besonders brisant ist, dass die Kombination aus kostengünstigen Drohnen, kostengünstigen Mini-Computern und freier KI-Technologie autonome Waffensysteme auch für nicht-staatliche Akteure zugänglich macht.
Auch terroristische Gruppen oder private Militärfirmen könnten die Technologie nutzen, um raffinierte Drohnensysteme zu entwickeln. Die asymmetrische Kriegsführung würde damit eine neue Qualität erreichen.
Der Möglichkeitsraum
Aufhorchen lässt in diesem Zusammenhang ein jüngstes Ereignis in Syrien. Auf einem vorgeschobenen türkischen Stützpunkt bei Ain Issa gelang es der kurdischen SDF (Demokratischen Kräfte Syriens) nach einem Bericht ihrer Pressestelle auf X, zwei türkische Panzerhaubitzen des Typs "T-155 Firtina" zu vernichten – mit FPV-Drohnen.
Bei den T-155 handelt es sich um modifizierte türkische Lizenzbauten der fortschrittlichen südkoreanischen Panzerhaubitze "K9 Thunder". Das Video zeigt eindrucksvoll, dass die türkischen Streitkräfte offenbar noch keine Lehren aus der modernen Kriegsführung in der Ukraine gezogen haben – insbesondere im Umgang mit der wachsenden Bedrohung durch Drohnen.
So sieht man, dass um die dicht beieinander stehenden Selbstfahrlafetten herum Munition gelagert ist. Es scheint zudem kein System zur elektronischen Kampfführung vorhanden zu sein. Die wertvollen Panzerhaubitzen haben auch keinen passiven Schutz gegen die Drohnengefahr, etwa Metallgrills oder Reaktivpanzerung.
Auf dem Video sind Dutzende Fahrzeuge zu erkennen, die SDF konnte anscheinend nur zwei Drohnen zum Einsatz bringen.
Die neue KI-Drohnen-Technologie, die durch DeepSeek nun in greifbare Nähe rückt, ermöglicht erstmals den autonomen Einsatz ganzer Drohnenschwärme – eine Entwicklung, die die Bedrohung exponentiell verstärkt.
Autonome Drohnen im Schwarm
Technisch bedeutet dies, dass Drohnen nicht mehr auf externe Steuerung angewiesen sind und somit weitgehend immun gegen Maßnahmen der elektronischen Kriegsführung werden. Das bislang effektivste Mittel zur Abwehr von Drohnenangriffen verliert damit seine Wirkung.
Gleichzeitig erhalten die Drohnen die Fähigkeit zur automatischen Zielerfassung und -verfolgung und können sich eigenständig in Schwärmen koordinieren.
Um beim Beispiel in Syrien zu bleiben: Ein autonom operierender Drohnenschwarm aus nur 50 selbst koordinierten Drohnen hätte die gesamte vorgeschobene türkische Basis innerhalb weniger Minuten vollständig vernichten können – und das bei minimalen Kosten für die eingesetzten Angriffsmittel.
Verbreitung der Technologie kaum kontrollierbar
Dieses mit DeepSeek künftig ermöglichte Schwarmverhalten könnte kriegsentscheidend sein: Während einzelne Drohnen relativ leicht abzuwehren sind, stellen koordinierte Schwärme eine völlig neue Herausforderung dar. Mit KI-Steuerung können Dutzende, Hunderte oder gar Tausende Drohnen als einheitlicher Schwarm operieren.
Und anders als bei klassischen Waffensystemen lässt sich die Verbreitung dieser Technologie kaum kontrollieren. Open-Source-Code kann nicht eingedämmt werden. Auch Exportkontrollen greifen hier nicht, da die wesentlichen Komponenten – KI-Software und handelsübliche Hardware – dual-use Güter sind.
Die westlichen Sanktionen gegen Russland beeinträchtigen zwar die westeuropäische Wirtschaft, führen jedoch vor allem zu einer Umstrukturierung der Lieferketten statt zu einer vollständigen Unterbindung der russischen Beschaffung kriegswichtiger Güter. Während etablierte Handelswege gestört werden, profitieren alternative Akteure von der Neuverteilung der Handelsströme.
Neue Möglichkeiten für Länder des Globalen Südens
Die Entscheidung Chinas, DeepSeek unter einer freizügigen Open-Source-Lizenz freizugeben, könnte auch eine geopolitische Dimension haben. Die KI-Technologie ist bisher stark von US-amerikanischen Unternehmen dominiert.
Die Öffnung des fortschrittlichen chinesischen KI-Modells ermöglicht nun auch Ländern außerhalb der US-Einflusssphäre den Zugang zu dieser militärischen Schlüsseltechnologie.
Besonders für Länder des Globalen Südens eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten. Was bisher durch US-Exportkontrollen oder wirtschaftliche Barrieren eingeschränkt war, wird nun frei verfügbar.
Die Kombination aus chinesischer Hardware und frei verfügbarer chinesischer KI-Technologie hat das Potential, das militärtechnologische Gleichgewicht zu verschieben, wie das auch abermals das oben genannte jüngste Beispiel in Syrien unterstreicht.
Open-Source-Lizenz und geopolitische Strategie
DeepSeek ist unter der MIT-Lizenz veröffentlicht. Anders als proprietäre KI-Systeme westlicher Unternehmen kann die Technologie frei adaptiert und auch in militärische Systeme integriert werden. Die MIT-Lizenz erlaubt nicht nur die bloße Nutzung, sondern auch die Modifikation und Weiterverbreitung des Codes – selbst für militärische Zwecke.
Die MIT-Lizenz ist eine der einfachsten und freizügigsten Open-Source-Lizenzen. Sie erlaubt es Nutzern, den Code für jeden Zweck zu verwenden, solange der ursprüngliche Copyright-Hinweis und die Lizenzbedingungen in allen Kopien oder wesentlichen Teilen der Software beibehalten werden.
Man muss annehmen, dass die MIT-Lizensierung Teil einer breiteren chinesischen Strategie sein könnte, ein Gegengewicht zur westlichen Technologiedominanz zu schaffen. Denn die Freigabe der Technologie ermöglicht es Ländern wie Iran, Nordkorea oder verschiedenen afrikanischen Staaten, eigene KI-gestützte Militärsysteme zu entwickeln.
Weitreichende militärische Implikationen
Die militärischen Implikationen sind so weitreichend, dass sie kaum absehbar sind. Die Kombination aus kostengünstiger Drohnenhardware und fortschrittlicher KI-Steuerung senkt die Eintrittsbarrieren für autonome Waffensysteme drastisch. Was einst den führenden Militärmächten vorbehalten war, wird nun auch für kleinere Akteure zugänglich.
Diese unkontrollierbare Verbreitung militärischer KI-Technologie könnte bestehende Machtstrukturen grundlegend erschüttern. Die USA und ihre Verbündeten verlieren ihr bisheriges Monopol auf hochentwickelte Waffensysteme – oder anders ausgedrückt: Die Freigabe von DeepSeek markiert historisch einen Wendepunkt in der militärischen Entwicklung, der das Potenzial hat, die technologische Vormachtstellung des kollektiven Westens zu brechen.
Denn das neue Wettrüsten entscheidet sich nicht mehr allein durch überlegene Hardware, sondern durch KI-Fähigkeiten: Wer die leistungsfähigste künstliche Intelligenz besitzt, bestimmt die Zukunft der Kriegsführung.