Game of Thrones im Westen: UK kämpft gegen US-russische Annäherung

Bild (Februar 2025): Number 10 / Open Government Licence v3.0
Ukraine-Krieg: Die besondere Beziehung zwischen USA und Großbritannien unter Druck. Eine russische Erklärung treibt einen Keil zwischen die einstigen Verbündeten.
Es riecht nach Zeitenwende im anglophonen Raum. Mit seinen diplomatischen Bemühungen im Konflikt zwischen der Ukraine und dem Invasoren Russland macht sich der republikanische US-Präsident Donald Trump unter den westlichen Staaten derzeit keine Freunde.
Am wenigsten in Großbritannien, wo Labour-Premier Keir Starmer im vergangenen Monat die lange umstrittenen "boots on the ground" , respektive die "planes in the air", zur Friedenssicherung in der Ukraine ins Spiel brachte.
Die "special relationship"
Die Koalition der Willigen, die Starmer forderte, ist diesmal aber eine andere als zu Zeiten des Irak-Krieges, als sich Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten schon einmal unter diesem Titel vereinten.
Das war eine Koalition, die laut der Whistleblowerin Katharine Gun damals immerhin so weit ging, gemeinsam den UN-Sicherheitsrat zu bespitzeln, um mögliche Kriegsgegner zu erpressen.
Beobachter fürchten, dass die angelsächsische "special relationship" in Zeiten von Trump und Starmer großen Schaden nehmen könnte.
Die in London gegründete Nachrichtenagentur Reuters – in den 1960er-Jahren selbst einst von der britischen Regierung vor den geopolitischen Karren der "special relationship" und deren Interessen im Nahen Osten gespannt – hat kürzlich in einem Beitrag herausgestellt, dass Trump mit einem Land verhandle, dem Großbritannien als "Staatsfeind Nummer eins" gelte.
Wie von Telepolis berichtet, hatte Kreml-Chef Wladimir Putin gegenüber dem Vorgehen der US-Regierung im Fall des Ukraine-Kriegs zuletzt "Hoffnung" geäußert, und damit wohl den Keil zwischen USA und UK zusätzlich angespitzt.
Die britischen Pläne aus Sicht Moskaus
Obendrein hatte sich der russische Auslandsgeheimdienst SVR in jüngster Vergangenheit unter Bezug auf angeblich erhaltene Informationen an die Öffentlichkeit gewandt, die Großbritanniens Ablehnung bezeugen sollen, den Konflikt auf friedlichem Wege zu beenden.
Demnach befürchte London, dass ein Frieden in der Ukraine eine britische Strategie der "Eindämmung" Russlands unterminieren könnte. Mit dem Verlust der Ukraine, so der SVR weiter, würden die Pläne des Königreichs untergraben, einen "russophoben Gürtel von Grenzstaaten" zu schaffen und schließlich eine "Seeblockade Russlands" zu bewerkstelligen.
Die Stellungnahme zeugte auch durch den darin bedienten, antibritischen Topos des "perfiden Albion" von tiefen Ressentiments gegen Großbritanniens angebliche Rolle als "Hauptverursacher globaler Konflikte", die bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg zutage getreten sei.
Antipathien
Wie auch Reuters festhält, hat der Ukraine-Konflikt besonders dazu beigetragen, diese Antipathien anzufachen. Vor der neuerlichen Kampfansage des SVR hatten sich die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Nationen bereits durch gegenseitige Ausweisungen von Diplomaten deutlich verschlechtert.
So hat sich das Personal der britischen Botschaft seit Beginn des Krieges um mindestens zehn Beschäftigte reduziert. Weder Russland noch Großbritannien haben derzeit Verteidigungsattachés im Einsatz.
Auch sind die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern drastisch zurückgegangen, von einem Volumen über 16 Milliarden Pfund im Jahr 2021 auf etwas mehr als 2 Milliarden Pfund im Jahr 2023.
Die herausragendsten Ereignisse rund um den Ukraine-Krieg wollen wir dem Leser an dieser Stelle aber noch einmal ins Gedächtnis rufen.
Ukraine-Krieg: Von Unterstützung bis zu "direkter Kriegsbeteiligung"
Zum großen Ärger Moskaus hat die britische Regierung als erstes westliches Land Kampfpanzer und Langstreckenraketen an die Ukraine geliefert. London zeigt sich auch weiterhin als entschiedener Unterstützer der Ukraine.
Noch am 1. März 2025 hatte Premier Starmer dem konfliktbeladenen Land einen Kredit in Höhe von 2,74 Milliarden Euro zur Stärkung der Verteidigung zugesichert und das UK verpflichtet, mindestens bis zum Fiskaljahr 2030/31 jährliche Militärhilfen in Höhe von mehr als 3,5 Milliarden Euro zu leisten.
Ende Januar hatten die beiden Nationen außerdem einen "Hundertjahresplan" unterzeichnet, in dem sich Großbritannien zu einer langfristigen Gewährleistung der Sicherheit und Souveränität der Ukraine bekennt.
Zu diesem Zweck sagte der britische Premier dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Unterstützungsleistungen in Höhe von 12,8 Milliarden Pfund (etwa 14,7 Milliarden Euro) zu, von denen allein 7,8 Milliarden Pfund für militärische Hilfe vorgesehen sind – darunter Panzer, Luftabwehrsysteme sowie Präzisionsraketen mit großer Reichweite.
Der Plan, der dem Seltene-Erden-Deal der Trump-Regierung vorausging, umfasst auch Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, einschließlich Investitionen und Handelsabkommen im Agrar- sowie im Technologiesektor. Auch die Unterstützung der ukrainischen Bemühungen, der Nato und der Europäischen Union beizutreten, waren Gegenstand des Planes.
Was Russland im Zuge des britischen Engagements in der Ukraine besonders negativ aufstößt, ist die direkte Beteiligung Großbritanniens an militärischen Handlungen vor Ort. So hat das UK etwa im Rahmen der Operation "Interflex" rund 50.000 ukrainische Soldaten ausgebildet.
Weiterhin spielen die britischen Geheimdienste seit Beginn eine aktive Rolle im Kriegsgeschehen.
So liefert der MI6 Satellitenbilder und unterstützt das Land bei der elektronischen Aufklärung sowie beim Abhören russischer Funksprüche, die Government Communications Headquarters (GCHQ) helfen der Ukraine außerdem bei der Abwehr russischer Cyberangriffe, während der Militärnachrichtendienst Defence Intelligence (DI) täglich "Intelligence Updates" über Truppenbewegungen, Verluste und potenzielle Kriegsverbrechen veröffentlicht.
Altlasten Istanbul und Butscha
Darüber hinaus beschuldigt Russland das Vereinigte Königreich aber auch, an konkreten Kriegshandlungen (im Zusammenspiel mit den USA) beteiligt gewesen zu sein, so etwa der Vorbereitung eines Angriffs auf die Kertsch-Brücke im Juli 2023, die die Halbinsel Krim mit dem Festland verbindet.
Im November 2024 behauptete der russische Botschafter in Großbritannien, Andrei Kelin, Großbritannien sei "direkte" Kriegspartei, nachdem Medien über britische Storm-Shadow-Raketen berichtet hatten, die bei einem Beschuss der Tschonhar-Brücken eingesetzt worden sein sollen.
Seine wohl prominenteste Rolle in Bezug auf die Ukraine hat Großbritannien aber in Gestalt des damaligen Premiers Boris Johnson eingenommen, welcher Medienberichten zufolge der Ukraine im Zuge der Gespräche in Istanbul im März 2022 geraten haben soll, von einem Abkommen mit Russland Abstand zu nehmen.
Zu einer vollständigen Aufkündigung des Dialogs haben damals auch die Berichte über die Massaker im ukrainischen Dorf Butscha beigetragen. Auch Johnson soll argumentiert haben, mit einem "Kriegsverbrecher" wie Putin sei nicht zu verhandeln. Russland seinerseits hat die Briten früh beschuldigt, die Massaker in dem ukrainischen Dorf inszeniert zu haben.
In dieser Weise äußerte sich noch im November 2024 der Botschafter Russlands in den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja.
Westliche Organisationen zur Abwehr hybrider Bedrohungen wie die britische Counter Disinformation Unit (CDU) oder das Projekt EUvsDisinfo haben derlei Darstellungen als Fake News bezeichnet.
Sowohl CDU als auch EUvsDisinfo kooperieren eng mit dem strategischen Kommunikationsapparat der Nato und wurden für ihre zweifelhafte Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung kritisiert.
Eine lange Partnerschaft
Die "besondere Beziehung" oder "Verwandtschaft" zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich blickt auf eine lange Geschichte zurück und umfasst eine intensive Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen, allen voran im Geheimdienst- und Militärbereich.
Die besondere Beziehung, "special relationship", die Winston Churchill popularisierte, nahm spätestens im Zweiten Weltkrieg Gestalt an, als britische und US-amerikanische Kräfte gemeinsam an der Entschlüsselung des Enigma-Codes der Nazis arbeiteten.
Nach dem Krieg wurde das "UKUSA"-Abkommen geschlossen, welches die Grundlage für die "Five Eyes"-Allianz bildete, das unter Kritikern berüchtigte Bündnis zwischen den Nachrichtendiensten der USA, des Vereinigten Königreichs und dem englischsprachigen Commonwealth aus Kanada, Australien und Neuseeland.
Ein neuer Höhepunkt nach dem Zweiten Weltkrieg
Während des Kalten Krieges intensivierte sich die britisch-amerikanische Zusammenarbeit in Hinblick auf das Zurückdrängen des kommunistischen Einflusses und erreichte im Zuge des "War on Terror" nach den Anschlägen vom 11. September 2001 einen neuen Höhepunkt.
Die Enthüllungsplattform WikiLeaks und deren Gründer Julian Assange haben sich mehrfach kritisch zur "besonderen Beziehung" zwischen USA und UK geäußert, etwa, nachdem Veröffentlichungen wie das Afghan War Diary und die Iraq War Logs eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bei umstrittenen Militäraktionen zutage gefördert hatten.
Eine solche enge Abstimmung dokumentierten auch die Enthüllungen des umfangreichen Überwachungsprogramms der National Security Agency (NSA) durch Edward Snowden im Jahr 2013, bei dem auch die britische Geheimdienste GCHQ eine bedeutende Rolle spielten.
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Redaktionelle Anmerkung: Ursprünglich wurde der frühere US-Präsident Woodrow Wilson im Text irrtümlich als derjenige dargestellt, der der "special relationship" ihren Namen gab. Die Ehre, den Begriff popularisiert zu haben, gebührt jedoch Winston Churchill. Das wurde verbessert.