Gaskrise: Will Habeck aus Solidarität mit der Ukraine die deutsche Industrie drosseln?
Eine EU-Verordnung verpflichtet dazu, Mitgliedsstaaten bei Engpässen auszuhelfen. Die Ukraine ist bisher keiner – aber ein Transitland für russisches Gas, das EU-Länder erhalten. 2024 laufen Verträge aus.
Eine Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum hat hohe Wellen geschlagen und wurde sogleich von der AfD aufgegriffen: "Wahnsinn: Weil die Ukraine ab 2024 womöglich kein Gas mehr aus Russland erhält, will Habeck die deutsche Industrie herunterfahren, um unser Gas an die 'Nachbarn' zu liefern", twitterte AfD-Fraktionschefin Alice Weidel am Dienstag.
Der Satz legt nahe, dass es um Gas für die Ukraine gehe, die EU-Beitrittskandidat, aber noch kein Mitgliedsland ist. So gesehen gäbe es nach EU-Regeln keine Verpflichtung, ihr bei Engpässen mit Gas auszuhelfen – dann wäre dies tatsächlich nur Habecks "Wille", den man moralisch richtig oder falsch finden kann. Jedenfalls könnte er dies dann nicht einfach verkünden und ohne Diskussion umsetzen.
Aber ganz so einfach ist es nicht – denn die Ukraine ist Transitland für Gaslieferungen an EU-Mitgliedsstaaten.
"Bevor die Leute frieren müssen..."
Was hat Habeck genau gesagt? – Zunächst beschrieb er die aktuelle Versorgungslage als entspannt – allerdings erst einmal nur für dieses Jahr:
Ich will nur darauf hinweisen, dass die Transitverträge, die Russland mit der Ukraine geschlossen hat, im Jahr 2024 auslaufen – und der Krieg wütet! Es gibt kein sicheres Szenario, wie es da weitergeht. Und würde das russische Gas nicht in dem Maße, wie es ja noch immer durch die Ukraine fließt, nach Südosteuropa kommen, gilt, was europäisch verabredet wurde: Bevor die Leute dort frieren, müssten wir unsere Industrie drosseln oder gar abschalten. So sind die europäischen Regeln und Vereinbarungen.
Robert Habeck am 13. Juni beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum
Bezogen auf EU-Mitgliedsstaaten wie Österreich, die Slowakei oder Ungarn gibt es tatsächlich eine Verpflichtung zur Solidarität. Hintergrund ist eine EU-Verordnung von 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung in der Energieunion.
In dieser Verordnung heißt es wörtlich:
Werden Solidaritätsmaßnahmen als letztes Mittel ergriffen, so sollte vorzugsweise zunächst der Gasverbrauch in dem Mitgliedstaat, der Solidarität leistet, auf freiwilliger Basis gesenkt werden, durch marktbasierte Maßnahmen wie freiwillige nachfrageseitige Maßnahmen oder umgekehrte Auktionen, bei denen bestimmte Verbraucher wie industrielle Verbraucher dem Fernleitungsnetzbetreiber oder einer anderen zuständigen Behörde den Preis mitteilen, zu dem sie ihren Gasverbrauch verringern oder einstellen würden.
Erweisen sich marktbasierte Maßnahmen als unzureichend, um den Engpass bei der erforderlichen Gasversorgung zu beseitigen, und in Anbetracht der Bedeutung, die der Solidarität als letztem Mittel zukommt, sollte der Mitgliedstaat, der Solidarität leistet, in der Lage sein, als zweiten Schritt nicht-marktbasierte Maßnahmen, einschließlich Lieferkürzungen für bestimmte Verbrauchergruppen, anzuwenden, um seine Solidaritätsverpflichtungen zu erfüllen.
Aus der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017
Es ist also keine "Drohung" von Habeck, wie eine Schlagzeile der Jungen Freiheit nahelegt, sondern tatsächlich EU-Recht. Für Solidaritätsmaßnahmen als letztes Mittel sollte laut der Verordnung allerdings Entschädigung geleistet werden.
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