Geheimdienst des griechischen Präsidenten spioniert Journalisten aus

Cytrox-CEO Ivo Malinkovksi trägt ein "More Money"-Shirt und ahmt das Cover der Biografie des Apple-Mitbegründers Steve Jobs nach. Bild: citizenlab.ca

Finanz-Reporter findet Spionageprogramm auf seinem Handy. Fachbehörde in Athen leugnet Ausspähung, Regierungssprecher will von nichts wissen

Das Mobiltelefon des griechischen Journalisten Thanasis Koukakis wurde mehr als zwei Monate lang mit der Spionagesoftware Predator des nordmazedonischen Herstellers Cytrox überwacht. Nach seinen Recherchen und den Ermittlungen seiner Kollegen steckt dahinter der griechische Geheimdienst NIS.

Koukakis erhielt am 28. März vom Citizen Lab der Universität von Toronto den Nachweis, dass sein Telefon mit Predator infiziert war. Das Journalistenteam Eliza Triantafyllou und Tassos Telloglou brachte im Internetmagazin Inside Story den Fall an die Öffentlichkeit.

Die Spionagesoftware Predator schneidet alles mit. Sie macht Screenshots, stiehlt Passwörter, zeichnet Telefonate auf und kann auch die Nachrichten in vermeintlich sicheren Kurznachrichtensystemen wie Whatsapp, Telegramm und Signal mitlesen. Zudem verwandelt die Software das Mobiltelefon in eine moderne Abhörwanze und zeichnet alles in der Umgebung des Telefons mit.

Nach der Veröffentlichung von Triantafyllou und Telloglou behauptete Regierungssprecher Giannis Oikonomou, auch er habe erst durch die Veröffentlichungen von der Sache erfahren. "Es versteht sich von selbst, dass die zuständigen Behörden das Richtige tun müssen, um diesen Fall aufzuklären und Gerechtigkeit zu schaffen. Die zuständigen Behörden müssen ihre Arbeit ordentlich machen, ohne Diskussion", fügte er unverbindlich an.

Oikonomou stellt den Fall so dar, als habe der Staat mit all dem nichts zu tun.

Koukakis selbst hatte sich am 12. August 2020 an die griechische Behörde für Kommunikationssicherheit, das Gegenstück zur Bundesnetzagentur, gewandt. Er bat die Behörde seine Telefone zu überprüfen und ihm mitzuteilen, ob sie abgehört werden. Der Journalist äußerte einen konkreten Verdacht:

Ich mache diese Beschwerde, nachdem mir durch einen Dritten Informationen übermittelt wurden, die im Zusammenhang mit der Existenz von Mitschriften meiner Gespräche stehen, die sich auf meine Telefongespräche zwichen dem 15. Mai 2020 und dem 30. Mai 2020 beziehen. Die aufgezeichneten Gespräche wurden im Freien geführt.

Behörde leugnet Spionage

Koukakis bekam erst am 29. Juni 2021 von der Behörde die Antwort: Es sei kein Abhören festgestellt worden.

Die Journalisten Nikolas Leontopoulos und Thodoris Chondrogiannis fanden indes heraus, dass im Juni 2020 die NIS bei Koukakis Netzbetreiber Cosmote, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom, einen Antrag zum Abhören eingereicht hatte. Als Grund für die Überwachung wurden nicht näher erläuterte Belange der nationalen Sicherheit angeführt. Gemäß ihrer Veröffentlichung im Magazin Reporters United sind die Journalisten im Besitz entsprechender Dokumente.

Sie geben an, dass der Erstantrag der Schlapphüte mit der Protokollnummer E2402/2020 am 1. Juni 2020 für ein Abhören über zwei Monate und ein Verlängerungsantrag zum Abhören bis Ende Oktober mit der Nummer E3077/2020 am 13. Juli 2020 gestellt wurde.

Am 12. August 2020 beantragte der Geheimdienst dann mit der Protokollnummer E3580/2020 plötzlich den Stopp der Abhörmaßnahmen durch die Cosmote; just am Tag, an dem sich Koukakis an die Netzagentur gewandt hatte. Die Brisanz dieser Entdeckung liegt darin, dass die NIS unmittelbar und als eine der ersten Amtshandlungen nach den Wahlen im Juli 2019 Premierminister Kyriakos Mitsotakis persönlich unterstellt wurde.

Aus der Tatsache, dass die griechische Netzagentur dem Journalisten keine, beziehungsweise eine falsche Antwort auf seine Anfrage gab, ist ihr kein Vorwurf zu machen. Denn im März 2021 hatte die Regierung kraft ihrer Parlamentsmehrheit durch einen Zusatzartikel das entsprechende Auskunftsgesetz geändert.

Demgemäß wird bei Gründen der nationalen Sicherheit jede Anfrage einer von Abhörmaßnahmen betroffenen Person verneint. Koukakis beschäftigt sich beruflich keineswegs mit Fragen nationaler Sicherheit. Sein Themengebiet sind die Finanzen. Er publizierte unter anderem bei CNN Greece, CNBC der Financial Times und Inside Story.

Einer seiner Scoops der letzten Jahre betraf Geschäfte des Bankers Michalis Sallas zu Lasten seines Kreditinstituts, der Piräus Bank, und der Libra-Gruppe des Reeders Logotheti.

Eine harmlos erscheinende SMS

Koukakis warf Sallas die Umgehung der Kapitalverkehrskontrollen vor. Gewichtiger noch wirkt sein Vorwurf gegen Mitsotakis, dem er eine Novellierung der Finanzmarktgesetze vorhält, die Geldwäsche erheblich erleichtert.

Ferner hat sich Koukakis intensiv mit Themen der Steuerhinterziehung, den Finanzen des Immigrationsministeriums und dem Rechtsstreit des griechischen Gasversorgers Depa mit dem Düngemittelhersteller Elfe beschäftigt.

Die Analyse von Koukakis Telefon brachte zutage, dass die Infektion mit Predator am 12. Juli 2021 erfolgte. Koukakis erhielt eine SMS von einer griechischen Mobilfunknummer mit der Frage "Thanassis, kennst Du das?".

Verlinkt war dazu blogspot.edolio5(.)com, eine Fake-Adresse, welche leicht mit dem bekannteren Blog, edolio5.blogspot(.)com verwechselt werden kann. Der Click auf den Link installierte die Spionagesoftware.

Die bisherigen Recherchen der Journalisten in Griechenland haben noch nicht den endgültigen Beweis geliefert, dass der Geheimdienst auch hinter der Predator-Abhöraktion steckt. Allerdings gibt es Indizien. So wurde im Dezember 2021 verkündet, dass der Geheimdienst sich, gemeinsam mit der Antiterrorbehörde, entsprechende Software kaufen möchte.

Zudem steht die Regierung Mitsotakis wegen ihrer Weigerung, unabhängigen Journalisten Fragen zu beantworten. Transparenzgesetzte verkommen zu Makulatur. Journalistenverbände bemängeln zudem, dass der Mord am Investigativjournalisten Giorgos Karaivaz ein Jahr nach der Tat immer noch nicht aufgeklärt ist.