Geklaut und zurückgeklaut: Das steckt hinter dem griechisch-iranischen Ölkrieg auf offenem Meer
Zwei griechische Tanker befinden sich unter Kontrolle der Revolutionsgarde. Dabei spielen auch die USA und griechische Behörden zentrale Rollen in dem Drama
Die Story ging auch durch die deutsche Presse: Behörden des Irans haben zwei griechische Tanker festgesetzt, um sich gut 100.000 Tonnen Rohöl zurückzuholen, die zuvor auf einem anderen Schiff in Griechenland konfisziert worden waren. Die Revolutionsgarden kaperten am vergangenen Freitag die griechischen Schiffe im Persischen Golf.
Die Regierung in Athen spricht von einem beispiellosen Akt der Piraterie, und auch westliche Medien warfen dem Iran vor, die beiden griechischen Tanker entführt zu haben. Doch die Schlagzeilen der vergangenen Tage haben aber eine Vorgeschichte, die Mitte April vor Karystos auf der Insel Euböa begann und in die sowohl Griechenland als auch die USA verstrickt sind.
Das Drama nahm am 14. April seinen Anfang, als der unter russischer Flagge fahrende Tanker Lana, vormals Pegas, mit 19 russischen Matrosen in der Ägäis in Seenot geriet. In internationalen Gewässern der Ägäis nahe dem Cavo D‘oro war das Schiff in rauer See manövrierunfähig und wurde daher von einem Schlepper gezogen.
Als Ziel wurde der Peloponnes angegeben, wo die Fracht umgeladen werden sollte. Die stürmische See erzwang das Schleppen in die ruhigeren Gewässer der Evripos-Straße, welche Euböa vom Festland trennt. Vor Karystos ging die "Lana" vor Anker.
Am 19. April setzte die griechische Behörde für die Bekämpfung der Einkünfte aus illegalen Praktiken das Schiff fest. Sie berief sich auf die Sanktionen der EU und der Nato gegen Russland, welche als Antwort auf die Invasion in die Ukraine erlassen worden waren.
In Berichten der griechischen Medien wurde erwähnt, dass die Behörden das Schiff nach Lavrion, einen attischen Hafen, schleppen und dort eventuell die 108.000 Tonnen Rohöl auf US-Schiffe umladen wollten.
Denn die von der Behörde verordnete Beschlagnahme betraf das Schiff und nicht die Fracht, also das iranische Rohöl. Die Lana, den griechischen Behörden bis dahin als Pegas bekannt, sei Eigentum der russischen Bank Promsvyazbank, hieß es in der Beschlagnahmungsorder.
Später stellte sich heraus, dass die Matrosen der Lana Dokumente vorlegen konnten, nach denen ihr Schiff seit dem 17. März, also lange vor der Einfahrt in griechische Gewässer, von der russischen Firma Transmorflot übernommen worden war.
Zum gleichen Zeitpunkt sei der Namenswechsel erfolgt. Anders als die Promsvyazbank steht Transmorflot bislang nicht auf westlichen Sanktionslisten. Die griechischen Behörden gaben das Schiff am 22. April wieder frei.
Erneute Beschlagnahme – diesmal der Fracht
Ablegen durfte der Tanker dennoch nicht, weil die USA die griechische Regierung am 20. April in Berufung auf ein gegenseitiges Rechtshilfeabkommen baten, die Fracht des Schiffes zu beschlagnahmen.
Die US-Behörden, die Staatsanwaltschaft von Columbia, das FBI und die Homeland Security Investigation beriefen sich darauf, dass das Schiff seit knapp einem Jahr auf ihrer "schwarzen Liste" stehen würde.
Es habe bereits im August 2021 108.000 Tonnen iranisches Öl transportiert. Zudem würde mit dem Erlös des Öls ausländischer Terrorismus im Sinn der Definition der USA finanziert, hieß es.
Der Fall kam auf der Insel Euböa in der gleichnamigen Inselhauptstadt vor Gericht. Dieses entschied am 18. Mai mit einer einstweiligen Verfügung, dass das Schiff zunächst nicht abfahren dürfe und bis mindestens dem 19. Oktober 2022 kein Wechsel der Eigentumsverhältnisse von Frachter und Ladung zugelassen werden dürfe.
Die Anwaltsfirma der Schiffseigner ging mit einem Statement an die griechische Presse. In der etwas kompliziert formulierten Darstellung heißt es, der Tanker sei mittlerweile ein Schiff unter iranischer Flagge:
Anlässlich jüngster Veröffentlichungen in der griechischen und internationalen Presse über den im Golf von Karystos befindlichen Öltanker mit dem Namen Lana, ehemals Pegas, jetzt Iran, ehemals Russland QESHM (KESM), ehemals TAGANROG (Nr. 10130821-2020-TAGANROG), mit Registrierungsnummer 1423 / 09.05.2022, IMO-Nr. 9256860, Rufzeichen EPXR6…
Unterschrieben ist das Dokument von den Anwälten George Kozanidis und Penélope Tekou, die angaben, im Sinn ihrer Klienten die einstweilige Verfügung erwirkt zu haben.
Umweltbedenken gegen Umladen von Erdöl ignoriert
Am 16. Mai meldete der zentralgriechische Regionalsender Star, es gebe einen Beschluss, der das Umladen des Öls auf andere Schiffe für die USA erlauben würde. In Griechenland brach umgehend eine Debatte los, weil der Iran protestierte und Gegenmaßnahmen ankündigte.
Am 18. Mai wandte sich der Regionalgouverneur von Zentralgriechenland, Fanis Spanos, mit einem offiziellen Schreiben an den Handelsmarineminister Giannis Plakiotakis. Er warnte vor dem Umladen des Erdöls im Golf von Karystos bat den Minister, das Schiff schnellstmöglich von Karystos wegzuschleppen, weil eine Umweltkatastrophe drohe.
Eine ähnliche Warnung gab der Umweltschutzverein von Karystos heraus. Auch er wies darauf hin, dass die Bedingungen vor Karystos für das Verweilen und das Umladen von Öl nicht geeignet seien und dass bereits bei einem kleineren Unfall eine für Karystos verheerende Ölpest drohte.
Umladen trotz gesetzlichem Verbot
Am 20. Mai verlangte das Gericht von Chalkida in einem Schreiben an die Hafenbehörde von Karystos, dass das Öl auf zwei griechische Tanker, die von den USA gechartert wurden, umzuladen sei. Der Vorgang wurde von der Hafenpolizei erlaubt, obwohl ein derartiges Unterfangen, von Schiff zu Schiff, aus Umweltschutzgründen griechischen Gesetzen zufolge nur an drei Orten erlaubt ist: bei der Insel Limnos, nahe Preveza und vor Kreta.
Die Direktorin der Hafenbehörde von Karystos, soll sich Berichten in der griechischen Presse zufolge hartnäckig geweigert haben, habe sich dem Druck ihrer Vorgesetzten beugen müssen.
Seit der vergangenen Woche wird das Öl auf die Tanker Ice Energy und Alkinoos umgeladen. Die Fracht wird, gemäß einem Beschluss Griechenlands vom 26. Mai in die USA gebracht.
Griechische Tanker im Iran: Was macht er "berechenbare Verbündete"?
"Piraterie gegen … Piraterie", betitelte Marios Dionellis einen Kommentar in der regierungskritischen Zeitung EfSyn. Er beschreibt das Drama der Angehörigen der in der Gewalt der iranischen Behörden befindlichen griechischen Seeleute und zitiert einen Verwandten des zweiten Ingenieurs, Manolis Vevaiakis, vom Tanker "Prudent Warrior".
Wir hoffen, dass alle so schnell wie möglich zurückkommen. Wir sorgen uns um Manolis und können nicht verstehen, warum er plötzlich zur Geisel in der Hand einer fremden Regierung wurde.
Die "Prudent Warrior" wurde ebenso wie die "Delta Poseidon" festgesetzt. Die "Armee der Wächter der iranischen Revolution", so der offizielle Name der berüchtigten Einheit, hält die Besatzung auf den Schiffen gefangen. Sie können zeitweise von ihren Mobiltelefonen Gebrauch machen, mit denen sie Kontakt zur Familie halten können. Dabei gaben sie an, gut behandelt zu werden.
Der Autor der nun EfSyn fragt sich, wer wohl den Mut habe, um den Angehörigen zu sagen, dass Griechenland in diese diplomatische und ökonomische Affäre geraten ist, weil die Regierung sich als besonders "berechenbarer Verbündeter" der USA erweisen wollte. Die Einstufung des "berechenbarer Verbündeten" stammt von Premierminister Kyriakos Mitsotakis selbst, der dies mehrfach in öffentlichen Stellungnahmen und Interviews betont hat.
Mitsotakis wartet im Gegenzug darauf, dass sich seine Verbündeten, die USA, für Griechenland einsetzen. Bislang wartet er vergeblich, sowohl, was den immer weiter eskalierenden Streit mit der Türkei und das Säbelrasseln in der Ägäis angeht, als auch bei anderen Problemen, wie aktuell dem Schicksal der beiden griechischen Schiffe und deren Besatzung.