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Gene und kulinarischer Opportunismus

Alt-Finnische Stallrinder mit geringem Milchertrag, heute vom Aussterben bedroht. Foto: Sointu Lehtinen

Eine kurze Geschichte der Milch - Teil 2

Zu Teil 1: Das weiße Gift [1]

Ich schickte meiner Tochter ein Zitat, das ich wahrscheinlich aus der Online-Version der "Neuen Zürcher Zeitung" kopiert hatte: Erziehungsratgeber warnen seit langem: Wer sein Kind mit einem Dessert dazu motivieren will, das gesunde Gemüse auf dem Teller aufzuessen, hat vielleicht schon verloren. Denn beim Kind kommt nicht die erhoffte gute Botschaft an ("Gemüse ist gut"), sondern eher so etwas wie dies: "Das Gemüse ist schlecht - man isst es nur gegen eine Belohnung."

"Müsli-Ziegel"

Meine Tochter hatte die Message offenbar gelesen, denn schon bei unserem nächsten gemeinsamen Einkaufstrip versicherte sie mir, dass sie jetzt keine kleinen Plastikbehälter mit gesüßtem Inhalt, und auch keine Haferflocken&Dörrobst-Riegel — was ich die "Müsli-Ziegel" nenne — mehr kaufen wird. Die Kids hätten sich schon allzusehr daran gewöhnt, nur noch diesen Fertigkram aus der Packung zu verschlingen, während alles andere, was sie, die Mutter, mühsam für sie zubereitet, großteils ungegessen in den Müll wandert.

Ich sagte: "Wie wär's denn mit 'Ma Maison'-Karotten?" (Ma Maison war ein Restaurant gewesen, das meine Tochter besonders schätzte als sie fünf Jahre alt war. Tatsächlich gab es das Foto, aufgenommen an ihrem fünften Geburtstag, als das Kind zur Feier des Tages eine ganze Portion französischer Schnecken gegessen hatte. Auch die Karotten aus diesem Restaurant hatten wir auf Jahre hinaus regelmäßig nachgekocht.)

(Das Rezept, um das hier noch kurz zu erwähnen, war denkbar einfach. Man nahm dicke Karotten, vulgo Mohrrüben, und schälte sie, dann schnitt man sie in relativ dicke Wagenräder und kochte diese in heißem Wasser mit einem Teelöffel Zucker, bis sie weich waren. Dann goss man das Wasser ab, füllte die Karotten in eine Schüssel mit etwas Butter, schwenkte die Karotten-Räder, bis sie von Butter troffen, und schüttete dann eine reichliche Menge davon auf den Kinderteller. Ob die 'Ma Maison'-Karotten nun "gesund" waren oder nicht, das Kind aß sie mit Heißhunger.)

Eher refraktäre Möhrenschnippsel, in Essig ersäuft

Aber nein, berichtete meine Tochter. Ihre Kinder äßen kein gekochtes Wurzelgemüse. Ihr Mann raspelte sich jeden Tag eine große Menge roher Karotten zurecht, ersäufte dann diesen "Salat" mit Essig, und DAS verschlängen ihre Kids mit Vergnügen. Es schmeckte ihnen.

Das fand ich doch interessant.

Eigentlich hätten ihnen die weichen und leicht süßlichen orangefarbenen Wagenräder total gefallen müssen. Stattdessen kauten die Kinder mit Vorliebe auf diesen eher refraktären Möhrenschnippseln mit dem sauren Essig herum. Es war demnach nicht das Süße, was sie lockte, es war das väterliche Vorbild, das sie nachahmten.

Im Falle meiner Tochter war die väterliche Vorbildrolle an das Restaurant 'Ma Maison' delegiert worden. Jedenfalls, was die Karotten betraf. Mein Einfluss zeigte sich eher bei den Süssigkeiten. Ich hatte meine Kindheit in Persien verbracht, und dort hatte es so gut wie nie Schokolade gegeben. Mir war der Geschmack von Schokolade deswegen nicht nur komplett schnuppe, sondern sogar regelrecht unsympathisch. Meine Tochter wuchs also auf, ohne je den Wunsch nach Süßzeug zu entwickeln, bei Geburtstagsfeiern schenkte sie alles, was in dieser Art ins Haus kam, sofort an die kleinen Gäste weiter.

Fehlende Milch

Ein weiterer Aspekt meiner Kindheit in Teheran war die fehlende Milch. Es gab keine Kuhmilch zu kaufen. In Persien gab es Schaf- und Ziegenmilch. Selbst in dem Milch- und Käseladen am Basar von Tadshrish gab es keine Kuhmilch. Mein Vater musste einen 90jährigen Mann auftun, der zwei Kühe besaß. Ihm gab mein Paps dann zwei gereinigte Weinflaschen mit, und die brachte der Mann, nun mit Milch von seinen Kühen gefüllt, zurück. Ich schätze einmal, das waren etwas über zwei Liter.

Wir besaßen keinen Eisschrank — bzw. der Eisverkäufer kam nicht bei uns vorbei, wir wohnten da schon außerhalb der Innenstadt von Teheran — die Milch musste deshalb relativ bald verkocht werden. Mein Bruder und ich bekamen zum Frühstück einen Haferflockenbrei, den wir so schnell wie möglich aus dem Fenster hinausschütteten, und die Teller ließen wir dazu auch noch rasch von den Hunden sauber lecken.

Der zahnlose Alte mit seinen Milchflaschen musste für seine zwei Toman wahrscheinlich zwei Kilometer bis zu unserem Haus laufen, und dann wieder nach Hause zu sich zurück tappen. Und dort musste er die Kühe melken. Was er sagte, verstand ich auch nicht. Und selber trinken mochte ich die Milch ebenfalls nicht. Irgendwie schäme ich mich heute noch, dass wir dem alten Mann so viel Mühe bereiteten, nur um den Milchbrei an die Hunde zu verfüttern.

Käsenarkose

Aber es gab Schaf- und Ziegenmilchkäse und auch Joghurt, man trank, im Sommer, saure Milch gemischt mit Mineralwasser, statt zum Beispiel amerikanische Limonaden, und als besondere Spezialität gab es einen gelben europäischen Käse in einer Art Plastikwurst, der den schönen deutschen Namen "Kraft" trug. (Der Erfinder dieser Käsesorte trug witzigerweise in seinem Namen ein Doppel-F: "Krafft". So richtig schön "Starkdeutsch". — Die amerikanische Firma "Kraft" aber musste mit nur einem F im Namen Vorlieb nehmen.)

Es gab in Persien auch einen französischen Schmelzkäse, importiert natürlich, der "La vache qui rit" hieß, "die Kuh, die lacht". All diese zauberhaften Wunderkäse gab es aber nicht, als ich endlich selber in Deutschland eintraf. Es gab Tilsiter, Schweizer, Gouda, Edamer, Quark, Hüttenkäse, Handkäse, Limburger und weitere Sorten dieser Art, die mir aber allesamt nicht mundeten. Auf die Idee, auf ein Käsebrot Marmelade zu schmieren, kam ich nie, genausowenig, wie ich jemals gesüßten Joghurt gegessen hätte.

Aber ich mochte frisches Weißbrot, insbesondere ein frisches französisches Baguette, mit frischer Butter und Schweizer Käse. Das Komische dabei war nur dies: Hatte ich ein solches Stück Brot gegessen, etwa ein Viertel eines Baguettes, mit Butter und Käse, wurde ich jedesmal kurz darauf total dusselig und schläfrig und musste mich sofort hinlegen, weil ich keinen Moment länger wachbleiben konnte. Einmal hatte ich gerade einen Moment vorher eine Schallplatte aufgelegt. Zwanzig Minuten später, kurz bevor die Platte zu Ende war, hatte ich das Gefühl, in meinem Kopf sei ein Lichtschalter angeworfen worden. Es machte "klick" und ich war wieder da. Kurz darauf klickte sich dann die Platte aus.

Mit anderen Worten, dieser Koma-ähnliche Sofortschlaf dauerte ungefähr 20 Minuten, dann war er vorbei. Es handelte sich dabei auch nicht um ein "Einschlafen" und "Aufwachen". Es war vielmehr genau wie eine Narkose. Bumm, und man war weg getaucht, und "klick" war man wieder da. Ein Gefühl des Erfrischtseins gab es dabei nicht, aber der geistige Nebel, der einen umfangen hatte, war nun wie fort gewischt.

Unverträglichkeiten

Natürlich konnte ich dem Geschmack eines Käsebaguettes trotzdem nicht widerstehen, und manchmal, wenn ich dann aus irgendeinem Grund nicht in einer Ecke kurz mal ein Nickerchen machen konnte, wandelte ich zwei, drei Stunden wie benommen durch die Gegend, ein halbwacher Zombie. Ein schlaftrunkener Käse-Zombie.

Ich sprach mit meinem Vater darüber. Er hatte vor langer Zeit ungefähr zwei Jahre in Rom gelebt, und es gab dort offenbar schon um 1920 herum das Phänomen "Pizza". Jedesmal, wenn er eine Pizza aß, sagte mein Vater, hätte er anschließend unbeschreibliche Magen- und Darmkrämpfe erleiden müssen. Und siehe da, nicht lange, und auch ich fuhr regelmäßig mit meiner Freundin in ihrem schönen blauen VW Käfer nach Frankfurt ins Kino, und anschließend führten uns unsere Schritte in die nächste Pizzeria. Und was geschah dann? Die nächste Stunde oder so litt ich an teuflischen Unterleibsschmerzen, und der ganze Darm rumorte und gurgelte auf seiner gesamten Länge von siebeneinhalb Metern.

Trotzdem dauerte es noch weitere Jahre, bis ich erfuhr, dass meine Mutter zeitlebens keine Milch vertragen konnte, und auch meine Tochter kam mit Kuhmilch nicht klar. Sie bekam als kleines Kind Jahre lang Soyamilch. Ihre Kinder trinken jetzt Reismilch, aber sie löffeln Joghurt, der ihnen offenbar nicht zusetzt.

Asiatische Reitervölker und die Gene

Vor 50 Jahren betrachteten auch die Ärzte eine Geschichte wie diese als Rätsel. Sie glaubten in so einem Fall wohl eher, dass da jemand irgendwelche Phantasie-Symptome simulierte, um sich vor einer Klassenarbeit zu drücken - oder sonstwas in dieser Art. Heute haben wir eine moderne Genetik, die im Grunde jedem Staatsbürger einen Genetikpass ausstellen könnte. Da würde man dann erfahren, dass asiatische Reitervölker auch in diesem heutigen Bewohner Deutschlands noch immer genetisch präsent sind, und dass ihm daher vom Genuss von Milch und beispielsweise auch Rotwein oder Bier abzuraten wäre.

Ein Franzose würde dagegen erfahren, dass die Mongolen gar nicht und die Hunnen nur ganz kurz bis nach Frankreich vordrangen - und dass es deswegen ihm und seiner gesamten Verwandtschaft frei stünde, so viele verschiedene und unterschiedlich vergorene Käsesorten zu verschlingen, wie es ihm Spaß machte. Sogar mit Baguette und Rotwein — und ohne schädliche Folgen.

Die Milchunverträglichkeit ist, so gesehen, ein genetischer Marker, der uns bestimmte Aufschlüsse über unsere Geschichte liefert. Die Sammler-und Jäger-Bevölkerung Europas trank keine Milch. Jedenfalls keine Kuh-Milch. Erst die Ackerbauern, die allmählich aus Vorderasien westwärts wanderten, brachten auch die Haustiere mit. (Es gab also nicht, wie man früher oft dachte, die allmähliche Umwandlung, das europäische Ur-Rind wurde nicht zur Milch-Kuh umgemendelt, es wurde nicht domestiziert.)

Ein Land, das für seine Paradoxa bekannt ist

Ich lebe nun schon seit vielen Jahren in einem Land, das für seine Paradoxa bekannt ist. Millionen und Abermillionen Schafe gibt es, aber keinen Schafskäse. Feta wird aus Kuhmilch hergestellt. Ziegen gibt es so gut wie gar keine. Meistens dienen sie der motorisierten Dorfjugend als Zielscheiben für ihre Schusswaffen. Es gibt Ziegen primär im Zoo, es gibt die "Shammies", die der Mann mit dem Backenbart — der österreichische Kaiser Franz Josef— auf den Alpen Neuseelands aussetzen ließ. Dort dienen sie heute den Jägern als Flintenfutter.

Aber kaum jemand macht sich die Mühe, Ziegen zu melken oder ihre Milch in nennenswerten Mengen zu Käse zu verarbeiten. Dafür gibt es die gezüchteten Freiland-Kühe, die das ganze Jahr über draußen auf der Weide stehen, nur Gras fressen, und trotzdem jedes Jahr mehrere Tausend Liter Milch geben. Jeder Mensch in Neuseeland weiß, dass Milch "gesund" ist, und entsprechend verbraucht jeder Neuseeländer im Jahr fast so viele Milchprodukte, als sei er direkt an den Euter einer solchen Super-Kuh angeschlossen.

Sogar an den Schulen gab es für jedes Kind, umsonst, also auf Staatskosten bzw. vom Steuerzahler finanziert, den täglichen Viertel-Liter Milch, damit die Kids ihre Dosis "Flüssige Gesundheit" auch ganz sicher verabreicht bekamen. Das war das Gleiche wie damals auch in Deutschland— dort allerdings in Form des Schul-Kakaos, denn, wie man unschwer erkennt, konnte bereits in den Sechzigerjahren in West-Deutschland die Milch nicht mehr ungesüßt und ohne Schoko an das Kind herangetragen werden.

Subventionierte Gesundheit

In England kam die Böse Märchenhexe Maggie Thatcher zum Zug, und sie schaffte die Schulmilch ab. Woraufhin die subventionierte Gesundheit auch in Neuseeland gecancelt wurde. Ab sofort gab es nun lediglich Limonaden, für die man selber zahlen durfte. Die massive Zucker-Zufuhr ließ die lieben Kleinen natürlich im Unterricht außer Rand und Band geraten. Es musste Abhilfe geschaffen werden — in Form von künstlich gesüßten Bonbonwässerchens, egal, ob nun die Süßstoffe in Amerika unter Krebsverdacht standen.

Die Folge? Wer weiß. Aber: Das Ronald McDonald Haus für krebskranke Kinder in Wellington wurde auf alle Fälle erweitert, es fasst jetzt eine viermal größere Zahl kleiner Patienten, als vordem. Fragt sich, ob Neuseeland hier einfach nur die billigen Versuchskaninchen liefert — oder was? Oft wird Neuseeland als New ZeaLAB bezeichnet, weil man alle möglichen Experimente an der hiesigen Bevölkerung in Gang setzen kann, für die es in USA zuviele Widerstände gäbe.

Wie "gesund" die Milch nun wirklich ist oder war, verblieb ohnehin im Bereich des Mythos verhaftet. Wie gesagt, die Milchverträglichkeit bedurfte auch in Europa eines Jahrtausende währenden Anpassungsprozesses. Die Reiterhorden Dschingis Kahns tranken keine Kuh-Milch, ebenso wie viele andere Asiaten. Sogar in Persien muss die Milch gewissermaßen "vorverdaut" sein — saure Milch, Joghurt mit Gurken, Käse mit Fladenbrot. Das tägliche Glas Kuh-Milch aus dem Kühlschrank, wie es in Finnland, Europa, in den USA und in Neuseeland üblich ist, kennt man dort nicht.

Nichts Essbares außer Salat und Fisch

Auch die Maori Neuseelands waren Asiaten. Sie stammten aus westlichen Regionen Asiens, die Nachfahren ihrer Vorfahren leben heute noch auf Taiwan. Diese Menschen brauchten, wie neuseeländische Genetiker herausgefunden haben, rund 4.000 Jahre, um bis nach Neuseeland zu schippern. Als sie endlich auf diesem stiefelförmigen Eiland eintrafen — vor circa 750 Jahren — stellten sie fest, dass es hier nur Vögel und Fische gab. Es gab keine Felltiere, kein Fleisch und keine Milch.

So sehr Neuseeland auch dem schönen Italien ähneln mochte — eine Pizza würde es hier auf Jahrhunderte hinaus nicht geben. Weder mit Käse, noch mit Salami, nicht mit Tomaten und Pepperoni, und nicht mal auf einer Teigbasis aus Karton, Kartoffeln oder koreanischem Kimchi.

Es gab einfach Nichts Essbares auf Neuseeland. Außer Salat und Fisch. Und es gab die Moas, gigantische Straußenvögel, die dann auch prompt ausgerottet wurden, und dann gab es, wie zuvor, wieder nur Salat und Fisch. Mitgebracht hatten die Maori die Süßkartoffel, die sie mit viel Erfindungsreichtum im kalten Klima ihrer neuen Heimat am Leben erhielten.

Diabetes, Übergewicht, Herzkrankheiten

Man hätte meinen mögen, die Ankunft der Europäer, die Einführung der Kartoffel, des Hausschweins, und all der zivilisierten Paraphernalien des Jahres 1769 hätten die Bewohner dieser Pazifikinsel in Jubel ausbrechen lassen.

Was dagegen die Begegnung mit westlicher Ernährung den Maori Neuseelands und allen anderen Menschen ihrer ozeanischen Domäne beschert hat, ist Diabetes, Übergewicht, Herzkrankheiten. Und überdies— da man das Rauchen ebenfalls zu dieser Form der Ernährung dazuschlagen kann — den Lungenkrebs. Und selbstverständlich Geschlechtskrankheiten, TB, und andere tödliche Infektionen.

Fragt sich also, um jetzt mal bei der Milch zu bleiben, wozu man die "flüssige Kuh" überhaupt braucht, wenn man als Mensch die ersten zwei oder drei Jahre mit gesunder Muttermilch hinter sich gebracht hat?

Kulinarischer Opportunismus

Man braucht sie nicht, stellt ein nun schon 80jähriger Freund aus Österreich kategorisch fest, aber er wandelt dieses Statement auf Befragen ein wenig um und ab. Er schreibt mir: "Als Vegetarier werde ich scheel angesehen, da ich auf ausgewogene und entstehungsnahe Ernährung Wert lege, demnach zwar keine Milch, jedoch Milchprodukte zu mir nehme — Yoghurt, Sauermilch, Käse - und auch sonst Tierisches, nämlich Fisch und Ei. Also ichthyo-ovo-lacto-vegetarisch. Für Veganer ein Graus. Sehr konsequent allerdings: kein Fleisch. Auch weil ich nicht will, dass ein Lebewesen, das träumt, für mich umgebracht werden muss. Immerhin sagte der Internist, der nicht weiß, was ich esse, beim Anblick meiner Blutwerte, dass ich sehr gesund lebe. Ist in meinem Alter zwar eh schon wurscht (aus Soja, Lupinensamen oder Weizen), aber trotzdem angenehm, weil positiv."

Das klingt doch ganz okay, oder?

Ich selber bezeichne mich eher als "kulinarischer Opportunist", also ich bevorzuge es zwar vegetarisch, esse aber, was die Leute mir vorsetzen, wenn ich mal irgendwo eingeladen werde. Das ist allerdings nicht immer eine befriedigende Lösung, denn oft setzen einem die Gastgeber dann irgendwas Gruseliges vor, halbrohes Huhn oder gebratene Kaninchen, die sich von kleinen Rattenkadavern kaum unterscheiden. Auch Schweinskopfsülze macht mich nicht wirklich froh, weder zu Neujahr noch sonst einmal. Da verzichte ich lieber von Anfang an auf die Hauptmahlzeit und halte mich an die "Sättigungsbeilage."

Ich war auch schon bei einem Weihnachtsessen mit einer österreichischen Familie beisammen, zu dem auch ein jüdischer Freund der Family samt seiner chinesischen Bekannten eingeladen war. Was gab es da nun zu essen? Knödel und einen großen Schweinsbraten. Ich glaube, ein Salat war auch dabei. Ich stiefelte mit Messer und Gabel durch eine gigantische Schnittmenge Schweinefleisch, angereichert mit Bratensoße und Knödeln. Es war hervorragend gekocht und sehr wohlschmeckend, ohne Zweifel, aber Sie sehen sicher schon, wo das Problem liegt in so einer Konstellation. Nein, ich meine nicht, dass Senf und Ketchup fehlten.

Jetzt fragen Sie sich bestimmt: Verfolgt der Mann bei alledem irgendeine Grundthese — einen wichtigen oder richtigen Gedanken — den er uns nun gleich präsentieren wird? Oder geht es nun noch mal 20 Seiten im Schweinsgalopp kreuz und quer durch die Landschaft?

Das erfahren Sie demnächst in diesem Theater.


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