"Germanen versus Slawen"
Der größte Genozid der Geschichte: "Antislawismus" als Völkermord-Ideologie hinter dem deutschen Vernichtungskrieg im Osten
In einem Begleittext verweist das "Deutsche Historische Museum" Berlin die Betrachter des Propaganda-Heftes "Der Untermensch" (1942/43) auf jenen "anderen" Völkermord, der wie die Vernichtung der Juden, Sinti und Roma mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden ist:
Der nationalsozialistische Rassenwahn richtete sich gegen die slawische Bevölkerung Osteuropas in ihrer Gesamtheit. Sie hatte durch Massenmord, Hungertod oder Seuchen den Verlust vieler Millionen Menschen zu beklagen.
Deutsche Historische Museum - Berlin
Zum 80. Jahrestag des "Unternehmens Barbarossa" soll dieser Beitrag schwerpunktmäßig an den eliminatorischen - mordbereiten - Antislawismus erinnern, dessen Verschweigung der Regelfall und dessen Benennung noch immer die Ausnahme ist.
Der Auftakt zur Todeswalze der deutschen Waffenträger gen Osten erfolgte am 1. September 1939 in Polen und unterschied sich bereits grundlegend von den nachfolgenden Überfällen der Wehrmacht auf westeuropäische, als "artverwandt" betrachtete Länder.
Der am 22. Juni 1941 begonnene Angriff gegen die Sowjetunion war dann von Anfang an als ein Komplex von Eroberung ("Lebensraum"-Politik), Ressourcenraub und Vernichtung angelegt, wobei sich "Planänderungen" und weitere Radikalisierungen des Mordunternehmens im Kriegsverlauf ergaben. Hitler hatte allen Eingeweihten im Vorfeld eingeschärft, den Umstand einer reinen Angriffskriegsplanung dauerhaft vor der Welt geheim zu halten. (Der Propaganda-Mythos, es habe sich um einen "Präventivkrieg" zur Verteidigung Deutschlands oder gar Europas gehandelt, wird von Leseunkundigen bis heute weitererzählt!)
Die Wehrmacht unter der Oberbefehlsgewalt des "Führers" war eine integrierte Grundsäule im NS-Staat. Sie muss als der maßgebliche militärische Akteur des als Krieg vollzogenen Völkermordens in unser Blickfeld kommen. Ihr Apparat übernahm durch Schrifttum und Schulungswesen auch weithin selbst die rassistische Indoktrination des Heeres zur Steigerung der - neuerdings in Potsdam wieder gepriesenen - soldatischen Tötungsbereitschaft und benötigte somit - wie Wolfram Wette in seinem Buch "Die Wehrmacht" anmerkt - an sich gar keine zusätzlichen externen "Politkommissare".
Die grundlegenden Kriegszielvorgaben und die zu ihrer Umsetzung bemühten Legitimationen, "Motivationen" bzw. Feindbildkomplexe - samt der erst ab den frühen 1980er Jahren publizierten Geheimbefehle - gehörten zum "Inventar" der Wehrmacht. Die deutsche Mörderarmee war längst "auf Linie" der Staatsführung und pulverisierte in ihrer Mitte alle möglicherweise noch verbliebenen Völkerrechtserinnerungen.
Abstimmung und Kooperation mit "Himmlers spezialisierten Genozid-Sondereinheiten" (500.000 Männer) erfolgten planmäßig. An unzähligen Frontabschnitten, die Tatorte der Shoa waren, konnten Soldaten des nazifizierten Heeres nur Unwissende bleiben, wenn sie sich entschieden hatten, zu sehen und doch nichts zu sehen, zu hören und doch nichts zu hören, zu schießen und es hinterher zu vergessen.
Dimensionen der Vernichtung
Der Schlusssatz des Eingangszitates aus dem "Deutschen Historischen Museum" ist ungenau. Der gemachte Seuchentod und das - entweder planmäßig herbeigeführte, bewusst in Kauf genommene oder der Kriegsführung zwangsläufig nachfolgende - Verhungern von vielen Millionen Opfern gehörten genauso zur Massenmordapparatur wie etwa Erschießungskommandos, Galgenstricke, Flammenterror oder Bombardierungen.
Das an sich berechtigte Ansinnen, zu unterscheiden, was einem Masterplan oder doch Pläne-Konglomerat unter dem Vorzeichen von "Antislawismus" zuzuordnen ist und welche Anteile des Völkermordes z.B. aus der Dynamik einer abgründigen Militärapparatur resultierten, führt leicht in die Irre.
Im Zentrum der Kriegsdoktrin stand eine "rassenbiologische Weltanschauung". Die Opfer von vermeintlich regulären Militäraktionen der deutschen Angriffskrieger, Raub der Lebensgrundlagen, Belagerungen zur Aushungerung (über eine Millionen Opfer allein in Leningrad), Massenhinrichtungen unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung, Massenerschießungen von unbewaffneten Kriegsgefangenen, Internierungs-Regimen (ohne Versorgung, Nahrung, Kälteschutz, Hygiene, medizinische Hilfe …), Deportationen, Arbeitssklaven-Programmen, Vertreibungen oder Strategien der "verbrannten Erde" zählen gleichermaßen zu den Toten eines zusammenhängenden Völkermords!
Es besteht ein Interesse der gesamten Menschheitsfamilie daran, die Dimensionen der Vernichtung, die angesichts der unfassbaren Ausmaße des Verbrechens immer nur exemplarisch erforscht werden können, in seriösen wissenschaftlichen Kooperationen und Kontroversen breiter zu vermitteln. Nicht Hunderttausende, nein Millionen Täter waren beteiligt. Ein Großteil der Morde an insgesamt sechs Millionen Juden erfolgte auf dem Feldzug gen Osten.
Im Kampf gegen das so genannte "slawische (slawisch-asiatische) Untermenschentum" wurden in kaum vier Jahren weitere zwanzig Millionen Menschen - oder deutlich mehr - durch den oben thematisierten Vernichtungs-Komplex getötet. Dies ist - bezogen auf Zeitraum und "Tateinheit" - der bislang größte Genozid der gesamten Geschichte. Die öffentliche Gedenkkultur sowie die Diskurse über "Verantwortung aus der Geschichte" in deutschen Landen werden diesem Faktum in keiner Weise gerecht.
Deutscher "Daseinskampf" und Lebensraum im Osten
In der Tat, die als Recht und Pflicht des deutschen Herrenvolkes verstandene Vorgabe "Eroberung von Lebensraum im Osten" stammt von Adolf Hitler, der diesbezüglich hartnäckig an den Ausführungen in seinen beiden Programm-Büchern in seinen beiden Programm-Büchern aus den 1920-er Jahren festhielt.
Doch erfunden hat sie der Plagiator Hitler nicht. Die wilhelminischen Militäreliten und die Alldeutschen, die für die "germanische Rasse" überhaupt keine Rechtsbeschränkungen mehr anerkennen wollten, hätten seine diesbezüglichen Ideen weithin als die ihrigen erkannt. Die Deutschvölkischen der frühen Weimarer Jahre riefen schon vor der Niederschrift von "Mein Kampf" nach kriegerischen Enteignungen Russlands, sollte dieses die ewigen Raumrechte des angeblich eingeschnürten deutschen Volkes nicht respektieren.
Der Roman "Volk ohne Raum" (1926) von Hans Grimm erzielte Massenauflagen. Fernes Kolonialland in Übersee schwebte den Nationalsozialisten allerdings nicht in erster Linie vor. Sie favorisierten ein nach Osten hin erweitertes - zusammenhängendes - Arier-Reich von gigantischen Ausmaßen.
Anfang 1933 propagiert der "Führer" bereits vor der deutschen Generalität die "Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung". 1936 schreibt er: "Die endgültige Lösung liegt in einer Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes."
Diese und weitere Voten bis 1939 führen die aktuellen Wikipedia-Einträge "Lebensraum im Osten" und "Drang nach Osten" zusammen, in denen auch einige einschlägige historische Wegbereiter des schändlichen Programms aufgeführt sind, die z.T. bis heute als ehrenwerte Deutsche gelten.
Die unterschiedlichen Ideologiekomplexe zur Mobilisierung und Tötungsertüchtigung im Lebensraum-, Ressourcen-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg gen Osten waren nicht zu jeder Phase und bei allen Akteuren gleich bedeutsam. Es sind dies vor allem: Russophobie, Antibolschewismus (vorzugsweise gegen einen "jüdisch geleiteten Bolschewismus" gerichtet), Antisemitismus und Antislawismus (auch kombiniert mit "Antiasiatismus" und Unterscheidungen beim Blick auf die "slawischen Völker").
Die "Rassenfeindbilder" dürfen aber eben nicht nur als instrumentelle Propaganda-Konstrukte für die Schulung von Volk und Volksheer abgetan werden. Sie gehörten ja schon grundlegend zum Weltanschauungskomplex eines völkischen "Kampfes ums Dasein" gegen andere Großgruppen der eigenen Gattung, welcher in seinen Anfängen freilich zurückreichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und zu den Doktrinen des preußisch dominierten militaristischen Kaiserreiches, das seine Völkermordpotenzen ja hinlänglich unter Beweis gestellt hat.
Hitler glaubte offenbar wirklich, was er schon in Weimarer Zeit als ewiges Gesetz des Lebens auf der Erde zu erkennen vermeinte. Mit seinen genialen militärischen Kompetenzen hätte der Feldzug gegen die Sowjetunion an sich mit einem Sieg enden müssen. Doch die Annahme einer durch "Deutsche Krieger" zu beweisenden "Überlegenheit der arischen Rasse" war in den Augen des "Führers" am Ende widerlegt.
Folgerichtig musste nunmehr im Kreis der "Wissenden" einer Vernichtung des biodeutschen Volkes das Wort geredet werden. In der Ideologisierung des eigenen, selbstproduzierten Untergangs zeigte sich der NS-Komplex erneut - nach außen wie nach innen - als eine wirkmächtige Religion des Todes. Die große Mehrheit der deutschen Nation, die nominell weiterhin zu 95 Prozent aus kirchlich eingetragenen Christinnen und Christen bestand, hatte dieser als besonders deutschgemäß bewerteten Staatsreligion gehuldigt.