"Germanen versus Slawen"
Der größte Genozid der Geschichte: "Antislawismus" als Völkermord-Ideologie hinter dem deutschen Vernichtungskrieg im Osten
In einem Begleittext verweist das "Deutsche Historische Museum" Berlin die Betrachter des Propaganda-Heftes "Der Untermensch" (1942/43) auf jenen "anderen" Völkermord, der wie die Vernichtung der Juden, Sinti und Roma mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden ist:
Der nationalsozialistische Rassenwahn richtete sich gegen die slawische Bevölkerung Osteuropas in ihrer Gesamtheit. Sie hatte durch Massenmord, Hungertod oder Seuchen den Verlust vieler Millionen Menschen zu beklagen.
Deutsche Historische Museum - Berlin
Zum 80. Jahrestag des "Unternehmens Barbarossa" soll dieser Beitrag schwerpunktmäßig an den eliminatorischen - mordbereiten - Antislawismus erinnern, dessen Verschweigung der Regelfall und dessen Benennung noch immer die Ausnahme ist.
Der Auftakt zur Todeswalze der deutschen Waffenträger gen Osten erfolgte am 1. September 1939 in Polen und unterschied sich bereits grundlegend von den nachfolgenden Überfällen der Wehrmacht auf westeuropäische, als "artverwandt" betrachtete Länder.
Der am 22. Juni 1941 begonnene Angriff gegen die Sowjetunion war dann von Anfang an als ein Komplex von Eroberung ("Lebensraum"-Politik), Ressourcenraub und Vernichtung angelegt, wobei sich "Planänderungen" und weitere Radikalisierungen des Mordunternehmens im Kriegsverlauf ergaben. Hitler hatte allen Eingeweihten im Vorfeld eingeschärft, den Umstand einer reinen Angriffskriegsplanung dauerhaft vor der Welt geheim zu halten. (Der Propaganda-Mythos, es habe sich um einen "Präventivkrieg" zur Verteidigung Deutschlands oder gar Europas gehandelt, wird von Leseunkundigen bis heute weitererzählt!)
Die Wehrmacht unter der Oberbefehlsgewalt des "Führers" war eine integrierte Grundsäule im NS-Staat. Sie muss als der maßgebliche militärische Akteur des als Krieg vollzogenen Völkermordens in unser Blickfeld kommen. Ihr Apparat übernahm durch Schrifttum und Schulungswesen auch weithin selbst die rassistische Indoktrination des Heeres zur Steigerung der - neuerdings in Potsdam wieder gepriesenen - soldatischen Tötungsbereitschaft und benötigte somit - wie Wolfram Wette in seinem Buch "Die Wehrmacht" anmerkt - an sich gar keine zusätzlichen externen "Politkommissare".
Die grundlegenden Kriegszielvorgaben und die zu ihrer Umsetzung bemühten Legitimationen, "Motivationen" bzw. Feindbildkomplexe - samt der erst ab den frühen 1980er Jahren publizierten Geheimbefehle - gehörten zum "Inventar" der Wehrmacht. Die deutsche Mörderarmee war längst "auf Linie" der Staatsführung und pulverisierte in ihrer Mitte alle möglicherweise noch verbliebenen Völkerrechtserinnerungen.
Abstimmung und Kooperation mit "Himmlers spezialisierten Genozid-Sondereinheiten" (500.000 Männer) erfolgten planmäßig. An unzähligen Frontabschnitten, die Tatorte der Shoa waren, konnten Soldaten des nazifizierten Heeres nur Unwissende bleiben, wenn sie sich entschieden hatten, zu sehen und doch nichts zu sehen, zu hören und doch nichts zu hören, zu schießen und es hinterher zu vergessen.
Dimensionen der Vernichtung
Der Schlusssatz des Eingangszitates aus dem "Deutschen Historischen Museum" ist ungenau. Der gemachte Seuchentod und das - entweder planmäßig herbeigeführte, bewusst in Kauf genommene oder der Kriegsführung zwangsläufig nachfolgende - Verhungern von vielen Millionen Opfern gehörten genauso zur Massenmordapparatur wie etwa Erschießungskommandos, Galgenstricke, Flammenterror oder Bombardierungen.
Das an sich berechtigte Ansinnen, zu unterscheiden, was einem Masterplan oder doch Pläne-Konglomerat unter dem Vorzeichen von "Antislawismus" zuzuordnen ist und welche Anteile des Völkermordes z.B. aus der Dynamik einer abgründigen Militärapparatur resultierten, führt leicht in die Irre.
Im Zentrum der Kriegsdoktrin stand eine "rassenbiologische Weltanschauung". Die Opfer von vermeintlich regulären Militäraktionen der deutschen Angriffskrieger, Raub der Lebensgrundlagen, Belagerungen zur Aushungerung (über eine Millionen Opfer allein in Leningrad), Massenhinrichtungen unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung, Massenerschießungen von unbewaffneten Kriegsgefangenen, Internierungs-Regimen (ohne Versorgung, Nahrung, Kälteschutz, Hygiene, medizinische Hilfe …), Deportationen, Arbeitssklaven-Programmen, Vertreibungen oder Strategien der "verbrannten Erde" zählen gleichermaßen zu den Toten eines zusammenhängenden Völkermords!
Es besteht ein Interesse der gesamten Menschheitsfamilie daran, die Dimensionen der Vernichtung, die angesichts der unfassbaren Ausmaße des Verbrechens immer nur exemplarisch erforscht werden können, in seriösen wissenschaftlichen Kooperationen und Kontroversen breiter zu vermitteln. Nicht Hunderttausende, nein Millionen Täter waren beteiligt. Ein Großteil der Morde an insgesamt sechs Millionen Juden erfolgte auf dem Feldzug gen Osten.
Im Kampf gegen das so genannte "slawische (slawisch-asiatische) Untermenschentum" wurden in kaum vier Jahren weitere zwanzig Millionen Menschen - oder deutlich mehr - durch den oben thematisierten Vernichtungs-Komplex getötet. Dies ist - bezogen auf Zeitraum und "Tateinheit" - der bislang größte Genozid der gesamten Geschichte. Die öffentliche Gedenkkultur sowie die Diskurse über "Verantwortung aus der Geschichte" in deutschen Landen werden diesem Faktum in keiner Weise gerecht.
Deutscher "Daseinskampf" und Lebensraum im Osten
In der Tat, die als Recht und Pflicht des deutschen Herrenvolkes verstandene Vorgabe "Eroberung von Lebensraum im Osten" stammt von Adolf Hitler, der diesbezüglich hartnäckig an den Ausführungen in seinen beiden Programm-Büchern in seinen beiden Programm-Büchern aus den 1920-er Jahren festhielt.
Doch erfunden hat sie der Plagiator Hitler nicht. Die wilhelminischen Militäreliten und die Alldeutschen, die für die "germanische Rasse" überhaupt keine Rechtsbeschränkungen mehr anerkennen wollten, hätten seine diesbezüglichen Ideen weithin als die ihrigen erkannt. Die Deutschvölkischen der frühen Weimarer Jahre riefen schon vor der Niederschrift von "Mein Kampf" nach kriegerischen Enteignungen Russlands, sollte dieses die ewigen Raumrechte des angeblich eingeschnürten deutschen Volkes nicht respektieren.
Der Roman "Volk ohne Raum" (1926) von Hans Grimm erzielte Massenauflagen. Fernes Kolonialland in Übersee schwebte den Nationalsozialisten allerdings nicht in erster Linie vor. Sie favorisierten ein nach Osten hin erweitertes - zusammenhängendes - Arier-Reich von gigantischen Ausmaßen.
Anfang 1933 propagiert der "Führer" bereits vor der deutschen Generalität die "Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung". 1936 schreibt er: "Die endgültige Lösung liegt in einer Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes."
Diese und weitere Voten bis 1939 führen die aktuellen Wikipedia-Einträge "Lebensraum im Osten" und "Drang nach Osten" zusammen, in denen auch einige einschlägige historische Wegbereiter des schändlichen Programms aufgeführt sind, die z.T. bis heute als ehrenwerte Deutsche gelten.
Die unterschiedlichen Ideologiekomplexe zur Mobilisierung und Tötungsertüchtigung im Lebensraum-, Ressourcen-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg gen Osten waren nicht zu jeder Phase und bei allen Akteuren gleich bedeutsam. Es sind dies vor allem: Russophobie, Antibolschewismus (vorzugsweise gegen einen "jüdisch geleiteten Bolschewismus" gerichtet), Antisemitismus und Antislawismus (auch kombiniert mit "Antiasiatismus" und Unterscheidungen beim Blick auf die "slawischen Völker").
Die "Rassenfeindbilder" dürfen aber eben nicht nur als instrumentelle Propaganda-Konstrukte für die Schulung von Volk und Volksheer abgetan werden. Sie gehörten ja schon grundlegend zum Weltanschauungskomplex eines völkischen "Kampfes ums Dasein" gegen andere Großgruppen der eigenen Gattung, welcher in seinen Anfängen freilich zurückreichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und zu den Doktrinen des preußisch dominierten militaristischen Kaiserreiches, das seine Völkermordpotenzen ja hinlänglich unter Beweis gestellt hat.
Hitler glaubte offenbar wirklich, was er schon in Weimarer Zeit als ewiges Gesetz des Lebens auf der Erde zu erkennen vermeinte. Mit seinen genialen militärischen Kompetenzen hätte der Feldzug gegen die Sowjetunion an sich mit einem Sieg enden müssen. Doch die Annahme einer durch "Deutsche Krieger" zu beweisenden "Überlegenheit der arischen Rasse" war in den Augen des "Führers" am Ende widerlegt.
Folgerichtig musste nunmehr im Kreis der "Wissenden" einer Vernichtung des biodeutschen Volkes das Wort geredet werden. In der Ideologisierung des eigenen, selbstproduzierten Untergangs zeigte sich der NS-Komplex erneut - nach außen wie nach innen - als eine wirkmächtige Religion des Todes. Die große Mehrheit der deutschen Nation, die nominell weiterhin zu 95 Prozent aus kirchlich eingetragenen Christinnen und Christen bestand, hatte dieser als besonders deutschgemäß bewerteten Staatsreligion gehuldigt.
Antislawismus, "Vertierung" und "asiatische Horden"
Staatliche Stellen, Parteigliederungen, Wehrmacht, Schulwesen und auch die Kirchen sorgten ab Juni 1941 auf unterschiedliche - oft widersprüchliche - Weise für die Mobilisierung bzw. Reaktivierung von Feindbildern im Dienste des germanischen Drangs nach Osten.
Den "jüdischen Bolschewismus", der in der Zeit des Paktes mit Stalin kein erwünschtes Zeitungsthema gewesen war, musste man nicht neu erfinden. Die Juden waren aller Welt Unglück. Wegen Kommunistenblut hatten deutsche Militärs, anständiges Bürgertum und Fromme auch noch nie Tränen vergossen.
Die bolschewistische Herrschaft - so die Botschaft der Abendland-Retter, hatte die Menschen der Sowjetunion "vertiert" bzw. unter die Stufe des Menschlichen sinken lassen. Dies war durchaus noch nicht die eigentliche Doktrin des rassenbiologischen Kriegsapparates, der zufolge die Massen im Osten seit jeher aus "Halbtieren" und "Untermenschen" bestanden.
Eine Variante zur Verschleierung der wahren Ziele beschwor die germanische Kulturmission. Wenn die behauptete Minderwertigkeit und Staatsbildungsunfähigkeit der slawischen Völker als "Argumente" nicht hinreichten, verwandelte man diese in "halbasiatische Horden" (sog. Rassenmischung verschiedener Geschichtsepochen).
Da die "Minderwertigen" und "Zurückgebliebenen" nun trotz gegenteiliger "Russlandexpertise" (Blitzkrieg gegen einen tönernen Koloss) standhielten, erklärte man den Leuten u.a. in Anlehnung an Schauermärchen aus dem 1. Weltkrieg, die Helden des deutschen Mannestums kämpften im Osten gegen wilde Bestien (und verhexte "Flintenweiber"), sodann gar gegen Ungeheuer aus der Unterwelt.
Nach Ende der Belagerung von Stalingrad wurde der totale Krieg ausgerufen als Schutzwall gegen eine Flut von Dämonen, welche freilich von vielen mit jenen Rache-Engeln identifiziert wurden, die das deutsche Völkermorden doch zwangsläufig erweckt haben musste. Jetzt dominierten apokalyptische Angst-Szenarien.
Die Erschließung exemplarischer, keineswegs immer einförmiger Originaltexte zum Komplex "Russophobie / Antislawismus / Bolschewismus" nach der weiter unten angefügten Literaturauswahl muss einem weiteren Beitrag im 80. Gedenkjahr vorbehalten bleiben.
An dieser Stelle begnügen wir uns damit, zentrale Passagen der Begleittexte aus der massenpropagandistischen SS-Broschüre "Der Untermensch" (1942/1943)1 zu dokumentieren:
• "So wie die Nacht aufsteht gegen den Tag, wie sich Licht und Schatten ewig feind sind - so ist der größte Feind des erdebeherrschenden Menschen der Mensch selbst. / Der Untermensch - jene biologisch scheinbar völlig gleichgeartete Naturschöpfung mit Händen, Füßen und einer Art von Gehirn, mit Augen und Mund, ist doch eine ganz andere, eine furchtbare Kreatur, ist nur ein Wurf zum Menschen hin, mit menschenähnlichen Gesichtszügen - geistig, seelisch jedoch tiefer stehend als jedes Tier. Im Innern dieses Wesens ein grausames Chaos wilder, hemmungsloser Leidenschaften: namenloser Zerstörungswille, primitivste Begierde, unverhüllteste Gemeinheit. / Untermensch - sonst nichts! / Denn es ist nicht alles gleich, was Menschenantlitz trägt. - Wehe dem, der das vergißt!" (Seite 2)
• "Was diese Erde an großen Werken, Gedanken und Künsten besitzt - der Mensch hat es erdacht, geschaffen und vollendet, […] für ihn gab es nur ein Ziel: sich hinaufzuarbeiten in ein höheres Dasein […] Aber auch der Untermensch lebte. Er haßte das Werk des anderen. Er wütete dagegen, heimlich als Dieb, öffentlich als Lästerer - als Mörder. Er gesellte sich zu seinesgleichen. / Die Bestie rief die Bestie. - Nie wahrte der Untermensch Frieden, nie gab er Ruhe. / Denn er brauchte das Halbdunkle, das Chaos. / Er scheute das Licht des kulturellen Fortschritts. / Er brauchte zur Selbsterhaltung den Sumpf, die Hölle, nicht aber die Sonne. - Und diese Unterwelt der Untermenschen fand ihren Führer: - den ewigen Juden! Der verstand sie, der wußte, was sie wollten. Er schürte ihre gemeinsten Lüste und Begierden, er ließ das Grauen über die Menschheit kommen." (Seite 2)
• "Ewig ist der Haß des Untermenschen gegen die hellen Gestalten, die Träger des Lichtes. Ewig droht aus den Wüsten der Untergang des Abendlandes. / Ewig ballen sich in fernen Steppen die Mächte der Zerstörung zusammen, sammelt Attila und Dschingis-Chan seine Hunnenhorden und rast über Europa, lebendige Apokalypse, Feuer und Tod, Vergewaltigung, Mord und Entsetzen hinterlassend, damit die Welt des Lichtes und des tausendfachen Wissens, die Mächte des Fortschritts und menschlicher Größe zurücksinken in den Abgrund des Urzustandes! / Ewig ist des Untermenschen Wollen: […] So vollzieht sich seit Jahrtausenden nach furchtbaren, unberechenbaren Gesetzen der Kampf der beiden Gegenpole, findet sich immer wieder ein Attila, ein Dschingis-Chan, der die Tore Europas aufreißt, der nur eines kennt: die vollkommene Vernichtung alles Schönen!" (Seite 2)
• "Endlos dehnt sich die Steppe des russischen Raumes - Osteuropa. Schroff und jäh ist der kulturelle Abfall zwischen Mitteleuropa und diesem Riesenraum. / Und doch, hüben und drüben der Grenze die gleiche Erde - aber nicht der gleiche Mensch! Denn nur der Mensch allein vermag der Landschaft seinen Stempel aufzudrücken. Darum auf der einen Seite Deutschlands geordnete Fruchtbarkeit, planvolle Harmonie der Felder, wohlüberlegte Sammlung der Dörfer, jenseits dagegen die Zonen des undurchdringlichen Dickichts, der Steppe, der endlosen Urwälder, durch die sich versandende Flüsse mühsam den Weg bahnen. / Schlecht genutzter, fruchtbarer Schoß der schwarzen Erde, die ein Paradies sein könnte, ein Kalifornien Europas, und in Wirklichkeit verwahrlost, wüst vernachlässigt, bis zum heutigen Tage mit dem Stempel einer Kulturschande ohne Beispiel gezeichnet, eine ewige Anklage gegen den Untermenschen und sein Herrschaftssystem ist. - Tränenreiches Schicksal der schwarzen Erde. / Endloses, fruchtbares, verwahrlostes aber mit allen Schätzen gesegnetes Osteuropa - nicht fortzudenken von der Seite des übrigen Erdteils, aber brutal von diesem getrennt durch eine willkürliche Kluft." (Seite 3)
• "Osteuropa, es kam über eine gewisse Primitivität nicht hinaus. Es sah nur Chaos, denn es fehlte ihm der Mensch, der wertvolle Kulturträger, das Genie, das systemvoll den Aufbau des Friedens lenkte, das die sinnvolle Auswertung der unendlichen Schätze und der Fruchtbarkeit des Bodens befahl. Dieses Land kannte nur die Kräfte des hemmungslosen Raubbaues und bestialischer Kriegsrüstung. - Gewiß, auch hochstehende Völker Mittel- und Westeuropas haben dies Land als Wegziel [!] gehabt. […] Aber immer wieder siegten die Mächte der Finsternis, wurde in einem Taumel wilder, tierischer Raserei der zur Hilfe geholte Geist sinnlos und gemein abgeschlachtet." (Seite 3)
• "Auf häßlichen kleinen Steppenpferden, fast mit dem Fell ihrer Tiere verwachsen, brausten hunnische Horden gegen Europa, die geschlitzten Augen glühten in Mordlust und hinter ihnen blieb nur Wüste, Mord, Brand und Vernichtung. So berichtet die Chronik: Die Hunnen kommen! Wie oft hat sich dieser Ruf in den Jahrhunderten wiederholt. Rußland wurde der Tummelplatz, auf dem die Lehren des Untermenschen - der Nihilismus und der Bolschewismus - geboren wurden." (Seite 4) • "Nun sind sie wieder da, die Hunnen, Zerrbilder menschlicher Gesichter, Wirklichkeit gewordene Angstträume, Faustschlag in das Gesicht alles Guten / … verbündet mit Urwaldwesen und dem Abschaum der ganzen Welt, aber die geeigneten Werkzeuge in der Hand des ewigen Juden, des Meisters organisierten Massenmordes. Nur für die Dummen getarnt im Kleide des Bürgers." (Seite 5-6)
• "Diesmal wollte der Jude ganz sicher gehen. Er machte sich selbst zum Offizier, zum Kommissar, zum ausschlaggebenden Führer der Untermenschen." (Seite 10)
• "Der Untermensch stand auf, die Welt zu erobern. Wehe euch Menschen, wenn ihr nicht zusammensteht. Wehr dich Europa!" (Seite 51)
Die deutschen Waffenträger sind diesem Machwerk zufolge gen Osten gezogen, um dort ein System zu brechen, das unentwegt Massengräber füllt, Hungertote produziert und Millionenstädte in Todeszonen verwandelt. (In solcher Tradition stehen jene Wortmeldungen, die ausgerechnet das 80. Jahresgedenken des "Russland-Vernichtungsfeldzuges" als einen passenden Anlass betrachten, vorzugsweise Verbrechen und Erinnerungspolitik des Stalinismus zu beleuchten.)
Eine Botschaft der Texte und der Illustrationen der Broschüre springt förmlich ins Auge: "Der Jude" ist ein gefährlicher und listenreicher "Untermensch", aber er hat sich in der bolschewistischen UdSSR erhoben zum Anführer einer gigantischen Masse von anderen "Untermenschen", die nicht Juden sind. Die Breitenwirkung solcher Drucke, die auch Wahrnehmung und Berichtsformen der zehn Millionen in der Sowjetunion eingesetzten Angehörigen des deutschen Volksheeres lenkten, kann schwerlich bestritten werden.
Deutsche Schande: Verschweigen des genozidalen Antislawismus
Zu Recht erinnert die evangelische "Aktionsgemeinschaft für den Frieden" (AGDF) dieser Tage an die Millionen Juden sowie Hundertausende Sinti und Roma, die im Zuge des "Ostfeldzuges" ermordet worden sind und als Bürgerinnen oder Bürger der überfallenen Länder selbstverständlich in der "Gesamt-Opferzahl" für die Sowjetunion mit aufgeführt sind.
Weniger glücklich ist es allerdings, dass die AGDF in ihrer Erklärung zwar aktuelle Menschenrechtsdiskurse mit Blickrichtung nach "Osten" thematisiert, im Einklang mit der vorherrschenden Erinnerungskultur im 80. Gedenkjahr die massenmörderischen Feindbild-Komplexe "Antibolschewismus", "sowjetisches Untermenschentum" und Antislawismus (bzw. auch Antiasiatismus) aber nicht einmal benennt.
Differenzierungen sind zwingend notwendig, doch der selektive Blick bleibt unannehmbar. Der Antisemitismus ist zweitausend Jahre alt, ein erster - erheblicher - Unterschied zum Antislawismus. Die rechten Kräfte waren in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert ohne Ausnahme durch Judenfeindlichkeit geeint (Ex-Kaiser Wilhelm II. votierte für eine Ausrottung durch Gas).
Das seit Ende des Ersten Weltkrieg gebetsmühlenhaft beschworene Konstrukt des "jüdischen Bolschewismus" stand dann 1941 zweifellos im Zentrum der Propaganda für den Feldzug gen Osten und hielt sich nach außen hin am hartnäckigsten. Hitler hatte ja allen Deutschen u.a. schon im Januar 1939 eingetrichtert, nicht er, sondern das - auf konfuse Weise gleichermaßen für Finanzkapitalismus und Bolschewismus haftbar gemachte - Judentum würde den nächsten Weltkrieg anzetteln:
Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.
Hitlers Reichstagsrede, 30. Januar 1939
Nach Beginn des "Russlandfeldzuges" wollte der deutsche NS-Staat dann nicht nur eine Vertreibung oder Dezimierung der Juden des europäischen Kontinents angehen, sondern ihre totale Vernichtung: "Der Jude" musste in jedem Fall getötet werden!
Im 19. Jahrhundert und insbesondere im wilhelminischen Kaiserreich war auch der Antislawismus - neben bürgerlichen Vorlieben für russische Literatur - längst ein ausgebildeter Ideologiekomplex. Der letzte Hohenzollernmonarch folgte einer rassistisch-sozialdarwinistischen Doktrin, der zufolge so etwas wie ein Endkampf zwischen Germanen und Slawen als unausweichlich galt.
Die alldeutschen Annexionisten forderten schon im Ersten Weltkrieg folgerichtig eine Osterweiterung des Deutschen Reiches, auch wenn dafür einige slawische Völker, denen man die Daseinsberechtigung absprach, ganz von der Bildfläche verschwinden müssten. Diese Diskurse wurden in der Weimarer Zeit durch rechte Ideologen von Anfang an weiter verschärft.
Doch es handelte sich - anders als beim Antisemitismus - hierbei durchaus nicht um einen Konsens der Rechten, der alle verband. Es gab - unter Einschluss sogar von Teilen der NSDAP - eben auch rechte Stimmen, die ganz und gar nicht unter Russophobie litten, ein deutsch-russisches bzw. germanisch-slawisches Bündnis favorisierten und z.T. mit einem rechten "Nationalbolschewismus" liebäugelten (wobei manche wohl richtig erahnten, dass Stalin kein Linker, sondern ein Rechter war).
Bis in die Propaganda von NS-Deutschland hinein konnten "die Slawen" eben auch als hilflose Opfer des "jüdischen Bolschewismus" ins Blickfeld kommen und dann zur Zielgruppe bei der Anwerbung von Kollaborateuren werden, die sich an der Vernichtung der Juden beteiligen sollten. All dies ändert wie die unterschiedlichen "Russlandbilder" führender Nationalsozialisten aber rein gar nichts am Faktum eines auf rassenideologischer Basis durchgeführten Genozids, dessen Opfer man vorab als slawisch-halbasiatische "sowjetische Untermenschen" förmlich zum Abschuss freigegeben hatte.
Es geht mitnichten nur um ein kleines Broschüren-Kapitel zur Steigerung der deutschen "Kampfmoral", sondern um einen "Weltanschauungskrieg" - geführt auf der Basis der "NS-Anschauung" vom weltgeschichtlichen Endsieg einer in Deutschland besonders rein erhaltenen Übermenschenart, die andere Mitglieder der Spezies homo sapiens zu Tieren erklären und abschlachten darf.
Nachweislich rechneten Planer des Ostfeldzuges früh damit, dass bei einer konsequenten Umsetzung der von ihnen favorisierten Kriegs- und Raubökonomie unter dem Vorzeichen eines deutschen Sieges bis zu 30 Millionen Slawen verhungern würden. Das war kein Problem. Der moderne Deutschritter Heinrich Himmler, eifrigster Verfechter einer neuen "germanischen Ostbesiedlung", wollte im Einklang mit dem "Generalplan Ost" (1941) ebenso 30 Millionen slawische Menschen bzw. "Fremdvölkische" aus den für "Arier" vorgesehenen Räumen einfach irgendwie entfernen.
Im Unterschied zur Totalvernichtung der Juden gab es Planungsalternativen: Slawen sollten als "Untermenschen" im Zuge der "Germanisierung von Territorien" direkt eliminiert oder in Todeszonen getrieben werden oder zum verbliebenen Teil als Angehörige eines "minderwertigen Volkes" nach Zerstörung aller kulturellen Infrastrukturen dauerhafte Dienstleistungen für die "germanische Herrenrasse" erbringen (Satelliten-Staaten des Deutschen Reiches).
Die Verschweigung des eliminatorischen Antislawismus mit 20 oder 30 Millionen Opfern erfolgte im Kontext einer viele Millionen Familien betreffenden Täterschaft und einer jahrzehntelangen interessegeleiteten Erinnerungs- bzw. Verdrängungspolitik ab 1945. Sie wird aber auch befördert zugunsten gegenwärtiger außenpolitischer Paradigmen, wobei Geschichtsvergessenheit, Unachtsamkeit bzw. Gedankenlosigkeit, Berechnung und schäbige Gesinnung oft das gleiche Ergebnis zuwege bringen. Die Verschweigung des genozidalen Antislawismus im öffentlichen Raum bleibt eine deutsche Schande: vor den Opfern und vor der einen menschlichen Familie.
Der Verfasser ist katholischer Theologe und freier Publizist; aktuell bearbeitet er das Projekt "Kirche & Weltkrieg".
Literaturhinweise
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