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Gesetzesentwurf zur Digitalisierung der Energiewende

Der große Wurf?

Energiemarktliberalisierung und Energiewende machen den Strommarkt für die meisten Privatkunden zur Blackbox, von der er nur die regelmäßigen Steigerungen seiner Stromkosten und den Preisverfall an der Strombörse wahrnimmt und die Welt nicht mehr versteht. Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wird die Bundesregierung den Strommarkt noch intransparenter machen.

Kam der Strom in der Vergangenheit für die meisten Kunden aus der Steckdose und wurde in monatlichen Abschlagszahlungen an den Stromversorger bezahlt, der dann einmal jährlich eine mehr oder weniger überraschende Jahresrechnung stellt. Deren Komplexität ja bekanntlich schon die Interpretationsfähigkeit des ehemaligen Bundeskanzlers Schmidt überfordert hat. Der private Endkunde hat hinsichtlich des Stromangebots nur zwei Wünsche: immer und billig. Alle anderen Argumente erreichen ihn bislang nicht.

Der Verbraucher, der sich auch nach 15 Jahren Strommarktliberalisierung noch recht schwer tut, einen neuen Stromanbieter zu wählen, soll künftig verstärkt mit den Akteuren im Strommarkt interagieren. Spätestens wenn er bemerkt, dass der somit von ihm steuerbare Anteil des Preises für seinen Strombezug nur noch etwa 20 Prozent dessen ausmacht, was er auf seiner Stromrechnung vorfindet, wird das Interesse rapide schwinden.

Auch sein Wunsch nach einer Visualisierung seines Stromverbrauchs dürfte weit unterhalb der Vorstellungen der Energieeffizienzexperten liegen. Der Aufwand zur Beeinflussung des Energieverbrauchs der vorhandenen Elektrogeräte steht einfach in keinem besonders günstigen Verhältnis zu den denkbaren wirtschaftlichen Vorteilen. Und so gibt sich der Verbraucher geschlagen.

Der Smart Meter hängt seit Jahren und findet seinen Platz an der Hutschiene der Endverbraucher nicht

Da der Stromverbrauch der privaten Endverbraucher je nach Bundesland nur zwischen 20 und 30 Prozent des gesamten Stromverbrauchs ausmacht, hielt sich das Interesse an den Smart Metern für den privaten Endkunden auch bei den Stromanbietern und den Netzbetreibern in engen Grenzen. Lediglich die Messstellenbetreiber, von deren Existenz die meisten Endkunden wohl gar nichts wissen, sind an den intelligenten Zählern interessiert.

Durch die Fernablesung der Haushaltszähler können sie ihre Kosten deutlich senken. Auch wenn immer von Smart Metern gesprochen wird, scheinen die digitalen Zähler weniger smart zu sein, als etwa die Smartphones. Sie finden bei den Endverbrauchern keine Akzeptanz, denn sie sind nicht sexy. Daran dürfte sich auch wenig ändern, bis die ersten Exemplare mit einem angebissenen Apfel garniert werden. Solange sie der kalifornische Apfelhändler nicht in sein Herz schließt, kommen die Smart Meter nicht so richtig vom Fleck.

Jetzt soll es in Deutschland ein neues Gesetz aus dem Bundeswirtschaftsministerium richten, dessen Entwurf Ende des vergangenen Jahres veröffentlicht wurde. Die Bundesregierung beschwört darin die Datensicherheit und verspricht, die Bevölkerung umfassend über die Möglichkeiten und Konsequenzen der Digitalisierung zu unterrichten. Dass dabei von einer Digitalisierung der Energiewende gesprochen wird, ist wohl nicht mehr als Politikmarketing.

Welche Folgen ergeben sich für die Nutzer von Nachtspeicherheizungen und elektrischen Wärmepumpen?

Nachtspeicherheizungen werden bislang über die einhundert Jahre alte Rundsteuertechnik betrieben, die nicht in der Lage ist, einzelne Anlagen gezielt anzusteuern. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden sie auch heute noch zumeist über die Vertriebsgesellschaften der Verteilnetzbetreiber beliefert, die den physikalischen Zugang zum Verbraucher haben.

An dieser Konstellation wird sich auch mit der gesetzlich vorgesehenen Digitalisierung der Netze wenig ändern. Die Verteilnetzbetreiber sind auf jeden Fall in der vorteilhaften Position, dass sie nach dem Einbau eines Smart Meters über die Kundendaten verfügen und jeder andere Stromanbieter für diese Daten bezahlen muss.

Der Kunde wird am Einbau eines Smart Meters in den meisten Fällen schon aufgrund seiner Bezugsmenge nicht herum kommen. Die Kosten für Einbau und jährlichen Betrieb eine Smart Meters sollen zwar gedeckelt werden, dürften damit zumeist zwischen dem fünf- bis zehnfachen der jetzigen Zählerkosten liegen, ohne dass sich für den Verbraucher daraus ein echter wirtschaftlicher Vorteil ergeben würde. Der einzige Vorteil dürfte die Vermeidung des Nachteils sein, für seine Nachtspeicherheizung den üblichen Tagstromtarif bezahlen zu müssen.

Wenn der Kunde jedoch keinen wirtschaftlichen Vorteil durch den Nachtstrombezug mehr hat, könnte er den Betrieb seiner Speicherheizungen dahingehend optimieren, dass er auf die Speicherung in der Nacht weitgehend verzichtet und dann nachlädt, wenn der Heizbedarf besteht. Diese Entwicklung dürfte die Verteilnetzbetreiber nicht gerade in Entzückung versetzen, entwickelt sich doch schon derzeit ein Bedarfsspitze gegen 17:00 wenn viele Kunden nach Hause kommen und immer mehr ihr e-Mobil zum Laden anschließen. Die von den Elektroherden stammende mittägliche Bedarfsspitze ist aufgrund der veränderten Tagesabläufe der Verbraucher und dem Spitzenangebot der PV-Anlagen ja schon seit geraumer Zeit einer Angebotsspitze gewichen.

Für den Endverbraucher, der bezüglich des Stromangebots in der Regel ja nur die zwei Wünsche immer und billig hat, bleiben mit dem Digitalisierungsgesetz nur zwei Möglichkeiten, entweder er befasst sich intensiv und kontinuierlich mit dem Strommarkt und seinen aktuelle Angeboten oder er hat das nötige Vertrauen in seinen Grundversorger beschäftigt sich mit anderen Dingen. Auf dieses Vertrauen und möglichst wenige zusätzliche Akteure hofft die Energiewirtschaft.


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