Getreidekonflikt auf der Autobahn: Die Ukraine, die EU und der Zorn polnischer Bauern

Wirtschaftskrieg auf dem Acker, ausgetragen auf der Autobahn? Symbolbild: Albrecht Fietz / Pixabay Licence

Polnische Bauern protestieren gegen EU-Agrarpolitik und Einfuhr billiger Agrarprodukte aus der Ukraine. Ab heute wollen sie die A12 lahmlegen.

Seit mehreren Tagen versuchen polnische Bauern, vor allem Lkw mit ukrainischem Getreide an der polnisch-ukrainischen Grenze zu blockieren. An den Grenzübergängen stauten sich nach Medienberichten mehrere Tausend Lkw.

Grenzchaos: Polnische Bauern gegen ukrainisches Getreide

Polnischen Medien zufolge gab es seit Anfang Februar im ganzen Land 250 Blockaden, unter anderem an der Grenze zur Ukraine. Wie die Bauernsparte der Gewerkschaft Solidarność erklärte, sind außer an den ukrainischen Grenzübergängen bis zum 10. März Straßenblockaden, besonders an wichtigen Verkehrsknotenpunkten im ganzen Land geplant.

Der Unmut der polnischen Landwirte richtet sich gegen die EU-Agrarpolitik wie etwa gegen den Green Deal, der für europäische Bauern mit immer neuen Auflagen verbunden ist. Ein anderer Kritikpunkt ist die Einfuhr günstiger Agrarprodukte aus der Ukraine.

Wirtschaftskrieg auf dem Acker: EU, Ukraine und Bauern

Demnach dürfen ukrainische Bauern seit 2022 zollfrei ihr Getreide ins Land bringen und für wenig Geld verkaufen. So gelangen billig produziertes ukrainisches Getreide und andere Agrarprodukte auf den Markt. Polnische Landwirte bleiben auf ihrem teureren Getreide sitzen, so der Vorwurf.

"Wir haben dank der EU kaum noch Geld", klagt Gracjan Cybinka in einem Interview mit der FAZ. Der Landwirt will Europa dazu motivieren, die Ukraine und vor allem Russland zu blockieren. Andernfalls gehen die Landwirte bankrott, ist er überzeugt. Seine Böden wolle er nur noch mit dem Pferdepflug zu bearbeiten, so dass der Ertrag gerade so für die Familie reiche.

Bauern entleerten Getreidewaggons aus der Ukraine

Am Grenzübergang Medyka liefen 25 Bauern auf die Gleise und öffneten ukrainische Güterwaggons, um Getreide abzulassen, wie eine Polizeisprecherin berichtet. Eine geringe Getreidemenge sei auf die Gleise gelangt.

Die zwei geöffneten Getreidewaggons waren auf dem Weg nach Deutschland. Rund 40 ukrainische Waggons mit Agrargütern standen auf dem Bahnhof. Die polnische Eisenbahn und die Botschaft der Ukraine in Polen seien "über die unerlaubte Einmischung in den Betrieb der Eisenbahn" informiert worden.

Von Solidarität zu Konkurrenz: Polnische und ukrainische Bauern

Landwirte aus ganz Polen hätten ihre freundschaftliche Hand ausgestreckt, um ihre Brüder aus der Ukraine aufzunehmen, erklärt Bauer Roman Kondrów, der an der Aktion beteiligt war. Nun würden polnische von ukrainischen Bauern geschädigt. Das Getreide werde von diversen "Mafia-Organisationen" nach Polen gebracht, ist er überzeugt.

Blockade gefährdet die Waffenlieferungen an die Front

Das ukrainische Außenministerium forderte Polen auf, die Blockaden zu unterbinden und gegen die "anti-ukrainische Rhetorik" vorzugehen. Es gebe keine Rechtfertigung für die Blockade der polnisch-ukrainischen Grenze, von welchen Losungen sie auch immer begleitet sein mag, so die Begründung.

Inzwischen kündigte die polnische Regierung an, die Grenzübergänge zur Ukraine von sich aus stärker schützen zu wollen, damit trotz Protesten und Blockaden humanitäre und medizinische Hilfe die Ukraine erreiche, wie es heißt.

Damit der Verkehr an der Grenze ohne Verzögerungen und Behinderungen fließen kann, sollen die Übergänge sowie bestimmte Straßen- und Eisenbahnabschnitte in die Liste der kritischen Infrastruktur aufgenommen werden.

Immer wieder Konflikte um Getreide aus der Ukraine

Der Getreideimport aus der Ukraine sorgte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder für Konflikte. So stauten sich im November Tausende Lastwagen an der polnisch-ukrainischen Grenze, weil die Grenzübergänge von polnischen Spediteuren tagelang blockiert waren.

Trotz der frei gegebenen Seetransporte seien die Routen über Polen für die von Russland angegriffene Ukraine lebenswichtig - auch für den ohnehin stockenden Nachschub an Waffen und Munition. Polen zählt zwar zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine, der Streit über die Getreideimporte jedoch belastet das polnisch-ukrainische Verhältnis seit Monaten.

Sind Bauernproteste vom russischen Geheimdienst beeinflusst?

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj prangerte unter anderem "Pro-Putin-Slogans" bei den Protesten an. Anfang der Woche war in der südpolnischen Stadt Gorzyczki war ein Transparent aufgefallen mit der Aufschrift: "Putin, bring die Ukraine, Brüssel und unsere Regierung in Ordnung."

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Landwirt wegen "Propaganda für Faschismus, Kommunismus oder eine andere autoritäre Herrschaftsform und Aufruf zum Hass". Die anti-ukrainischen Slogans während der jüngsten Bauernblockaden seien ein Versuch der Übernahme der Bewegung durch Gruppen von außen, die möglicherweise vom russischen Geheimdienst beeinflusst werden, vermutet das Außenministerium in Warschau.

Dieses hatte zuvor vor gezielter Beeinflussung der Bauern durch Moskau gewarnt. Extremistische Gruppen versuchten, sich die Bauernprotestbewegung zu eigen zu machen, ist man überzeugt.

Bauern wollen deutsche Autobahn blockieren

Ab 13 Uhr am heutigen Sonntag wollen 1.500 polnische Bauern mit 500 bis 700 Fahrzeugen die Autobahn nahe der Grenze zu Deutschland blockieren. Nach Informationen des Portals Slubice24 planen die Bauern aus der Region, mit bis zu 700 Traktoren, Ernte- und Zugmaschinen anzurücken.

Die Blockade werde sich vom Verkehrsknotenpunkt Swiecko bis zur deutschen Grenze erstrecken, wie eine Sprecherin des Autobahnbetreibers erklärte.

Im deutschen Teil seien alle Spuren der Autobahn 12 in beide Fahrrichtungen betroffen. Es sei für mehrere Tage mit einer angespannten Verkehrslage und Verkehrsbehinderungen zu rechnen, hieß es zunächst.

Die A12 ist eine zentrale Verkehrsachse, die Berlin mit Polen verbindet. Die Polizei will den Verkehr auf der viel befahrenen Autobahn ab der Anschlussstelle Frankfurt (Oder)-Mitte sperren. So solle ein kilometerlanger Stau vor allem für Lastwagen vor der Grenze vermieden werden. Der Güterverkehr solle auf andere Autobahnen ausweichen. Den polnischen Grenzübergang passieren zu normalen Zeiten 17.000 Lkw pro Tag.

Verkürzter Protest nach Vermittlungsgesprächen

Ursprünglich war ein vierwöchiger Protest angekündigt, doch nach Vermittlungsgesprächen bei Mariusz Olejniczak, Bürgermeister von Słubice, soll es nur noch einen Warnstreik an der Grenze geben. Feuerwehr,- Polizei- und Rettungsfahrzeuge sollen weiterhin durchgelassen werden, wie polnische Medien berichten.

Polnische Händler und Logistiker befürchten, dass Medikamente, Obst und Gemüse sowie andere Waren aus Polen in einem möglichen längeren Streik an der Autobahn verderben würden. Deshalb suchten sie ihre protestwilligen Landsleute der Bauernvereinigung zum Einlenken zu bewegen.

Von Sonntag, 13 Uhr am heutigen Sonntag bis Montag um 13 Uhr solle die Autobahn vor dem Grenzübergang nach Deutschland gesperrt werden, sagte Dariusz Wróbel, ein Vertreter der protestierenden Bauern, am Freitag dem rbb.

Landwirte aus zehn EU-Staaten beteiligt

An den Protesten der letzten Tage und Wochen beteiligten sich Landwirte aus insgesamt zehn EU-Staaten vom Baltikum bis zum Balkan. In den letzten Tagen steuerten tschechische Bauern mit ihren Traktoren mehrere Grenzübergänge an, um dort ihre Kollegen aus Deutschland, Polen und der Slowakei zu treffen.

In der Slowakei gab es die bisher größten Bauerndemos des Landes: Hunderte Landwirte fuhren mit ihren Traktoren zum Sitz der EU-Vertretung in Bratislava und zum Parlamentsgebäude, um auf ihre existenzbedrohende Situation aufmerksam zu machen.

Bauern in 37 weiteren Orten des Landes unterstützten die Demonstration in der Hauptstadt, indem sie den Straßenverkehr behinderten. "Wir protestieren nicht gegen die EU, wir protestieren gegen die falschen Entscheidungen der Europäischen Kommission", stellt Andrej Gajdos von der slowakischen Landwirtschaftskammer klar.

Der Protest der slowakischen Landwirte richtete sich nicht nur gegen die EU-Agrarpolitik und gegen Billigimporte aus der Ukraine, sondern auch gegen Billigimporte aus Ländern des Mercosur in Südamerika.