zurück zum Artikel

"Glaubwürdigkeit und Integrität der OPCW wiederherstellen"

Erster OPCW-Generaldirektor José Bustani bei seinem Statement an den UN-Sicherheitsrat. Bild: Screenshot

Erklärung zur Untersuchung eines angeblichen Giftgas-Einsatzes im syrischen Douma 2018 durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen

Wir möchten unsere tiefe Besorgnis über die anhaltende Kontroverse und die politischen Auswirkungen zum Ausdruck bringen, die es um die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und ihre Untersuchung über den angeblichen Angriff mit chemischen Waffen in Douma, Syrien, am 7. April 2018 gibt.

Seit die OPCW ihren Abschlussbericht im März 2019 veröffentlicht hat, haben zahlreiche, beunruhigende Entwicklungen zu ernster und erheblicher Sorge hinsichtlich der Durchführung dieser Untersuchung geführt. Zu diesen Entwicklungen gehören Fälle, in denen Inspekteure der OPCW, die an der Untersuchung beteiligt waren, erhebliche verfahrensbezogene und wissenschaftliche Unregelmäßigkeiten, das Fehlen einer erheblichen Menge an beweiskräftigenden Dokumenten festgestellt und belastende Aussagen bei Sitzungen des UN-Sicherheitsrates gemacht haben.

Es ist nunmehr allgemein bekannt, dass einige hochrangige Inspekteure, die an der Untersuchung beteiligt waren, einer von ihnen in zentraler Position, die Art zurückweisen, in der die Untersuchung ihre Schlussfolgerungen begründete.

Der OPCW-Geschäftsführung wird vorgeworfen, unbegründete und möglicherweise manipulierte Befunde zu akzeptieren, was schwerwiegende geopolitische und Sicherheitsfolgen hat. Wiederholte Aufrufe von einigen Mitgliedern des Exekutivrates der OPCW, es zuzulassen, dass alle Inspekteure angehört werden, wurden blockiert.

Die Besorgnis der Inspekteure wird vom ersten Direktor der OPCW, José Bustani geteilt und eine beachtliche Zahl von führenden Persönlichkeiten hat die OPCW zu Transparenz und Verantwortung aufgerufen. Bustani wurde kürzlich persönlich von wichtigen Mitgliedern des Sicherheitsrates daran gehindert, an einer Anhörung über das Syrien-Dossier teilzunehmen.

OPCW-Führung schweigt zu Vorwürfen

In einem persönlichen Appell an den Generaldirektor stellte Botschafter Bustani fest, dass die Organisation keine Schwierigkeiten mit einer Befassung der Bedenken der Inspekteure zu haben müsse, sollte sie sich der Durchführung ihrer Douma-Untersuchung sicher sein.

Unglücklicherweise hat die Spitze der OPCW-Geschäftsführung bis heute versäumt, auf die an sie gerichteten Vorwürfe zu antworten. Und obwohl sie gegenteilige Erklärungen abgegeben hat, hat die Geschäftsführung – soweit wir gehört haben – es nie zugelassen, die Bedenken der Mitglieder des Untersuchungsteams angemessen anzuhören, noch hat sie sich mit den meisten von ihnen getroffen.

Stattdessen ist sie der Sache ausgewichen und hat eine Untersuchung über ein bekannt gewordenes Dokument in Verbindung zu dem Douma-Fall eingeleitet. Und sie hat öffentlich ihre erfahrensten Inspekteure dafür verurteilt, dass sie sich geäußert haben.

Besonders beunruhigend ist die jüngste Entwicklung: Dabei wurde der Entwurf eines Briefes, der – wie es fälschlich hieß – angeblich vom Generaldirektor an einen der andersdenkenden Inspekteure geschickt worden sein soll, einer offenen Quelle, einer Recherchewebseite, zugespielt wurde (Bellingcat blamiert sich mit Fake-Leak über OPCW [1]).

Diese veröffentlichte den Brief und legte dabei die Identität des betreffenden Inspektors offen. Das war ein offenkundiger Versuch, den ehemaligen hochrangigen OPCW-Wissenschaftler zu verleumden.

Noch alarmierender ist, dass kürzlich in einer Serie von BBC-4-Radio eine anonyme Quelle zu hören war, von der es hieß, sie habe Kenntnis von der OPCW-Untersuchung in Douma. In dem Interview mit der BBC brachte diese Quelle nicht nur die zwei Inspekteure in Verruf, die eine abweichende Meinung geäußert haben, sondern auch Botschafter Bustani persönlich.

Kritische OPCW-Inspekteure erfahren Unterstützung

Wichtig ist zudem, dass im Dezember 2020 Informationen bekannt wurden, wonach eine Reihe von hochrangigen OPCW-Beamten einen der OPCW-Inspekteure unterstützten, der den Vorwurf des Amtsmissbrauchs erhoben hatte. Die Sache droht das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der OPCW ernsthaft zu beschädigen und ihre zentrale Rolle beim Streben nach internationalem Frieden und Sicherheit zu untergraben.

Es ist für eine wissenschaftliche Organisation wie die OPCW einfach nicht haltbar, den eigenen Wissenschaftlern eine offene Antwort auf Kritik und Bedenken zu verweigern und gleichzeitig mit Versuchen in Verbindung gebracht zu werden, eben diese Wissenschaftler unglaubwürdig zu machen und zu verleumden.

Darüber hinaus nehmen mit der andauernden Kontroverse um den Douma-Bericht auch die Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit von früheren Berichten der Untersuchungsmission (Fact-Finding-Mission, FFM) zu. Dazu gehört auch die Untersuchung über den angeblichen Angriff auf (die syrische Stadt) Khan Shaykhun im Jahr 2017.

Wir sind überzeugt, dass die Interessen der OPCW durch den Generaldirektor am besten dadurch vertreten werden, dass ein transparentes und neutrales Forum zur Verfügung gestellt wird, in dem die Bedenken aller Ermittler gehört werden können und indem zusätzlich eine vollkommen objektive und wissenschaftliche Untersuchung sichergestellt wird.

Zu diesem Zweck rufen wir den Generaldirektor der OPCW auf, Mut zu zeigen und die Probleme anzugehen, die es innerhalb seiner Organisation hinsichtlich dieser Untersuchung gibt, sowie sicherzustellen, dass die Mitgliedsstaaten und die Vereinten Nationen entsprechend unterrichtet werden. Wir hoffen und sind überzeugt, dass auf diesem Weg die Glaubwürdigkeit und Integrität der OPCW wieder hergestellt werden kann.

Unterzeichner:


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-5078562

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Bellingcat-blamiert-sich-mit-Fake-Leak-ueber-OPCW-4948652.html