Globaler Artenschutz: Wie schaffen wir den Wandel?
Seite 2: Das Artensterben soll bis 2030 gestoppt werden
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Die Teilnehmerstaaten wollen die Artenvielfalt in all ihre Regierungsentscheidungen mit einbeziehen, damit sich die bedrohten Arten wieder erholen können. Um ein massenhaftes Artensterben zu verhindern, müssten die globalen Ausgaben für den Naturschutz verdreifacht werden, heißt es in einem UN-Bericht. Einige der reicheren Länder lehnen es jedoch ab, dafür einen neuen Fonds einzurichten. Dabei geht es gerade darum, dass reiche Länder die ärmeren im Süden finanziell unterstützen. Die Erklärung sei - in all ihrer Unverbindlichkeit - ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft, befand der chinesische Umweltminister Huang Runqiu. Leider wurden die Staaten nicht auf die Umsetzung konkreter Maßnahmen verpflichtet. Im Januar nun sollen weitere Verhandlungen folgen.
Land- und Seenutzung müssten geändert, der Schutz von Ökosystemen verbessert, der Klimawandel abgeschwächt, Umweltverschmutzung verringert und der Raubbau verhindert werden. Bei einem erneuten Treffen in Kunming vom 25. April bis 8. Mai 2022 soll die neue Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt mit konkreten Zielen verabschiedet werden.
In einem ersten Entwurf sollen bis zum Ende des Jahrzehnts mindestens 30 Prozent der Landfläche und der Meere weltweit unter Schutz gestellt werden. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft soll um zwei Drittel reduziert, die Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen halbiert und die Umweltverschmutzung gestoppt werden. In Deutschland will sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nun dafür einsetzen, umweltschädliche Subventionen auslaufen zu lassen. So gibt die Bundesregierung immer noch rund 67 Milliarden Euro für umwelt- und naturschädigende Subventionen pro Jahr aus, unter anderem in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei.
Die Erklärung von Kunming hätte den langsam voran schreitenden UN-Verhandlungen über die biologische Vielfalt einen großen Schub geben können, kritisiert die Umweltorganisation Greenpeace. Momentan seien bei den meisten umstrittenen Themen kaum Fortschritte zu erkennen. Der Ehrgeiz zur Umsetzung müsse sich noch vor der Frühjahrssitzung 2022 steigern. Auch die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften sowie deren Schlüsselrolle bei der Erhaltung der Natur und der biologischen Vielfalt sollten dabei berücksichtigt werden.
Ist die Biodiversität in Gefahr, sei auch das Leben von Menschen gefährdet, erklärte Inger Andersen, Generalsekretärin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. "Denn wir müssen zwar Lebensmittel produzieren, wir müssen aber auch verstehen, dass Landwirtschaft den Verlust von Artenvielfalt vorantreibt", gab Andersen zu bedenken.
Klima- und Biodiversitätskrise sind zwei Seiten einer Medaille
Klimawandel und Artenvielfalt bedingen einander. Werden zum Beispiel Wälder zu sehr ausgelichtet, sind sie in Zeiten großer Dürren und Hitze nicht mehr in der Lage, die Temperaturen zu regulieren. Leider gehören Baumfällungen bis hin zu Kahlschlägen in Schutzgebieten immer noch zum Alltag. Obwohl Deutschland verpflichtet ist, zu kontrollieren, ob die Naturschutzgebiete eingehalten werden, werden systematisch Regeln missachtet - aus reiner Profitgier.
Dies führt zu Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Hohe Strafen sind die Folge. Würden Schutzgebiete tatsächlich ernst genommen, hätte zum Beispiel der Herrenwald/Dannenröder Wald nahe dem hessischen Stadtallendorf mitten in einem Fauna-Flora-Habitat- Schutzgebiet liegend, im Herbst 2020 nicht gerodet werden dürfen.
Deshalb sollten, gerade wenn es um den Bau einer Autobahn geht, Umweltverträglichkeitsprüfungen ernst genommen und von unabhängiger Stelle durchgeführt werden. Denn hier gilt eine Beachtungspflicht für die Belange des Gesundheitsschutzes. Das Allgemeinwohl ist einem bloßen Verkehrsbedarf übergeordnet.
Ein anderes Beispiel ist die Düngeverordnung, für die bisher das Landwirtschaftsministerium zuständig ist. Es sollte aber dem Umweltressort unterliegen, fordert Dr. Cornelia Ziehm. Viel zu hohe Tierbestände führen zu extrem hohen Nitratwerten in Gewässern. Dies beeinträchtigt die Vielfalt an Wildkräutern. Wenn bestimmte Arten fehlen, sterben Spezialisten unter den Insekten aus, die genau auf diese Arten angewiesen und wichtige Glieder in der Nahrungskette sind.
Wir brauchen einen Paradigmenwechsel
Es gibt einen Zusammenhang zwischen Artenverlust und Klimakrise. In einem Anfang November veröffentlichten Gutachten "Trendwende Umweltpolitik" fordert die Rechtsanwältin bessere Kontrollen über Naturschutzgebiete.
Ob Fauna-Flora-Habitat-, Nitrat- oder Vogelschutzrichtlinie - zwar gebe es verbindliche Vorgaben, doch diese würden nicht umgesetzt, klagt die Autorin. Die Politik zum Schutz der biologischen Vielfalt könne sich nicht gegen andere profitable Vorhaben durchsetzen. Die Durchsetzungsfähigkeit für mehr Umweltschutz müsse daher gestärkt werden. Konkret brauche es ein starkes Umweltressort, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Zudem muss es Kontrollmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft über die Exekutive geben.
Wegen des menschengemachten riesigen Verlustes an Biodiversität tragen Ökosysteme immer weniger effektiv zu Klimaregulierung und Ernährungssicherung bei. Ohne eine veränderte Land- und Meeresnutzung kann auch die Klimakrise nicht bewältigt werden.
Der zwingende Handlungsbedarf zum Schutz der biologischen Vielfalt ist lange bekannt. Gleichwohl wurde und wird nicht getan, was getan werden müsste. Obwohl die Bedrohung der Biodiversität ein kritisches Ausmaß erreicht hat, wird der Schutz der biologischen Vielfalt aus kurzfristigen ökonomischen Erwägungen heraus regelmäßig hinten angestellt. Da reicht es eben nicht aus, hier und da an einigen Stellschrauben zu drehen. Es bedarf einer grundlegenden Kursänderung.
Noch haben wir die Chance, den Verlust der Biodiversität zu stoppen. Doch trotz zahlreicher Tagungen, Konferenzen und Verhandlungen scheinen wir nicht voranzukommen - weder in Sachen Klimaschutz, noch beim Schutz der Biodiversität. Daher darf es kein "Weiter so" geben. Nicht nur behördliche Zuständigkeiten müssen sich ändern. Ändern muss sich auch das Verhältnis von Nutzungs- und Gemeinwohlinteressen. Und soll sich wirklich etwas ändern, müssen wir auch an die Strukturen ran.
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