Gourmet-Nation am Ende: Franzosen flüchten in die Bäckerei
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Frankreichs Restaurants erleben eine Krise. Auch in Deutschland kämpft die Branche ums Überleben. Wird das Mittagessen im Restaurant zum Luxus der Vergangenheit?
Mit einer Selbstverständlichkeit, die dem Gast aus Deutschland fremd war, gingen seine französischen Bekannten jeden Mittag zum Essen in ein Restaurant. Das sei Kultur, hieß es. Die Menüs waren auch für Angestellte, die nicht besonders verdienten, bezahlbar, und sie waren klassisch: Vorspeise, Hauptspeise, Dessert und ein Getränk.
Selbst in den Restaurants du Cœur (Restaurants des Herzens), wo Mittellose Essen gehen können, gab es die drei Gänge, einschließlich Getränk. Man legte offensichtlich großen Wert auf diese Form.
Die Tradition außer Form
Später, als vornehmlich in den USA, aber auch hierzulande, das Übergewicht vieler Kinder und damit die Ernährungsgewohnheiten zu einem viel besprochenen Thema wurden, bekam französische Tradition eine neue Beachtung. Es hieß, dass es für Kinder wie auch für Erwachsene besser sei, wenn sie zu bestimmten festen Zeiten ihre Mahlzeiten zu sich nehmen und zwischendrin: nichts.
Die Strenge der französischen Essensregel bekam also auch noch einen zusätzlichen gesundheitlichen Stern aufgesetzt.
Die Wirklichkeit hat daraus aber, wie es scheint, eine Legende gemacht: Fast die Hälfte der Franzosen aller Altersgruppen seien übergewichtig, viele davon sogar fettleibig, deckte eine große Studie vor gut zwei Jahren auf.
Schwere Zeiten für die französische Gastronomie
Damit nicht genug: Auch die viel gerühmte Kultur des Essengehens in Frankreich verliert offenbar ihren klassischen Touch. Die französische Gastronomie erlebt schwere Zeiten, berichtete Le Monde kürzlich. Eine steigende Anzahl von Restaurants schließt, da sie nicht mehr genügend Kunden anziehen und somit keine ausreichenden Gewinnmargen erzielen können.
Im Januar 2025 habe die Insolvenzrate im Gastgewerbe mit 17 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 gelegen.
Als Gründe für das Wegbleiben der Gäste wird das Homeoffice genannt sowie die "günstigeren Alternativen" wie Coffee-Shops und Bäckereien mit Sitzgelegenheiten.
Außerdem wurden die Spesen für Geschäftsessen bzw. finanzielle Unterstützungen für Restaurantbesuche durch Arbeitgeber, etwa durch Essensmarken, gekürzt, wenn nicht gestrichen. Es fehlen die Stammkunden von früher, so die Klage der Wirte.
Dazu dürften auch die steigenden Preise beigetragen haben. Laut Artikel sind die Menüpreise in den letzten zwei Jahren kumulativ um etwa 20 Prozent gestiegen.
Für die Wirte verschwinden die Margen, wie ein von der Zeitung befragter Restaurantbesitzer anschaulich erklärt:
Mittags gehen die Leute seltener ins Restaurant. Sie greifen zu Menüs für 12 Euro in der Bäckerei. Und wenn sie ins Restaurant gehen, sind sie sehr vorsichtig. Einmal hat ein Kunde nur ein Ei Mayo und zwei Brotkörbe bestellt! Und als ich fragte, ob er einen Kaffee nehmen würde, antwortete er: 'Nein danke, den nehme ich im Büro' … Die kleinen 'Extras' fallen weg. Dabei machen wir Gastronomen unsere Margen bei Kaffee, Dessert oder einem Glas Wein.
Le Monde
Kultur des Essengehens: Das "neue Umfeld" auch in Deutschland
Der Artikel deutet an, dass sich die Kultur des Essengehens in Frankreich deutlich gewandelt hat. "Das neue Umfeld", so heißt es am Ende, "mit vielen Kundenströmen, die weniger vorhersehbar sind, neuen Managementerwartungen beim Nachwuchs und einer entscheidenden Rolle der sozialen Netzwerke erfordert Fähigkeiten, in denen sich manche Chefs nicht mehr wiederfinden".
Die Veränderungen des "Umfelds" sind auch in Deutschland zu beobachten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) warnt vor einem möglichen Verlustjahr 2025, nach einer Umfrage sehen fast 40 Prozent der Unternehmer diesen düsteren Ausblick.
Die Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent zu Beginn des Jahres 2024 hat zu höheren Preisen geführt und die Gästezahlen sinken lassen. Der Branchenverband Creditreform registrierte einen Anstieg der Insolvenzen um 27 Prozent.
So gilt die von der neuen Regierung in Aussicht gestellte Mehrwertsteuersenkung als neue Hoffnung, um wieder mehr Gäste in den Restaurants zu bewirten. Allerdings sei längst nicht ausgemacht, dass damit "auch die Kosten für Restaurantbesucher sinken", wie der WDR vor wenigen Tagen berichtete: "Der Branchenverband rechnet jedenfalls nicht automatisch mit niedrigeren Restaurantpreisen."