Greenpace ist wieder fündig geworden

Die Organisation hat wieder ein vom Europäischen Patentamt bewilligtes Patent entdeckt, das auch die Züchtung von Mensch-Tier-Chimären einschließt

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Einmal wieder und strategisch geschickt ist Greenpeace ein Coup gelungen. Rechtzeitig vor dem Beginn der Konferenz der 20 Vertragsstaaten zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens vom 20. bis 29. November im Europäischen Patentamt in München ist die Organisation fündig geworden: Ende 1999 hatte das EPA ein Patent erteilt, das sich auch auf menschliche und tierische Stammzellen zur Züchtung von Chimären erstreckt.

Erst Anfang Oktober hatte Greenpeace einen Patentantrag auf Chimären entdeckt (Greenpeace entdeckt wieder einen Patentantrag, der auch menschliche Embryonen umfasst). Der Sprecher des Patentamts, Rainer Osterwalder, hatte damals beteuert: "Wir haben festgehalten, dass Patent-Ansprüche, die sich mit Verfahren zur Herstellung menschlicher Embryonen befassen, aus ethischen Gründen nicht gewährbar sind." Ein "Mensch-Schwein-Mischwesen könne daher auch nicht patentiert werden.

Offenbar aber doch, denn das Patent mit der Nr. EP 3800646 erstreckt sich auch auf die Verwendung von "embryonalen Stammzellen von Menschen, Mäusen, Vögeln, Schafen, Schweinen, Rindern, Ziegen oder Fischen" zur Erzeugung von Chimären. In Deutschland ist dieses Verfahren wegen des strengen Embryonenschutzgesetzes verboten, nicht aber in allen anderen EU-Ländern. Allerdings gilt vielen auch hierzulande das Embryonenschutzgesetz für zu streng, da es vornehmlich die vielversprechende Forschung im Bereich der Forschung mit embryonalen Stammzellen verhindert.

Gleichwohl sieht Greenpeace in der Gewährung des Patents einen "bisher einmaligen Vorgang": "Das EPA missachtet jede ethische Grenze und belügt die Öffentlichkeit", kritisiert Christoph Then von Greenpeace. "Auch dieser Fall zeigt, wie das Amt systematisch gegen geltende Rechtsgrundlagen verstößt." Bei den Patenten, die Greenpeace aufdecke, würde es sich überdies nur um Stichproben handeln. Da kann also noch viel zu entdecken sein.

Für Greenpeace ist der Fund die Möglichkeit, vor der Eröffnung der Konferenz zu fordern, dass das Patentamt "in seine Schranken" gewiesen werden müsse und "Pflanzen, Tiere und Menschen sowie ihre Gene" nicht patentierbar sein sollen. Solche Patente würden die belebte Natur entwerten, die Bio-Piraterie unterstützen und zudem für die Genkonzerne zur Grundlage dienen, "ein Netz von Abhängigkeiten (aufzubauen), dem Lebensmittelhersteller, Landwirte, Züchter sowie Ärzte und Patienten nur schwer entgehen können". Allerdings wird während der Tagung Patente auf Leben kein Thema sein. Erst vor wenigen Tagen hatte die Zeitschrift Guardian berichtet, dass die Patentanträge auf Genemit rasanter Geschwindigkeit fließbandartig eingereicht werden (Hamstern von Genen).

Eingebracht hat das Patent das australische Unternehmen Amrad. Genauer erstreckt sich das Patent auf ein "Verfahren zur Isolation von Stammzellen von tierischen Embryos in vitro, das die Einpflanzung und Aufzucht dieser Embryos in einem Nährboden betrifft, der eine wirksame Menge des Leukämie-Inhibitionsfaktors (LIF) während einer Zeit und unter Bedingungen enthält, die für die Entwicklung der genannten embryonalen Stammzellen ausreichend ist." Tierische Embryos umfassen im englischen auch menschliche Embryos, was auch schon einmal zu einem Konflikt bei einem gewährten Patent geführt hat (Europäisches Patentamt gewährt versehentlich ein Patent, das auch gentechnische Veränderungen am Menschen umfasst), aber inzwischen von der University of Edinburgh, dem Patentinhaber, umformuliert wurde (Patent auf menschliche Embryonen entschärft). Damals erklärte das EPA:

"Der Anspruch in der englischen Fassung hätte durch den Zusatz "(non-human)" eingeschränkt werden müssen, da nach dem englischen wissenschaftlichen Sprachgebrauch das Wort "animal" "human" (menschlich) mit einschließt. Das Europäische Patentamt hat diesen Fehler bereits eingeräumt und bedauert ihn. Das Amt wird alle Aufmerksamkeit aufwenden, um derartige Fehler künftig zu vermeiden. Anders als vielfach dargestellt, umfaßt der Schutzbereich des Patents Nr. 0695351 trotz der fehlenden Einschränkung "(non-human)" nicht das Klonen von Menschen. Er umfaßt es nicht, weil Patentansprüche gemäß Artikel 69 und 84 EPÜ von der Patentbeschreibung gestützt sein müssen. Das ist hier nicht der Fall."

Das Patent hat Amrad im Januar 2000 an das Bio-Unternehmen Ares-Serono in Genf, das weltweit führend in der Reproduktionsmedizin ist, lizenziert, um eine neue Behandlung für Unfruchtbarkeit zu entwickeln. LIF soll nämlich auch während der Einpflanzung des Embryos eine Rolle spielen. Amrad selbst versucht mit demselben Protein Anwendungen für neuromuskuläre Krankheiten zu entwickeln. Stammzellen haben den Vorteil, dass sie embryonalem Gewebe entnommen, in Nährboden gezüchtet und verändert (wozu auch die Herstellung von Chimären und sogar Keimbahnchimären gehört) und dann wieder in einen Embryo eingepflanzt werden können, in dem sie sich teilen und ihre Gene in alle Gewebe einführen.

Prinzipiell verwies im Juni der Präsidenten des EPA, Ingo Kober, darauf, dass man sich im Patentamt durch der "ethischen Problematik" bei der Patentierung gentechnischer Erfindungen bewusst sei und diese beim Bewilligungsverfahren beachte. Rechtswidrig würde das aber EPA nicht handeln, wenn es Patente auf Leben gewährt, das das Europäische Patentübereinkommen keine "grundsätzliche Ausnahme" kenne: "Es ist auch eine irrige Annahme, die immer wieder geäußert wird, , das Amt genehmige mit der Patenterteilung irgendwelche Technologien. Patente beinhalten keine Herstellungs- und Betriebserlaubnis für die geschützte Erfindung und stellen auch keine Genehmigung für die Entwicklung einer bestimmten Technologie dar. Patente sind reine Verbietungsrechte. Sie dienen nur dazu, Dritte von der gewerblichen Benutzung der Erfindung auszuschließen. Die Frage der Zulässigkeit einer Technologie wird nicht durch das Patentrecht, sondern durch ganz andere Rechtsgebiete geregelt und beantwortet. Patentämter sind auch keine Sicherheitsbehörden. Gefährliche oder ethisch problematische Technologien lassen sich mit Hilfe des Patentrechts nicht eindämmen!"