Groko-Frauenpolitik: Probleme erkannt und nicht gebannt

Bild: H. Hach auf Pixabay (Public Domain)

Auch nach Einschätzung von Entwicklungsminister Müller droht durch die Corona-Krise eine Zunahme von Ungleichheit und Gewalt. Sicher ist: Mit Rezepten der Regierungsparteien wird sie nicht gestoppt

Sogar ein CSU-Politiker hat am Montag vor dem Rollback gewarnt, das die Corona-Krise für Frauen und Mädchen bedeutet. "Corona und seine Folgen werfen die Gleichberechtigung weltweit um Jahre zurück", erklärte Entwicklungsminister Gerd Müller anlässlich des internationalen Frauentags an diesem 8. März. Die Pandemie verstärke die Ungleichheit überall, betonte er.

"Die Folgen der Krise treffen vor allem die Ärmsten und die Frauen. Sie haben als erste ihre Jobs verloren. Die dramatische weltweite Hunger- und Wirtschaftskrise führt auch dazu, dass schätzungsweise 13 Millionen Mädchen zu Früh- oder Zwangsheiraten gedrängt werden", so der Minister. Durch die Lockdowns nehme außerdem häusliche und sexuelle Gewalt zu. "Das ist nicht hinnehmbar", betonte Müller. "Jeder einzelne Fall ist einer zu viel!"

All das wirft die Frage auf, was die Große Koalition in den letzten Jahren getan hat, um den Betroffenen zu helfen - sei es hierzulande oder in der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik.

Schutzeinrichtungen überlastet

In Sachen Schutz vor häuslicher Gewalt hatten bereits lange vor den Corona-Lockdowns die Frauenhaus-Koordinierungsstellen verschiedener Bundesländer darauf aufmerksam gemacht, dass die Einrichtungen überbelegt und unterfinanziert seien - beispielsweise in Berlin 2015. Im September 2017 wandte sich die bundesweite Frauenhauskoordinierung mit einem Appell an die Bundestagsfraktionen: Die Lage sei "dramatisch wie nie" - faktisch gebe es in vielen Einrichtungen bereits einen Aufnahmestopp. Die Bundestagsparteien wurden aufgefordert, "sich für einen Rechtsanspruch auf Schutz für alle gewaltbetroffenen Frauen und ihre Kinder einzusetzen".

Flächendeckend änderte sich bis um ersten Corona-Lockdown wenig. Im April 2020 allerdings rief Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Regierungen der Bundesländer dazu auf, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen als systemrelevant einzustufen, zumal ein erhöhter Bedarf zu erwarten sei. Mancherorts wurde das Angebot daraufhin sogar zügig aufgestockt, aber keineswegs flächendeckend. Im Juni 2020 sprach sich Giffey für einen individuellen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für weibliche wie männliche Gewaltopfer aus, der allerdings im aktuellen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen ist.

Anfang dieses Jahres untersuchte das Recherchezentrum Correctiv in Kooperation mit diversen Lokalmedien und dem Portal Buzzfeed News die Auslastung der Schutzeinrichtungen für Frauen und Kinder. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Beispielsweise in Nordrhein-Westfalen (NRW) meldeten demnach neun der 70 Frauenhäuser, dass sie von November 2020 bis Ende Januar 2021 an keinem einzigen Tag neue Frauen und Kinder aufnehmen konnten.

Die übrigen 61 Einrichtungen waren durchschnittlich etwa sechs Tagen pro Woche voll belegt. Die Vorgabe des Europarats, einen Frauenhausplatz pro 7.500 gemeldeter Einwohnerinnen und Einwohner bereitzuhalten, erfüllten demnach nur Berlin und Bremen.

"Kein Lieferkettengesetz für Frauen"

Doch wie sieht es in anderen Ressort aus? - Nach den Worten des Entwicklungsministers Müller tut die Bundesregierung bereits viel, um Ausbeutungsverhältnisse, die weltweit nicht nur, aber auch und vor allem Frauen und Mädchen betreffen, zu beenden: "Mit dem Lieferkettengesetz schaffen wir jetzt die Grundlagen für faire Arbeitsbedingungen in unseren Lieferketten - damit Frauen endlich stärker selbst über ihr Leben bestimmen können", erklärte Müller heute.

Der Deutsche Frauenrat verweist jedoch auf Lücken in dem Gesetzentwurf: Die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW und die Konvention 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt fehlten in der Aufzählung von Regelwerken, gegen die Unternehmen und Zulieferer nicht verstoßen dürfen, ohne dass ihnen Sanktionen drohen. "Der aktuelle Entwurf ist kein Lieferkettengesetz für Frauen! Im parlamentarischen Verfahren muss gleichstellungspolitisch nachgebessert werden", forderte vergangene Woche Lisi Maier, stellvertretende Vorsitzende des Frauenrats.

Außerdem soll das Lieferkettengesetz erst ab 2023 gelten - und auch erst einmal nur soziale und ökologische Mindeststandards für Firmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten festlegen - ab 2024 dann auch für solche mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Unter anderem deshalb macht sich auch die Gewerkschaft ver.di für Nachbesserungen stark.

Helfen würde das nicht nur Frauen, sondern auch zahlreichen Männern und Jugendlichen, die von teils menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen betroffen sind, aber zum Teil noch Jahre auf entsprechende Standards warten müssen, falls sie das Glück haben, nicht in kleineren Zulieferbetrieben zu arbeiten.

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