Grundschüler in Deutschland können kaum lesen – kam das überraschend?
Im internationalen Vergleich schneiden deutsche Schüler schlechter ab – wieder einmal. Nun werden halbgare Vorschläge diskutiert. Sie werden nicht funktionieren. Ein Kommentar.
Bildung und Wohlstand gehören zusammen – daran glaubt man in Deutschland. Wer es beruflich zu etwas bringen wollte, folgte dem Motto: Lernen, lernen und nochmals lernen! Mit den richtigen Abschlüssen, harter Arbeit und etwas Glück wurden Karrieren und ein sozialer Aufstieg möglich.
Sozialer Aufstieg durch Bildung – das wird es vermutlich auch in Zukunft geben, doch wie viele Kinder daran teilhaben werden, ist heute die große Frage. Denn wer nicht lesen kann, wird sich kaum selbständig Wissen aneignen können. Und die Lesefähigkeit von Kindern in Deutschland verschlechtert sich.
Am Dienstag wurden die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) veröffentlicht. Jeder vierte Viertklässler in der Bundesrepublik kann demnach nicht richtig lesen.
"Alarmierend" nannte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Ergebnisse. Doch überraschend war der Befund nicht: Seit 20 Jahren verschlechtern sich die Leseleistungen deutscher Schüler im internationalen Vergleich, schrieb die Rheinische Post am Donnerstag.
Im vergangenen Jahr hatten sich 4.611 Schüler aus 252 vierten Klassen an der Studie beteiligt. International nahmen rund 400.000 Viertklässler aus 65 Staaten und Regionen an der Untersuchung teil.
Deutschland landete mit 524 Punkten knapp unter dem Durchschnitt der EU-Staaten, der bei 527 Punkten lag. Gut ein Viertel der deutschen Schüler wiesen nicht die Fähigkeiten auf, die für die Kompetenzstufe III notwendig sind. Kurz: Die Schüler verstanden die Texte nicht, die sie lasen.
Seitdem wird über Ursachen gerätselt. Die Coronapandemie habe einen Anteil daran, hieß es am Donnerstag in Die Welt. Dies legten Vergleiche nahe mit anderen Ländern, die ihre Schulen weniger rabiat geschlossen hätten.
Dass etwas aus der Pandemie zurückbleiben würde, dürfte schon vor Jahren deutlich geworden sein. Im Frühjahr 2021 hatte etwa die OECD eine Studie über die Wirkung des Lockdowns auf Kinder veröffentlicht. Damals war auch längst bekannt, dass der Unterricht im Lockdown faktisch fast zum Erliegen gekommen ist. Unterricht per Videokonferenz war eine Seltenheit.
Nun sucht man nach Lösungen, ohne nach der Ursache der Misere zu fragen. In der Rheinischen Post bringt man zum Ausdruck, dass die Eltern mehr vorlesen könnten. Aber die Mütter seien ja heutzutage mehr durch den Beruf eingespannt als früher.
In Die Zeit wird der Vorschlag von CDU-Vize Carsten Linnemann diskutiert. Kinder sollten demnach im Alter von vier Jahren einen Sprachtest machen. Zeigten sich Mängel, sollte für sie eine Kitapflicht gelten; wenn nötig solle sich mit Bußgeldern durchgesetzt werden.
Dieser Vorschlag vergisst allerdings, dass sich viele Kitas nicht als Bildungseinrichtungen verstehen. Kinder lernen oftmals nur, zu tun, was sie im Augenblick mögen. Ihnen beizubringen, was ihnen in Zukunft hilfreich sein könnte, steht nicht unbedingt auf der Agenda.
Teil des Bildungssystems waren die Kindergärten in der DDR. Sie bereiteten Kinder auf die Grundschule vor. Und kamen dann die Kinder in die Schule, konnten die Lehrer davon ausgehen, dass ihre Schüler bestimmte Fähigkeiten beherrschen. Das ist heute allerdings anders.
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