Habeck geht den Bach rauf: Schluss mit dem Genderstern
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"Verkopft und fremd": Der Schriftsteller und Wirtschaftsminister gendert nicht mehr. Was sind die Konsequenzen? Kommentar.
Moden kommen und gehen. Selbst Sterne können verschwinden. Manche werden zu einer Supernova, manche fallen einfach in sich zusammen – je nach ihrer Schwere.
Im öffentlichen Rundfunksender Bayern 2 gibt es frühmorgens eine Sendung, deren Titel "Welt am Morgen" ein Tableau der Geschehnisse verspricht, die den Tag markieren. Heute Morgen, gegen 07 Uhr 43 wurde das aktuelle Buch des Schriftstellers, Wirtschaftsministers und Kanzlerkandidaten der Grünen, Robert Habeck, vorgestellt.
Der Literaturkritiker Knut Cordsen, Verfasser eines hintergründigen Werkes über Aktivismus und dessen zeitgeistigen Modeerscheinungen, stellte das neue Buch Habecks vor. "Den Bach rauf", heißt es und es soll, wie der Untertitel signalisiert, eine Kursbestimmung sein. Geschrieben hat es der Minister während der Sommerferien.
Wie er das Buch einordnen würde? fragte der Moderator Cordsen. Der antwortete, dass Habeck wie schon zuvor politische Programmatik und Persönliches miteinander vermenge und vermische, aber eine Sache sei doch markant.
Was er aber diesmal anders macht: Er gendert nicht mehr.
Er hat sich entschieden, es einfach sein zu lassen. Und warum dieser Verzicht auf den Genderstern? Weil, seiner Meinung nach – Zitat – "die gute Intention immer häufiger ins Gegenteil umschlägt. Es fühlen sich eben nicht alle gemeint", schreibt Habeck, "sondern für manche oder viele fühlt es sich fremd an oder aufgesetzt oder verkopft, wenn Menschen den Stern oder Doppelpunkt mitsprechen". Zitat Ende.
Unter diesen Punkt trügt Habeck sein Sprachgefühl sicherlich nicht.
Knut Cordsen
Der Spitzenkandidat der Grünen surft mit diesem Gefühl auf einer Welle, die so wenig zu übersehen ist, wie die winterlichen Wellen vor Nazaré an der portugiesischen Atlantikküste. Es gibt keinen Tag, an dem sich in den Debattenräumen nicht eine Spektakel-Welle nach der anderen aufbaut, wenn auch nur irgendwo aus der Ferne das Thema Gendern oder Woke aufscheint.
Sprache hat ihre Moden
Wenn nun sogar schon Habeck davon überzeugt ist, dass die gute Intention, die den Genderstern zur Positionsbestimmung gemacht hat, wie auch den Doppelpunkt, mit diesen Formen fehlgeht und ins Gegenteil umschlägt, wie wird weitergemacht?
Sprache hat ihre Moden und die halten nicht ewig. Man braucht sich nur vor Augen zu führen, was über den Gebrauch von Fremdwörtern im Deutschen über Jahrhunderte hinweg sprachpatriotisch versucht wurde, um zu erkennen, dass Sprache und mit ihr das Sprachgefühl unentwegt einen empfindlichen lebendigen Organismus bilden, der gar nicht anders kann als Strömungen aufzunehmen, sich aber auf Dauer nichts sagen lässt, was auf irgendeinem Reißbrett autoritativ planerisch festgelegt wird.
Kein Mehrwert
Fremdwörter konnten nicht verbannt werden, weil viele "eine Bedeutungsnuancierung einführen, die gebraucht wird", so das Goethe-Institut: "Auf sie verzichten kann man da, wo nur ein Jargon reproduziert wird, der keinen Mehrwert besitzt."
Der Gebrauch der Sternchen und Doppelpunkte, eingeführt aus bester Absicht, um den Blick zu weiten und zu öffnen, sind, zu einem hölzernen Diktat verkommen sind, das die Wahrnehmung von Nuancen verstellt, weil sie die Leserschaft verprellt, es gibt da keinen Mehrwert mehr, der auszuschöpfen wäre. So lässt sich die Botschaft des schriftstellernden Ministers im Wahlkampf lesen.
Das ist erstaunlich, hat Habeck doch viel mit einem Milieu zu tun, das Gendern nicht als Mode begreift und als solche auch nicht wahrhaben will. Ob seine Einsicht weitere Kreise zieht?
Ob man bei den öffentlich-rechtlichen Sendern Einsicht erlangt und den glotall stopp, den "Einschaltknack", bei Sänger … innen endlich wieder aufgibt?
Die Rückkoppelung mit der zahlenden Hörerschaft wäre eine wunderbare Neuerung.