Habeck und Özdemir in Südamerika: Deutsche Wirtschaft fordert Taten statt warmer Worte
Grüner Doppelwumms in Brasilien und Kolumbien: Minister wollen neue Bündnisse – auch gegen China – schmieden. Welche Rolle Rohstoffe, Infrastruktur und Investitionen spielen.
Die Südamerika-Reise von Robert Habeck und Cem Özdemir (beide Grüne) wird von der deutschen Wirtschaft aufmerksam verfolgt. In Brasilien und Kolumbien sprechen die beiden Politiker nicht nur über Klimaschutz, sondern auch über Seltene Erden, grünen Wasserstoff und den Einfluss Chinas.
Über etliche Jahre pflegte die Bundesregierung zu Brasilien ein eher zurückhaltendes Verhältnis. Zuletzt war eine größere deutsche Delegation im Jahr 2015 in dem Land; die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sie angeführt.
Nach dem Merkel-Besuch kühlte das Verhältnis "strategischen Partner" merklich ab. Erst mit dem Amtsantritt des Sozialdemokraten Luiz Inácio Lula da Silva änderte sich das wieder. Seitdem versucht es Berlin wieder mit einer Annäherung.
So besuchte etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Land. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz, Umweltministerin Steffi Lemke und Entwicklungsministerin Svenja Schulze statteten Brasilien einen Besuch ab. Nun touren mit Habeck und Özdemir zwei weitere Minister durch das Land, was den Positionswechsel in Berlin noch einmal unterstreichen dürfte.
Es gibt mehrere Gründe dafür, die das Interesse der Bundesregierung an Südamerika "neu" entfacht haben. Einmal sind es die reichen Rohstoffvorkommen, dann gibt es aber auch Gründe geostrategischer Natur.
Auf kurze Sicht sind Kolumbien und Brasilien wichtige Lieferanten für fossile Energieträger, erklärte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Dienstag. Allein die Menge an Kohle, welche Deutschland aus Kolumbien importiert, stieg im vergangenen Jahr um 206 Prozent. Das waren etwa 4,8 Millionen Tonnen Steinkohle mehr als im Vorjahr.
Seit Jahres ist bekannt, dass der Kohlebergbau in Kolumbien konfliktträchtig ist: Die indigene Bevölkerung wird zum Teil für Kohleminen vertrieben und von rechtsgerichteten Paramilitärs bedroht, Umweltschützer werden immer wieder ermordet. Ob die beiden Minister in Kolumbien auf Umwelt- und Sozialstandards im Bergbau pochen werden, ist fraglich.
Brasilien hat mit Tantal, Niob, Zinn und Seltenen Erden Rohstoffe zu bieten, die für die Energiewende erforderlich sind. Die Vorkommen sind teils beträchtlich.
Das Interesse an Brasilien ist aber auch geostrategischer Natur. Das Land gehört neben Russland, Indien, China und Südafrika zur sogenannten BRICS-Gruppe, die zuletzt bei Entwicklungs- und Schwellenländern an Bedeutung gewonnen hat.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schrieb am Samstag: "Mit Sorge wird in Berlin beobachtet, wie sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China zuspitzt und zugleich China und Indien weiter eifrig Geschäfte mit Russland machen". Der Westen wolle deshalb verhindern, dass die BRICS-Gruppe zu einem "antiwestlichen Handelsblock" werden.
Vor allem den Einfluss Pekings in Südamerika versucht man zurückzudrängen. Allein im Jahr 2021 seien mindestens 5,8 Milliarden US-Dollar chinesischer Neuinvestitionen nach Brasilien geflossen, heißt es beim IW. Aber weil die Datenlage ungenau sei, dürfte der tatsächliche Wert deutlich höher ausfallen. Die Investitionen fließen zu einem großen Teil in die Energieinfrastruktur.
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für Kolumbien, wenn auch in deutlich niedrigerem Niveau. Aber auch hier legt Peking den Fokus auf ein strategisches Engagement bei der Energie- und Verkehrsinfrastruktur. Laut IW hat China allein im Jahr 2021 mit einem einzigen Infrastrukturprojekt eine Investition in Höhe von 3,8 Milliarden US-Dollar getätigt.
Deutschlands Engagement in beiden Ländern mutet dagegen kleiner und weniger strategisch motiviert an. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank sanken die deutschen Direktinvestitionen in Brasilien in den Jahren von 2017 bis 2020 um knapp eine Milliarde Euro auf einen Bestand von rund 18 Milliarden Euro. In Kolumbien stiegen in diesem Zeitraum die Investitionen zwar, aber der Gesamtbestand erreichte nur etwas mehr als zwei Milliarden Euro.
Deutschland müsse viel strategischer in der Amazonasregion auftreten, erklärte IW-Ökonom Simon Gerards Iglesias. "Statt warmen Worten braucht es gezielte Investitionen in Zukunftsthemen und Infrastruktur, die die Länder konkret voranbringt." Ansonsten würde sich Südamerika anderen Staaten zuwenden.
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