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Händler und Verbraucher: Wer profitiert von den Gaspreisen?

Bild: Arthur Lambillotte / Unsplash Licence

Energie und Klima – kompakt: Die jüngst gesunkenen Gaspreise werden wieder steigen. Das liegt nicht an den LNG-Streiks in Australien, sondern verstärkter Nachfrage. Noch ein Faktor ist entscheidend.

In Australien sind am Freitag letzter Woche die Arbeiter einer Erdgas-Verflüssigungsanlage in den Streik getreten, von der aus etwa fünf Prozent des weltweiten LNG-Bedarfs verschifft werden. Das berichtet [1] unter anderem das Reederei-Informationsportal Hellenic Shipping News.

Australien beliefert zwar fast ausschließlich Ostasien, aber eine Verknappung auf dem dortigen Markt hat auch Auswirkungen hierzulande. Daher haben auch in Europa die LNG-Preise etwas angezogen, allerdings bisher nur im Bereich eines Zehntel Euro-Cents pro Kilowattstunde.

Ob es zu größeren und längerfristigen Auswirkungen kommt, wird von der Dauer des Streiks abhängen. Die Verflüssigungsanlage wird vom US-Konzern Chevron betrieben, der in der vergangenen Woche Schlichtungsverhandlungen mit dem Gewerkschaftsbündnis Offshore Alliance führte. Die Gewerkschaften fordern mehr Lohn, Verbesserung der Arbeitssicherheit, Mitsprache bei den Dienstplänen und Umsetzungen an andere Arbeitsplätze.

Nach Konzernangaben [2] zahlt Chevron weniger als der Rest der Branche. 100 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder hatten am Ende der Schlichtungsgespräche in einer Abstimmung das Angebot der Geschäftsleitung abgelehnt.

Der Sydney Morning Herald berichtet [3], dass Chevrons Konkurrent Woodside vergangenen Monat mit Verhandlungen einen Streik hat abwenden können und nun die Jahresgehälter um 12.000 bis 30.000 Euro erhöht. Shell hatte hingegen letztes Jahr erst nach 76 Tagen Streik und Umsatzeinbußen von 900 Millionen Euro eingelenkt. Solche Gewerkschaften würde sich sicherlich mancher auch hierzulande wünschen.

Von den australischen Streiks abgesehen, erwarten Marktbeobachter jedoch ohnehin einen Anstieg der Großhandelspreise in den nächsten Monaten, da durch den nahenden Winter der Bedarf der Gasheizungen steigt. Entsprechend lässt die Erwartung eines höheren Frachtaufkommens auch die Charterpreise für die knappen Spezialtanker steigen.

Was bei den Endverbrauchern ankommt

Andererseits ist aber noch ungewiss, wie weit die derzeitige Rezession [4] die Gasnachfrage der chemischen Industrie beeinflusst. 2020 hat die hiesige Chemieindustrie 90 Milliarden Kilowattstunden Erdgas [5] verbraucht, was rund elf Prozent des deutschen Bedarfs entsprach. Ein knappes Fünftel wurde in der Industrie als Rohstoff für chemische Prozesse eingesetzt, der Rest diente der Strom- und Dampferzeugung.

Im Vergleich zur Entwicklung in den letzten 20 Monaten sind die aktuellen Preisbewegungen jedoch ziemlich klein. Hierzulande war der Großhandelspreis für Erdgas nach Angaben [6] der Bundesnetzagentur im August 2022 für kurze Zeit auf ein Allzeithoch von über dreißig Cent pro Kilowattstunde geklettert, doch davon sind die Märkte inzwischen wieder sehr weit entfernt.

Seit Beginn des Jahres ist der Großhandelspreis von knapp acht Cent pro Kilowattstunde bis Ende April auf unter vier Cent pro Kilowattstunde gesunken. Am 7. September mussten 3,2 Cent pro Kilowattstunde gezahlt werden. Futures [7] waren für etwas mehr als 3,6 Cent pro Kilowattstunde zu haben, was in etwa 180 Prozent des Niveaus der letzten Jahre vor dem jüngsten Preisanstieg entspricht. Dieser hatte bereits Mitte 2021 begonnen.

Für die Verbraucher fiel der Preisrückgang nicht ganz so stark aus. Das wird deutlich, wenn man Steuern und Abgaben vom Gaspreis abzieht und nur auf den Anteil für Beschaffung und Vertrieb schaut. Dieser betrug in der ersten Jahreshälfte 2023 nach den Daten [8] des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft für einen privaten Haushalt mit einem Bedarf von 20.000 Kilowattstunden im Jahr durchschnittlich 10,63 Cent pro Kilowattstunde.

Das ist zwar erheblich weniger als im vierten Quartal 2022, aber immer noch deutlich mehr als noch vor wenigen Jahren. Im ersten Quartal zahlten Privatverbraucher im Vergleich zu 2021 mehr als das Dreifache für den Posten Beschaffung und Vertrieb, der direkt an die Gashändler geht. Während der Großhandelspreis bei etwa 180 Prozent des Vorkriegsniveaus liegt, schafft es dieser Anteil am Verbrauchergaspreis auf 327 Prozent.

Die Verbraucherpreise sind also zwar im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen, aber noch lange nicht wieder auf dem Niveau der Zeit vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Aber dies liegt nur zu einem Teil am Großhandelspreis. Vielmehr sind es vor allem die Gashändler, die sich einen größeren Teil vom Kuchen abschneiden.


Redaktionelle Anmerkung: Die Preise pro Kilowattstunde waren in einer früheren Version falsch angegeben und wurden korrigiert.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9302275

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.hellenicshippingnews.com/global-lng-asian-spot-prices-slip-on-tepid-demand-australia-strike-offers-no-support/
[2] https://awu.net.au/national/news/2023/09/19800/chevrons-ea-rejected-by-gorgon-wheatstone-workforce/
[3] https://www.smh.com.au/national/western-australia/rolling-strikes-hit-australia-s-biggest-lng-plants-after-talks-break-down-20230908-p5e38b.html
[4] https://www.diw.de/de/diw_01.c.880731.de/aufschwung_vorerst_nur_in_trippelschritten_____ab_2024_kommt_deutsche_wirtschaft_aber_wieder_in_fahrt.html
[5] https://www.chemietechnik.de/energie-utilities/infografiken-zum-energiebedarf-der-chemie-970.html
[6] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/aktuelle_gasversorgung/_svg/Gaspreise/Gaspreise.html
[7] https://tradingeconomics.com/commodity/eu-natural-gas
[8] https://www.bdew.de/service/daten-und-grafiken/bdew-gaspreisanalyse/