Handel durch Annäherung

Wie Hersteller von Computerspielen das kreative Potenzial ihrer Fans nutzen

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Während die Lebensdauer der Menschen in der Ersten Welt fortdauernd steigt, stagniert sie bei Computerspielen bestenfalls. Das macht das Geschäft mit ihnen riskant: In wenigen Monaten müssen möglichst viele Exemplare zum Vollpreis losgeschlagen werden, dann veraltet die Technik, nehmen Raubkopien überhand und der Preis sinkt mit der Nachfrage schnell gegen Null. Doch eine Lösung zeichnet sich ab: Spielehersteller lassen einfach die Spieler für sich arbeiten. Je mehr die an einem Spiel verändern, desto länger währt seine Lebensdauer - vielleicht entsteht sogar ein völlig neuer Titel.

Den bisherigen Höhepunkt dieser Annäherung von professioneller und Amateursphäre markiert die Ankündigung des amerikanischen Spieleherstellers Valve, bei seinem in diesem Jahr startenden Onlinedienst "Steam" einen Schwerpunkt auf von Fans programmierte Spielmodifikationen - kurz: Mods - zu setzen. Will Wright, Schöpfer des Spiels "Die Sims", sieht neben ökonomischem auch kreatives Potenzial in Fanprojekten:

"Irgendwann haben die Mod-Autoren nicht nur neue Spielinhalte geschaffen, sondern auch Werkzeuge zur Erweiterung. Das ist ein Beispiel dafür, wie Fans Designer vollkommen überraschen können - wenn sie die Chance dazu bekommen."

Diese Nutzung der Spielerkreativität kann man in drei Stufen teilen. Die unterste ist eine relative Öffnung der Software mit dem Ziel, dass Spiel für längere Zeit attraktiv zu machen. Der Hersteller "id Software" erkannte als vielleicht erster den kommerziellen Nutzen der Fanbegeisterung. Die für Mods offene Architektur seines 1993 veröffentlichten Egoshooters "Doom" war neben der Technik für die erstaunliche Lebensdauer des ersten Teils verantwortlich. Die einzige Bitte des Herstellers lautete damals, nur die Vollversion des Spiels zu modifizieren, nicht das kostenlos erhältliche Demoprogramm. Mit Erfolg: Noch 1996 konnte "id Software" Zusätze für "Doom" verkaufen. Der hohe Verbreitungsgrad machte "Doom" außerdem zu einem Markenzeichen, von dessen Bekanntheit "id Software" heute noch bei Nachfolgern profitiert. Ähnlich verhält es sich mit dem 1998 erschienenen "Half-Life", das auch heute eines der beliebtesten Multiplayer-Spiele ist.

Deshalb unterstützen jetzt im Prinzip alle Unternehmen Fanprojekte. Allerdings nicht uneingeschränkt. Jeff Brown, Sprecher von "Electronic Arts" in den Vereinigten Staaten erklärt:

"Wie man es erwarten würde, haben Menschen, die Spiele lieben, oft die besten Ideen für Verbesserungen. Doch ganz gleich, ob Mods für einen kommerziellen Zweck oder kostenloses Herumreichen geschaffen werden, sind sie Abwandlungen des Eigentums anderer. Deswegen sind die Fans auch verpflichtet, uns vorher zu kontaktieren."

Die zweite Stufe der Einbeziehung von Fans in die Verwertung eines Spiels zielt bereits auf die Anwendung ihrer Fertigkeiten beim Produzieren kommerzieller Titel ab. Da die Mod-Szene von Werkzeugen zum Umgestalten von Spielen abhängt, haben Fans erstaunlich komfortable und mächtige Programme geschaffen. Einige übertreffen sogar die Werkzeuge der Spielehersteller, da die ihre knappen Programmierressourcen auf weit mehr Aufgaben, vor allem die Grafik, verteilen müssen. Es gibt viele Beispiele für Amateur-Werkzeuge, mit denen kommerzielle Spiele geschaffen wurden: So entwickelte der Amerikaner Robert Duffy 1997 einen Editor für "Quake II", den er kurz darauf im Auftrag von "Id Software" zum Werkzeug "QERadiant" weiterentwickelte, das bei der Produktion von "Quake III" und "Return to Castle Wolfenstein" eingesetzt wurde.

Die höchste Stufe des kommerziellen Einsatzes von Fan-Begeisterung ist die Vermarktung ihrer Werke. Viele Unternehmen behalten sich das Recht vor, modifizierte Versionen ihrer Spiele kommerziell zu vertreiben - gegen Gewinnbeteiligung der Fans natürlich. Die heute so bekannten Spiele "Counterstrike" und "Gunman Chronicles" sind nichts anderes als kommerzialisierte Fan-Modifikationen von "Half-Life". Begonnen wurden diese Projekte nicht mit dem Ziel finanziellen Erfolgs. Die Entwickler von Mods erhalten ihre Bezahlung in der für Fans wichtigsten Währung: Aufmerksamkeit und Respekt innerhalb ihrer Subkultur.

Doch natürlich kann ein gelungenes Mod auch das Sprungbrett in die Spielindustrie sein. Geschafft hat das zum Beispiel der Deutsche Marc Schröder. Seine "Half-Life"-Modifikation Poke 646 weckte die Aufmerksamkeit des amerikanischen Unternehmens "Gearbox", für das Schröder heute als Leveldesigner arbeitet. "Es macht so viel Spaß, tatsächlich mit dem Geld zu verdienen, was man am meisten liebt: Spielen", sagt er.

Bei allen positiven wirtschaftlichen Folgen stellt sich aber Frage, ob Mods auch außerhalb des Egoshooter-Genres ähnlich erfolgreich sein können und wie groß ihr visionäres Potential überhaupt ist. Inzwischen sind auch einige erfolgversprechende Ansätze erkennbar, die Begeisterung der Fans auch außerhalb des Egoshooter-Genres zu nutzen. So hat zum Beispiel das Strategiespiel "Civilisation III" eine für Modifikationen sehr offene Architektur.

Gemeinhin glaubt man, dass Mods nur vorhandene Strukturen reproduzieren, bestenfalls variieren können. Doch es gibt auch wirklich neue Ideen. In Justin Fishers "Aliens Total Conversion" von "Doom" aus dem Jahr 1994 waren zum Beispiel anstatt des direkten Angriffs List und Schleichen gefragt. Damit war das Spiel seiner Zeit um Jahre voraus.

Auch Künstler haben Mods als Material entdeckt, längst gibt es spielbare Kunstwerke, die zum Teil auch das Wesen von Computerspielen analysieren - Beispiel: Unreal. Erkenntnis gewinnt man auch bei den Produkten der aus der Mod-Szene entstandenen Restaurationsinitiativen für Spielklassiker. Der Vergleich der Originale mit Fan-Remakes und aktuellen Titeln zeigt oft, wie stark sich das Spielprinzip ähnelt. Vielleicht bescheren Mods der Spielindustrie also nicht nur ein neues Geschäftsmodell, sondern auch ein wenig historisches Bewusstsein - und möglicherweise einst ein paar Visionen mehr.