Haushaltssperre: Wird Deutschland jetzt erst recht kaputtgespart?

Haushaltssperre und Finanzpolitik: Deutschlands Sparmaßnahmen im Fokus

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Lindner stoppt Verpflichtungsermächtigungen für alle Ministerien. Was das konkret bedeutet – und wer jetzt alles die Schuldenbremse in Frage stellt.

Bei einer Finanzierungslücke von 60 Milliarden Euro für Klimaschutzprojekte oder auch Chipfabriken wird es wohl nicht bleiben: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds hat das Bundesfinanzministerium unter Christian Lindner (FDP) am Montag eine Haushaltssperre für alle Ministerien verhängt.

Dies geht aus einem Schreiben von Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters und dem Spiegel vorliegt. Lindners Ministerium stoppt demnach Verpflichtungsermächtigungen für den Rest des Jahres 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden.

Mit der Verpflichtungsermächtigung entfällt die Möglichkeit, bereits für kommende Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, um mehrjährigen Vorhaben zu finanzieren. Aktuelle Ausgaben in diesem Jahr sind demnach nicht betroffen.

Weiter hieß es, bestehende Verbindlichkeiten des laufenden Jahres würden eingehalten – es dürften nur keine neuen eingegangen werden. "In Ausnahmefällen können Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden."

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Mittwoch vergangener Woche einer Klage der Unionsparteien stattgegeben und verkündet, dass die Bundesregierung Gelder, die ursprünglich zur Bekämpfung der Corona-Krise gedacht waren, nicht für Klimaschutzprojekte oder andere Zukunftsinvestitionen verwenden darf.

Die Änderung des Nachtragshaushalts 2021 wurde damit als verfassungswidrige Umgehung der Schuldenbremse eingestuft. Dadurch ist eine 60-Milliarden-Finanzierungslücke entstanden. Bei einem regulären Bundeshaushalt von 476 Milliarden Euro.

Die Urteilsbegründung dürfte sich aber noch auf weitere Sonderfonds auswirken – was möglicherweise auch von den Klägern nicht beabsichtigt war.

Abschaffung, Aussetzung oder Reformierung der Schuldenbremse?

Doch in Stein gemeißelt ist das nicht: Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag könnte die erst seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wieder abgeschafft werden. Das fordert aktuell die Partei Die Linke. Von SPD-Chefin Saskia Esken kam zumindest der Vorschlag, die Schuldenbremse für 2023 und 2024 auszusetzen.

Dem schloss sich am Montag der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich an: "Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen - womöglich auch länger", sagte Mützenich dem Stern.

Der Ökonom Marcel Fratzscher meint zumindest, sie sei "so, wie sie jetzt gestaltet ist", nicht mehr sinnvoll, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vergangene Woche dem MDR. Er sieht deshalb Reformbedarf: Zukunftsinvestitionen seien "gute Schulden", auf die ein solches Instrument nicht angewendet werden sollte.

Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montagabend: "Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte", sagte der Grünen-Politiker in den ARD-Tagesthemen. Sie sei "sehr statisch" und mache keinen Unterschied zwischen Geldern, die im Laufe des Jahres ausgegeben werden, und Investitionen in die Zukunft, die sich erst nach Jahren rechnen.