Historisches SETI-Signal ohne Kosmogramm

Seite 5: Quo vadis, 'Wow'-Signal?

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Was nun? Was könnte eingedenk des dubiosen Ohio-Funkfeuers das wahrscheinlichste Erklärungsmodell sein, mit dem nach 40 Jahren wildem Rätselraten um die wahre Quelle des Signals allen weiteren Spekulationen Einhalt geboten wird? Könnte die Menschheit seinerzeit unwissentlich tatsächlich einen Funkfetzen einer außerirdischen intelligenten Radiobotschaft aufgefangen haben, womöglich von einem Absender, der uns in altruistisch-friedliebender Form ein Kosmogramm als Botschaft des Friedens zusenden wollte? Oder könnte es sein, dass uns eine aggressiv gesinnte außerirdische Macht vor vier Dekaden eine elektromagnetische Büchse der Pandora schicken wollte?

Fakt ist und bleibt: Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass uns vor 40 Jahren eine intelligente Lebensform aus den Tiefen des Alls - aus welchen Motiven auch immer - kontaktiert hat. Wer mit Erklärungen aufwartet und dabei behauptet, die wahre Quelle, Herkunft und Absicht des Ohio-Funkfeuers zu kennen, verkennt selbst die Fakten oder verdreht diese bewusst. Es wäre fahrlässig und in jeder Hinsicht unwissenschaftlich, das legendäre Signal automatisch auf die Stufe einer intelligenten Flaschenpost zu stellen.

Die Arecibo-Nachricht vom Frank Drake aus dem Jahr 1974 war das stärkste Radiosignal, das unseren Planeten jemals verlassen hat. Wie würde eine außerirdische Technologie reagieren, wenn es später einmal Funkfetzen davon aufschnappen würde? Bild: NRAO/Cornell/Drake

Schließlich könnten wir seinerzeit auch ein fragmentarisches elektromagnetisches Abfallprodukt eines uns bislang unbekannten astrophysikalischen Phänomens aufgeschnappt haben. Oder womöglich sorgte ein sowjetischer Spionage-Satellit oder eine verirrte irdische Forschungssonde für die ganze Aufregung. Die Koordinaten solcher einsamen Vagabunden im Orbit und Raum kann selbst der beste Prophet nicht vorhersehen.

Die banalste Erklärung für das von Jerry Ehman aufgezeichnete weltberühmte Signal lieferte Ehman selbst, als er 1994 konzedierte, dass sein Signal vielleicht ein "erdgebundenes" war, verursacht von einer Reflexion eines Stücks Weltraumschrotts. Noch heute hält er dieses Szenarium für denkbar, wenngleich auch für unwahrscheinlich.

Jerry Ehman. Bild: SETI League

Seine Erklärungsnot spiegelt zugleich das Dilemma wider, mit dem er in den letzten 40 Jahren haderte. Während nämlich immer mehr unkritische SETI-Anhänger die "Botschaft" von 1977 mystifizieren, glorifizieren und bewusst in die Nähe eines ersten echten außerirdischen Kontaktversuchs rücken, sucht er als Entdecker wie viele seiner Kollegen nach wissenschaftlich haltbaren Thesen und Erklärungen.

Dennoch pflegt auch er bisweilen den Kult. Aus seiner bislang letzten wissenschaftlichen Publikation (siehe unten), in der er seinen historischen Fund ausführlich beschreibt, geht eindrucksvoll hervor, dass er die Extraterrestren offenbar immer noch nicht ganz abgeschrieben hat:

Ich muss festhalten, dass uns eine außerirdische Intelligenz eine Botschaft geschickt haben könnte, die wir als 'Wow!'-Quelle empfangen haben. (…) Als Wissenschaftler muss ich natürlich abwarten, ob ein weiteres Signal wie die 'Wow'!-Quelle registriert wird, die von verschiedenen Observatorien empfangen und analysiert werden kann. Daher muss ich folgern, dass die Quelle des 'Wow!'-Signal für mich bis heute eine unbeantwortete Frage bleibt. Es gibt einfach zu wenig Daten, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich bin nicht in der Lage, zu beweisen, ob wir damals ein Signal von einer extraterrestrischen Intelligenz erhalten haben oder nicht. Somit bleibt das 'Wow!'-Signal mehr als drei Dekaden nach seinem Auftauchen ein faszinierendes Mysterium.

'Wow!' - A Tantalizing Candidate - Jerry R. Ehman, in: Searching for Extraterrestrial Intelligence. SETI Past, Present and Future. Hrsg.: H. Paul Such, Springer, Chicester/UK 2011, S. 47-64.

Eine kleine Reise ins Zentrum unserer Galaxie, dorthin, wo die Ursprungsquelle des gleichnamigen Signals liegen könnte.

Computerausdruck 'Wow!'-Signal in höherer Auflösung.

Buchtipp: Gerritzen, Daniel: Erstkontakt. Warum wir uns auf Außerirdische vorbereiten müssen, Franckh Kosmos Verlag, Stuttgart 2016.

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