Hochwasser im Schön-Wetter-Neoliberalismus

Seite 2: Löchrige Kommunikationswege

Der DWD hatte auf der Grundlage seiner eigenen Analysen am Montag eine Unwetterwarnung veröffentlicht - drei Tage vor den schweren Niederschlägen. Am Mittwoch folgte eine weitere Warnung. Das Problem scheint zu sein, dass in den meisten Gebieten niemand auf die Idee kam, rechtzeitig zur Evakuierung aufzufordern.

An welchen Stellen im Einzelnen die Kommunikationswege nicht funktionierten, sollte am besten ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären. Aber eines ist sicher: Es reicht nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger irgendwie wissen, dass es viel regnen wird.

Es müssen vielmehr hydrologische Modelle der einzelnen Täler und Wasserläufe genutzt werden, um mit den Vorhersagen der Meteorologen Wasserstände zu prognostizieren. Auf dieser Grundlage müssen dann bei vorher geklärten Zuständigen Evakuierungsaufforderungen ausgesprochen werden. Außerdem muss derlei mit den betroffenen Behörden wie auch den Bewohnerinnen und Bewohnern von Zeit zu Zeit durchgespielt werden.

Von all dem kann keine Rede sein. Die am EFAS-Aufbau einst beteiligte Wissenschaftlerin Hannah Cloke spricht völlig zu Recht von einem "monumentalen Versagen". Wie im Falle der Corona-Pandemie gab es trotz des vorhandenen Wissens um die Gefahren keinerlei Vorbereitung auf den Katastrophenfall.

So geht es eben im Schön-Wetter-Neoliberalismus zu, der sich "überflüssige" Ausgaben wie Katastrophenschutz sparen will. Lieber verhöhnt man die Wissenschaft, kriminalisiert Klimaschützer und schaltet gegebenenfalls auf autoritäre Lösungen um. Und der für all das Verantwortliche möchte nach eigenen Aussagen demnächst auch das ganze Land auf diese Art regieren.

Hunger in Madagaskar

Ansonsten wäre noch zu berichten, dass die Staatsanwaltschaft nach drei Jahren nun doch einen Verdacht hat, die Bundeswehr könnte 2018 im Emsland im westlichen Niedersachsen fahrlässig einen Busch- und Waldbrand ausgelöst haben. Zwölf Quadratkilometer Moor brannten ab, nachdem ein Bundeswehr-Kampfhubschrauber Luft-Boden-Raketen abgeschossen hatte.

Überraschend kann das eigentlich nicht gewesen sein, denn es herrschte eine schwere Trockenheit. Die Löschfahrzeuge der Bundeswehr an ihrem Truppenübungsplatz bei Meppen waren zudem nicht einsatzfähig. Trotzdem hat sich die Verfolgungsbehörde bis heute Zeit gelassen, einen "Anfangsverdacht" zu erkennen, wie die Berliner Tageszeitung taz berichtet. Die Sache bleibt also spannend.

Schließlich sollte noch an die Hungerkrise im südlichen Madagaskar erinnert werden. Eine schwere, Ernte vernichtende Dürre hat sie ausgelöst, die die Bauern ohne Einkommen und Mittel zur Selbstversorgung dastehen lässt. Das Nahrungsmittelprogramm der Vereinten Nationen ruft dringend zu Spenden auf. Das Land erlebe seine schlimmste Dürre in 40 Jahren. 78 Millionen US-Dollar würden aktuell für ein Hilfsprogramm benötigt, mindestens 1,14 Millionen Menschen seien auf Lebensmittelhilfen angewiesen.

US-amerikanische Klimabewegte erinnern in einem offenen Brief an US-Präsident Joe Biden an die Verantwortung der reichen Staaten. Die USA seien mit ihrem Anteil von lediglich vier Prozent an der Weltbevölkerung für 26 Prozent der gegenwärtigen Treibhausgasemissionen verantwortlich, ganz Afrika emittiert hingegen mit einem Bevölkerungsanteil von 17 Prozent weniger als drei Prozent der Treibhausgase.

Die USA müssten sich daher entsprechend großzügiger bei den Hilfen zeigen. Um das Leiden in Madagaskar zu beenden, den Menschen und ihren Gemeinschaften wieder auf die Beine zu helfen bedürfe es weniger als die Vereinigten Staaten an einem einzigen Tag für ihr Militär ausgeben.

Das wären knapp zwei Milliarden US-Dollar (1,7 Milliarden Euro) also nicht einmal 20 Prozent der Summe, mit der die Bundesregierung im vergangenen Jahr, ohne irgendwelche Bedingungen zu stellen, der Lufthansa über die Corona-Krise hinweghalf.