Hochwasser im Schön-Wetter-Neoliberalismus
- Hochwasser im Schön-Wetter-Neoliberalismus
- Löchrige Kommunikationswege
- Auf einer Seite lesen
Die Energie- und Klimawochenschau: Von Fluten, Dürren, Waldbränden, niederländischen Wasserräten und einer Politik ohne jede Vorsorge
Die Aufräumarbeiten in den Hochwassergebieten sind im vollen Gange und in Deutschland spricht alles über die Überschwemmungen, die Klimakrise, die Hilfsbereitschaft, das Politikerversagen und den Katastrophentourismus. Doch beginnen wir diese Wochenschau ausnahmsweise einmal mit einer guten Meldung, denn diese gehört in diesen unruhigen Zeiten doch eher zu den raren Dingen.
Grönland hat der Förderung von Erdöl und -gas eine Absage erteilt, meldet die Nachrichtenagentur AP. Grund sei der Klimawandel. Vor der Insel würden Lagerstätten vermutet, doch bisher sei noch kein Öl gefunden worden.
In einer Erklärung der grönländischen Autonomieregierung heißt es, dass erst vor kurzen in einer geologischen Untersuchung vor der Westküste der Insel große Lagerstätten identifiziert worden seien. Die Regierung sei aber der Ansicht, dass die Kosten für die Ausbeutung zu hoch seien.
Das sei zunächst eine ökonomische Abschätzung - was angesichts des starken Eisgangs vor den Küsten nachvollziehbar ist, gegen den Bohrinseln aufwendig geschützt werden müssten. Jedoch hätten auch der Klimawandel und Auswirkungen auf die Umwelt eine zentrale Rolle für die Entscheidung gespielt.
Es sollten daher keine neuen Lizenzen für die Erschließung von Feldern mehr ausgegeben werden. Ebenso soll auf den Abbau von Uran verzichtet werden. Die Entscheidung wurde auch getroffen, um die Fischerei und die Tourismusbranche zu schützen und zu fördern. Außerdem wolle man mehr auf erneuerbare Energieträger setzen, darunter auch Wasserkraft.
Zurzeit sind Grönlands Küsten, bis auf den äußersten Norden übrigens weitgehend eisfrei, wie auf einer Auswertung von Satellitenmessung der Uni-Bremen zu sehen ist. Das arktische Meereis zieht sich im Augenblick in sehr raschem Tempo zurück und gibt bereits weitaus mehr Ozean frei, als noch vor 20 Jahren denkbar gewesen wäre.
Klimakrise auf allen Kontinenten
Doch kommen wir zu den aktuellen Klimakatastrophen, nicht ohne noch schnell daran zu erinnern, dass Deutschland keineswegs das einzige heimgesuchte Land ist. In den vergangenen Woche gab es auch auf anderen Kontinenten schwere Überschwemmungen, zum Beispiel im indischen Mumbai in den nigerianischen Bundesstaaten Lagos und Taraba, im Iran und in Antioquia in Kolumbien.
In Mumbai waren in der Nacht zum Sonntag über 200 Liter auf den Quadratmeter gefallen und Teile der Stadt überflutet worden. Über 30 Menschen starben dabei.
Derweil hat der Südwesten der USA nach zwei Jahrzehnten Dürre unter zunehmender Wasserknappheit zu leiden und anderswo brennen weiter die Wälder. Zum Beispiel in Sibirien. Aus der dortigen Großstadt Jakutsk berichtet die Sibirien Times, dass die Bevölkerung wegen dichten Rauchs aufgefordert wird, die Häuser nicht zu verlassen.
Die Region erlebt seit drei Monaten eine Hitzewelle. Jakutsk liegt in Ostsibirien auf dem 62. Breitengrad an der Lena und gilt als die kälteste Großstadt der Russischen Föderation. Hier ein am Dienstag veröffentlichtes Video von den Bränden, das aus einem Hubschrauber gedreht wurde.
Hochwasser in Belgien
Auch Deutschlands Nachbarländer hatten in den letzten beiden Wochen unter starken Niederschlägen zu leiden. Euronews berichtet am vorgestrigen Montag aus Niederösterreich von kräftigen Niederschlägen und über die Ufer tretenden Bächen. Auch im Salzburger Land, in Oberösterreich, in Tirol und in der Steiermark hätten Tausende Einsatzkräfte gegen die Unwetter gekämpft. Personen seien nicht zu Schaden gekommen.
Beim Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation hieß es am Mittwoch vergangener Woche, dass in weiten Teilen des Landes Hochwassergefahr herrscht. Unter anderem führten die Westschweizer Rheinzuflüsse erhebliche Mengen Wasser. Auch in Liechtenstein schreibt das Liechtensteiner Vaterland über Überschwemmungen und Murenabgänge. Mit Letzterem sind abrutschende Hänge gemeint, aber dieser süddeutsche Begriff dürfte in diesem Katastrophensommer endgültig auch im Norden Verbreitung gefunden haben.
Die Benelux Staaten waren von dem gleichen Unwettergebiet betroffen, wie auch Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. In Belgien werden mindestens 31 Todesopfer beklagt hieß es am Sonntag. 163 wurden noch vermisst. Noch diese Woche soll es für sie einen nationalen Trauertag geben. Vor allem die nach Deutschland fließende Mosel und die nach Norden in die Niederlande fließende Maas traten über die Ufer.
In Liege (Lüttich) wurden Teile der Stadt überflutet und mussten evakuiert werden, als die Maas über die Ufer trat, beschreibt der US-Radiosender NPR die Situation am Samstag. Er habe noch nie etwas derartiges erlebt, wird ein 81-jähriger Anwohner zitiert. Premierminister Alexander de Croo meint, dass es sich um die schlimmsten Hochwasser handeln könnte, die sein Land je erlebt habe. Rettungskräfte aus Frankreich und Italien helfen beim Aufräumen und der Suche nach Vermissten.
Die Niederländer können es besser
Auch im Nachbarland hat es mit den rechtzeitigen Warnungen der Bevölkerung nicht überall geklappt. Entsprechend gibt es nun auch dort eine Diskussion, weshalb die Warnungen des Europäischen Hochwasserwarnsystems EFAS nicht rechtzeitig in den Kommunen angekommen sind.
De Liberale Wereld verweist darauf, dass in Limburg, in den benachbarten Niederlanden, die Menschen rechtzeitig aus gefährdeten Gebieten evakuiert wurden, und fragt, weshalb dies in Belgien nicht geschah, obwohl auch die dortige Regierung informiert war.
Habe es etwa in den Risikogebieten kein koordiniertes Warnsystem gegeben? Eine Frage, die sich auch in Deutschland aufdrängt. Das Blatt zitiert den an der Universität von Reading in Großbritannien, wo auch EFAS beheimatet ist, arbeitenden Meteorologen Jeff Da Costa:
Es gibt Systeme, die uns schützen. Wettermodelle haben eine ausreichend hohe Auflösung, um uns oft rechtzeitig zu warnen. Aber irgendwo auf dieser Linie von den Meteorologen bis zur Öffentlichkeit gibt es eine Lücke. Gewöhnliche Menschen zahlen den Preis dafür - manchmal mit ihrem Leben.
Jeff Da Costa
In den Niederlanden hat es besser geklappt. Dort sind kein Opfer zu beklagen. Das dürfte am dortigen, wesentlich besseren Vorwarnsystem gelegen haben. Nach einem Bericht des US-Senders CNN hat dort die Kommunikation zwischen Behörden und Bevölkerung geklappt
Der Sender und die von ihm zitierten Fachleute führen das auf die lange Tradition des sehr niedrig liegenden Landes im Umgang mit Flüssen und Meer zurück. Unter anderem gebe es eine allein für Dämme und Wassermanagement zuständige zentrale Behörde und ein Netzwerk örtlich gewählter Wasserräte, die sich ausschließlich um Hochwasserschutz, Trinkwasserversorgung und Abwässer kümmern.
Erftstadt
Hierzulande wird die Zahl der Hochwassertoten inzwischen mit über 160 angegeben, aber noch immer werden viele Menschen vermisst. Besonders tragisch waren die Vorgänge in Erftstadt nordwestlich von Bonn.
Dort war ein Bach über die Ufer getreten und hatte sich in eine wenige hundert Meter vom Ort entfernte Kiesgrube ergossen. Die durch die Strömung verursachte drastisch Bodenerosion setzte sich rasch bis zum Ortsrand fort, wo mehrere Häuser unterspült und in den Abgrund gerissen wurden. Unklar ist bisher wie viele Menschen in den Trümmern dieser Häuser starben.
Auf Openstreetmap.org ist sowohl die von einer RWE-Tochter betriebene Kiesgrube als auch die weggespülte Fläche zu sehen. Mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg seien eingestürzt, schrieb die Kölnische Rundschau am Wochenende, die auch Luftbilder veröffentlichte.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in dem Bundesland, das nach den neuesten, eher überraschenden, Bekundungen seines Ministerpräsidenten Armin Laschet mehr für den Klimaschutz tut als irgendein anderes Bundesland, Windräder 1.000 Meter Abstand zur nächsten Wohnbebauung halten müssen. Tagebaue, Kraftwerke und Kiesgruben können den Bürgern hingegen deutlich näher auf die Pelle rücken. Was dabei herauskommen kann, kann derzeit in Erftstadt beobachtet werden.
Keine Überraschung
Nun ist es nicht so, dass irgendetwas von all dem überraschend gekommen wäre. Dass die Hochwasser in Europa dramatischer werden hatte bereits letztes Jahr eine Studie gezeigt, über die Telepolis berichtete. Auch hatte der IPCC, der sogenannte Weltklimarat, bereits 2017 auf ein vermehrtes Hochwasserrisiko namentlich im Einzugsgebiet des Rheins hingewiesen (PDF, Seite 203).
An konkreten Warnungen gab es ebenfalls keinen Mangel. Wie oben bereits erwähnt, hatte es frühzeitige Benachrichtigungen des EFAS-Systems an die betroffenen Staaten gegeben. Insgesamt gingen über 25 Meldungen heraus.
In Deutschland landeten diese beim Deutschen Wetterdienst DWD, auch wenn sich die Bundesregierung am Montag noch skandalös ahnungslos über die konkreten Kommunikationswege zeigte. Zu diesen Warnungen gehörten auch konkrete Aussagen für einzelne Risikoregionen.