Hunderttausende Ukrainer vor Kriegsdienst geflohen – Kiew erwägt Auslieferungsgesuch
20.000 Männer im wehrpflichtigen Alter wurden an der Ausreise gehindert. Manche kamen bei Fluchtversuchen zu Tode. Wie Asylchancen in Deutschland stehen.
Die ukrainische Regierung in Kiew erwägt nach Medienberichten, die Auslieferung illegal ausgereister Männer im wehrpflichtigen Alter aus EU-Staaten zu beantragen. Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat sind mehr als 650.000 ukrainische Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren als Geflüchtete in der EU, Norwegen, der Schweiz und Liechtenstein registriert. Für Männer zwischen 18 und 60 Jahren in der Ukraine gilt seit Beginn der russischen Invasion ein Ausreiseverbot.
Ukrainische Behörden haben seither rund 20.000 Männer dieser Altersgruppe am Verlassen des Landes gehindert. Rund 14.600 von ihnen seien bei versuchten illegalen Grenzübertritten aufgegriffen worden, etwa 6.200 weitere hätten gefälschte Ausreisegenehmigungen vorgezeigt, sagte ein Behördensprecher laut einem Bericht des Deutschlandfunks vom Mittwoch.
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Die Männer wurden demnach vor allem an den Grenzabschnitten zu Rumänien und Moldau festgenommen. Während der Fluchtversuche sei es auch zu mehreren Todesfällen gekommen.
Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern unterdessen sowohl Russland und Belarus als auch die Ukraine zur Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung auf.
Asylchancen stehen selbst für russische Wehrdienstflüchtige schlecht
"Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der bereits zu hunderttausenden Toten und Verletzten sowie Millionen Geflüchteten geführt hat", heißt es im Aufruf zu einer Aktionswoche zum diesjährigen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember.
"Viele Menschen aus Russland und Belarus, aber auch der Ukraine, denen der Kriegsdienst droht, versuchen sich diesem zu entziehen: Sie wollen keine anderen Menschen töten und auch nicht in diesem Krieg sterben." Die EU und die Bundesregierung werden aufgefordert, die Grenzen für Deserteure und Wehrdienstpflichtige zu öffnen und ihnen Asyl zu gewähren.
Letzteres ist aber hierzulande aber nicht einmal für russische Männer im wehrpflichtigen Alter selbstverständlich – obwohl dies der Ukraine helfen könnte, der russische Angriff von der deutschen Bundesregierung verurteilt wird und die Kiewer Truppen unter anderem von Deutschland mit Waffen beliefert werden.
Nach Informationen von Connection e.V., einer internationalen Organisation zur Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern, lehnte das Bundesamt für Migration in diesem Jahr Asylsuchende aus Russland mit der Begründung ab, dass deren Rekrutierung "nicht beachtlich" wahrscheinlich sei – eine deutsche Botschaft lehne dagegen Visumsanträge junger russischer Männer ab, weil sie zu dem Personenkreis gehören, "der in Russland potentiell von der Teilmobilisierung für die russischen Streitkräfte betroffen ist". Deshalb liege in absehbarer Zeit keine Rückkehrbereitschaft vor, heißt es dann zur Begründung.