IPCC-Bericht: "Es bedarf eines Quantensprungs beim Klimaschutz"
Energie und Klima – kompakt: Weltklimarat fordert vor allem von den Industriestaaten, die Emissionen radikal zu reduzieren. Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas müsse jetzt schnell geschehen, warnt Guterres. Warum die Wende eine Wohlstandgarantie ist.
Die durchschnittliche globale Temperatur lag im letzten Jahrzehnt bereits um 1,1 Grad höher als im Zeitraum von 1850 bis 1900 und eine Erwärmung um 1,5 Grad wird schon in diesem, spätestens im nächsten Jahrzehnt erreicht sein.
Die Folgen des Klimawandels sind in Wetter- und Klimaextremen deutlich zu spüren und "verwundbare Bevölkerungsgruppen, die historisch am wenigsten zum aktuellen Klimawandel beigetragen haben, sind unverhältnismäßig stark betroffen", so ist in den Hauptaussagen des am Montag veröffentlichten Syntheseberichts des Weltklimarats (IPCC) zu lesen.
Der Bericht fasst die Ergebnisse der Arbeit der letzten Jahre, des sechsten Berichtszeitraums, zusammen und vereint damit sechs Berichte, an denen Tausende von Wissenschaftler:innen ehrenamtlich mitgewirkt haben. Allerdings sind die Formulierungen des Syntheseberichts noch einmal das Ergebnis politischer Abstimmungen.
Das Zeitfenster zum Handeln schließt sich rapide, ist eine der Kernaussagen, die auch schon in den vorangegangenen Berichten zum Ausdruck kam. "Anpassungsmaßnahmen sind bei noch höheren Temperaturen weniger effektiv", betont der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee auf der Pressekonferenz am Montag. In einigen Regionen und Ökosystemen sind auch die Grenzen der Anpassung schon erreicht, heißt es im Synthesebericht.
In besonders verwundbaren Gebieten ist das Risiko, bei Stürmen, Überschwemmungen oder Dürren ums Leben zu kommen, fünfzehnmal höher als in anderen Weltregionen. Klimabedingte Risiken werden nach jetzigem Wissensstand als höher eingeschätzt als noch im fünften Berichtszyklus des IPCC. Hinzu kommen nicht-klimatische Risiken, die auch die klimatischen Risiken schwieriger beherrschbar machen.
Während Inger Andersen, Direktorin des UN-Umweltprogramms (UNEP) konstatiert: "Unser kollektives Versagen, die Emissionen zu senken, hat uns auf einen Pfad gebracht, auf dem wir 1,5 Grad überschreiten", bemüht sich Hoesung Lee trotzdem, eine Botschaft der Hoffnung zu verbreiten.
Technologie, Wissen und Werkzeuge, um den Klimawandel zu stoppen, stünden bereitet. Und der Synthesebericht sei eine sehr effektive Richtlinie für politische Entscheidungsträger:innen. Um sie umzusetzen, bräuchte es nur klaren politischen Willen, öffentliche Unterstützung für sofortiges Handeln und die persönliche Motivation jedes und jeder Einzelnen. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte in seiner Rede zur Veröffentlichung des Berichts:
Es wird gezeigt, dass die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze erreicht werden kann. Aber es bedarf dafür eines Quantensprungs beim Klimaschutz.
"Tiefgreifende, schnelle und anhaltende Minderung der Treibhausgasemissionen" würde innerhalb von zwei Jahrzehnten spürbare Wirkung zeigen, die Erwärmung würde sich dann zumindest wieder verlangsamen, ist im IPCC-Synthesebericht zu lesen.
Noch in diesem Jahrzehnt muss die tiefgreifende Wende kommen
Was nach Ansicht der Mitwirkenden fehlt, sowohl um den Treibhausgasausstoß rapide zu senken, als auch um die nötige Anpassung an den Klimawandel zu leisten, sind ausreichende finanzielle Mittel. Im Bereich der Klimaanpassung alleine müssten die Ausgaben um das Drei- bis Sechsfache gesteigert werden. Aber auch hier heißt es im Bericht:
Es ist ausreichend Kapital vorhanden, um die globalen Investitionslücken zu schließen, aber es gibt Hürden für die Umlenkung von Kapital in Klimamaßnahmen.
Zwischen Klimaschutzmaßnahmen und wirtschaftlicher Entwicklung sehen die Expert:innen keinen Widerspruch, im Gegenteil. In einer "klimaresilienten Entwicklung" würde nachhaltiger Wohlstand für alle gefördert, von Klimaschutz könnten gleichermaßen die menschliche Gesundheit und Ökosysteme profitieren. Lee sieht die Länder, die über Technologien und finanzielle Ressourcen verfügen, auch verpflichtet, in den Regionen zu helfen, wo die entsprechenden Ressourcen fehlen.
Um die Erwärmung ohne oder mit zeitlich begrenzter Überschreitung auf 1,5 Grad bzw. unter zwei Grad zu begrenzen, müssten tiefgreifende Senkungen der Treibhausgasemissionen noch in diesem Jahrzehnt erfolgen. Im Falle einer Überschreitung könnte die Temperatur durch Kohlendioxidentnahme wieder gesenkt werden, allerdings führt der IPCC hier Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit und Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen an.
Eine Überschreitung bringt nachteilige Folgen mit sich, einige davon irreversibel (…).
Je länger anhaltend und je höher eine solche Überschreitung, desto stärker auch die damit einhergehenden Risiken für Gesellschaften und Ökosysteme. Guterres nutzte seine Rede dazu, klare Forderungen speziell an die Industrieländer zu stellen. Diese sollten möglichst schon im Jahr 2040 ihre Emissionen auf netto Null reduzieren.
Insbesondere die OECD-Länder sollten bis 2030 aus der Kohle aussteigen, alle anderen Länder bis 2040. Jegliche Finanzierungen für Kohleprojekte müssten gestoppt werden. Für neue Öl- und Gasprojekte dürfte es keine Genehmigungen mehr geben, existierende Öl- und Gasprojekte dürften nicht ausgeweitet werden.
Die Regierenden der G20 rief Guterres dazu auf, bis zum Ende der diesjährigen Klimakonferenz (COP 28) neue, ambitionierte Emissionsreduktionsziele (NDC) für 2035 und 2040 vorzulegen, die eine Transition aller Sektoren des Wirtschaftssystems beinhaltet.
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