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Im Sumpf der Subventionen

Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr - Teil 20

Die Machtstrukturen im politischen System der repräsentativen Demokratie mit all ihren Verzerrungen und Verkrustungen haben sich Verlauf vieler Jahrzehnte verfestigt: Eine Reform an Haupt und Gliedern scheint nicht mehr möglich. Denn die Selbstzerstörungstendenzen der repräsentativen Demokratien sind so übermächtig, dass sie sich auch dann gegen das System wenden, wenn alle Akteure von dem edlen Willen beseelt sind, sich ihnen mit Macht entgegenzustemmen. Der gute Wille und hehre Absichten allein können die selbstzerstörerische Eigendynamik nicht mehr aufhalten.

Teil 19: Die Euro-Schuldenkrise und die Politik hilflosen Gehampels [1]

Längst ist das politische System der entwickelten repräsentativen Demokratien in aller Welt völlig aus dem Ruder gelaufen. Es befindet sich in einer dauerhaften Schieflage, aus der es kein leichtes und womöglich überhaupt kein Entrinnen gibt. Das wird deutlich an der Gesamtentwicklung ebenso wie an jedem Detail.

Natürlich lassen sich für jedes beliebige Land viele Dinge aufzählen, die aus dem Ruder gelaufen sind. Sich daran festzubeißen, wäre banal. Doch bei den entwickelten repräsentativen Demokratien laufen so viele Dinge so gnadenlos schief, weil das politische System als Ganzes aus den Fugen geraten ist und nichts mehr so demokratisch funktioniert, wie es funktionieren könnte oder sollte.

Geldverschwendung pur: Klientelepolitik mit Subventionen

Eines der fast schon lächerlichen Beispiele ist die Subventionspolitik der öffentlichen Hände. Ein Paradefall für Realsatire. So authentisch komisch wie die Realität der Subventionspolitik in repräsentativen Demokratien kann politisches Kabarett gar nicht sein. Kaum sonst irgendwo verpulvern die demokratisch gewählten Repräsentanten so sinnlos das Geld der Steuerzahler für dermaßen absurde Projekte wie bei den Subventionen.

Es ist eine wirtschaftspolitisch völlig nutzlose Geldverschwendung, die nur den gerade regierenden politischen Parteien nützt, der Bevölkerung, der Wirtschaft und dem gesamten Staatswesen jedoch immens schadet.

Man könnte sich trösten und sagen: Das kann passieren. Wo Menschen zusammenwirken, geht öfter mal etwas in die Binsen. Und sicher kann es ein funktionierendes politisches System auch verkraften, wenn ab und zu mal Gelder an politische Freunde verschoben werden. So was passiert nun mal.

Aber darum geht es nicht. Die gewählten Repräsentanten verpulvern Milliardenbeträge für Subventionen, weil sie damit den Gewinn und den Erhalt der eigenen Macht finanzieren. Und dieses strukturelle Problem haben nur die repräsentativen Demokratien. Die sozialen Kosten des Systems sind viel zu hoch und werden in mehrstelligen Milliardenbeträgen berechnet. Kein politisches System der Neuzeit kann sich jedoch auf lange Sicht den Luxus einer Politikerkaste leisten, die wesentlich mehr kostet, als sie leistet.

Die Gründe liegen auf der Hand: Nirgendwo sonst haben die Politiker ein - allein aus ihrer Sicht - so geschmeidiges Instrument, mit dem sie Klientelepolitik treiben, ihre Wähler bei der Stange halten und relativ unkontrolliert das Geld der Steuerzahler verprassen können - und das alles unter dem Deckmantel von Maßnahmen, die angeblich den Benachteiligten und Unterprivilegierten Nothilfe und Unterstützung angedeihen lassen sollen. Die schnöde Verschwendung tarnt sich auch noch als Hilfe in der Not für die Armen, Entrechteten und Unterprivilegierten.

Das ist ja eine der Abstrusitäten der demokratischen Systeme: Die Politiker ziehen den Steuerzahlern systematisch Geld aus der Tasche und verteilen es an andere. Noch primitiver hat sich nur noch Erich Honecker in der DDR verhalten, wenn er zu Weihnachten Bananen verteilen ließ. Und die so "Beschenkten" sind dann auch noch froh und dankbar für den warmen Segen, der sich über sie ergießt, und wählen womöglich die politischen Parteien, denen sie das zu verdanken haben. Bloß in der DDR gab’s nur einmal im Jahr Bananen; denn da musste niemand wiedergewählt werden. In einer repräsentativen Demokratie regnet’s ohne Pause goldene Bananen. Bildlich gesprochen.

Dabei können Staaten nur Gelder "verschenken", die sie zuvor den Steuerzahlern abgeknöpft haben. Sie verfügen nun einmal über keine eigenen Geldquellen und benutzen die Steuereinnahmen als Instrumente, um mit Hilfe von Subventionen Wahlgeschenke über Land und Leute zu verstreuen.

Das tun sie natürlich nicht aus Gutherzigkeit wie der Weihnachtsmann. Sie folgen einem Kalkül. Die Wahlgeschenke sollen die Freundschaft ihrer Klientels und die damit die je gerade herrschenden Parteien an der Macht erhalten. Die große Koalition führt das Prinzip gerade dieser Tage eindrucksvoll mit ihrem Rentenpaket vor: Die CDU erfüllt mit der Mütterrente einen Herzenswunsch von CSU und Frauenunion, und die SPD bedient mit der abschlagsfreien Rente mit 63 die Gewerkschaften. Beide bedienen damit nach den Worten des Wirtschaftswissenschaftlers Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialpolitik "eine klar definierte Klientel".1 [2] Die Zeche für dieses Wahlgeschenk zahlen die abhängig Beschäftigten und ihre Arbeitgeber.

Ohne die Reform hätten die Rentenbeiträger im Januar von 18,9 auf 18,3 Prozent des Bruttolohns sinken müssen. Um die neuen Wohltaten zu finanzieren, setzte die Regierung die Entlastung einfach aus.

Und der Etikettenschwindel ist immer der Gleiche:

Es ist das Dauerdilemma der Politik. Indem der Sozialstaat Löcher schließen will, die er selbst geschaffen hat, reißt er neue Gräben auf.

Moderne Raubritter ohne jede Ritterlichkeit

Oft wird sogar den gleichen Personenkreisen das Geld an der einen Stelle aus der Tasche gezogen, denen es an der anderen Stelle und in anderer Form wieder hineingestopft wird. Man könnte darüber lachen, wenn das wenigstens Spuren von Situationskomik hätte.

Wieso sich manche der auf diese krumme Tour Beschenkten auch noch darüber freuen und dankbar erweisen, ist ganz und gar unverständlich; denn die Vorgänge, bei denen den Leuten das Geld an einer Stelle aus der Tasche gezogen und an der nächsten Stelle wieder hineingestopft wird, sind nicht wirklich schwer zu durchschauen.

Solche Wahlgeschenke sind ein gigantischer Etikettenschwindel. Niemand bekommt etwas geschenkt. Die Politiker und der Staat haben überhaupt nichts zu verschenken. Sie haben es nur anderen genommen und meinen, sie hätten dafür auch noch den Applaus des Publikums verdient. Sie sind kaum mehr als moderne Raubritter ohne jede Ritterlichkeit, und die Finanzämter sind ihre willigen Vollzugsgehilfen.

Die Gesamtheit der in Deutschland pro Jahr gezahlten Subventionen beläuft sich auf 164 Milliarden Euro.2 [3]Das ist Geld, das die Steuerzahler zunächst einmal in Form von Steuern gezahlt haben. Die Einnahmen aus Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer belaufen sich auf rund 159 Milliarden Euro.3 [4]

Wenn die Subventionen wegfielen, stünde der Bevölkerung also ein höherer Betrag als das Gesamteinkommen der Steuerpflichtigen als zusätzliches Einkommen zur Verfügung, das Land hätte eine blühende Wirtschaft, und das Geld könnte zudem auch noch in ökonomisch sinnvolle Aktivitäten fließen und alle Wettbewerbsverzerrungen aus der Welt schaffen.

Natürlich ist das so gesehen eine Milchmädchenrechnung. Aber die könnte wohl doch den Blick dafür öffnen, dass vorhandene Gelder sinnvoller als für wirtschaftlich unsinnige Subventionen eingesetzt werden könnten: Die 164 Milliarden Euro werden ja allesamt in wirtschaftlich nicht rentable Objekte gesteckt.

Wenn man diese immensen Summen stattdessen den Steuerzahlern erst gar nicht abknöpfen würde, wäre der Wirtschaft viel besser gedient. Das Land würde aufblühen, und marode Firmen würden nicht künstlich und krampfhaft am Leben erhalten.

Allerdings verlören die Politiker und Politbürokraten damit auch die Möglichkeit, sich als großmütige Mäzene notleidender Wirtschaftszweige zu produzieren. Und deshalb ist das nur eine schöne, aber kindlich-naive Utopie.

Die Realität sieht anders aus: Die Vertreter in den politischen Entscheidungsgremien der repräsentativen Demokratien werden auf diese Waffe im Kampf um politische Macht nicht freiwillig verzichten. Und unter Druck auch nicht; denn es gibt niemanden, der sie ihnen aus der Hand schlagen könnte. Also wird es beim Unfug der massiven und von Jahr zu Jahr wachsenden Subventionen bleiben.

Alle Wirtschaftsfachleute sind sich indessen einig darüber, dass Subventionen grundsätzlich von Übel sind, weil sie den Wettbewerb verzerren. Übrigens völlig unabhängig davon, ob sie eher dem linken oder eher dem rechten Lager zuzurechnen sind. Da gibt es keine einzige Ausnahme und keinen, der anderer Ansicht ist. Und das hat gute Gründe.

In einer Marktwirtschaft werden alle wirtschaftlichen Aktivitäten über den Mechanismus der relativen Preise gesteuert und koordiniert. Daher ist grundsätzlich alles schädlich, was die Informations-, Lenkungs- und Anreizfunktion der relativen Preise verzerrt.

Dennoch können Subventionen - rein theoretisch - für eine begrenzte Zeit auch ökonomisch sinnvoll sein. Nämlich dann, wenn es darum geht, vorübergehende Engpässe und Notsituationen zu überwinden. Aber eben wirklich nur für einen sehr eng begrenzten Zeitraum und nicht als Dauereinrichtung.

Doch genau zu dieser zeitlichen Begrenzung von Subventionen ist die parlamentarische Parteiendemokratie nicht in der Lage. Das ist ein klassisches Problem aller entwickelten repräsentativen Demokratien. In anderen politischen Systemen existiert dieses Problem in dieser Form und Ausprägung nicht. Die Politiker, die mit der Geld-Gießkanne übers Land ziehen und Subventionen vergießen, müssten fürchten, dass sie Wähler verlieren, wenn sie Subventionen nach einer Weile wieder stoppen würden.

Subventionen sind jedoch ökonomisch nur sinnvoll, solange ein Markt unvollkommen funktioniert und eine realistische Chance besteht, dass vorübergehende Hilfszahlungen zu einem besseren wirtschaftlichen Ergebnis führen. Aus genau diesem Grunde führen Subventionen, die von demokratisch gewählten Repräsentanten gewährt werden, zwangsläufig in das ökonomische Desaster: Sie perpetuieren sich selbst.

Darüber hinaus jedoch verzerren Subventionen die Marktpreise und bringen das Marktgeschehen aus dem Gleichgewicht. So entstehen gigantische Verluste. Ökonomisch sinnvoll wirtschaftende Unternehmen werden demotiviert, weil sie ihre unwirtschaftlichen Konkurrenten über Steuern auch noch mitfinanzieren müssen.

Und es soll keiner behaupten, dies sei eine marktradikale Argumentation von Anhängern eines enthemmten Kapitalismus. Auch in einer sozialistischen Wirtschaft könnten Subventionen nur für einen begrenzten Zeitraum einen ökonomischen Sinn haben. Über einen längeren Zeitraum hinweg, würden sie der sozialistischen Wirtschaft ebenso schaden.

In der DDR hat man das exemplarisch am Verfall der Bausubstanz verfolgen können. Die Mieten wurden durch politische Entscheidung gezielt auf niedrigstem Niveau gehalten. Dadurch konnten Häuser nicht erhalten werden. Die Bausubstanz in der gesamten DDR verfiel von Jahr zu Jahr. Am Ende waren die meisten Gebäude genau so marode wie das politische System.

Wer Subventionen bekommt, hat keinen Anreiz, wirtschaftlich zu arbeiten. Er bekommt sein Geld ja sowieso - wenigstens so lange, wie er unwirtschaftlich operiert. Warum sollte er da seine wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt in Ordnung bringen?

Durch die gesunkenen Marktpreise werden die Gewinne wirtschaftlich arbeitender Unternehmen kleiner und der Subventionsbedarf zur Erhaltung ohnehin schon unwirtschaftlicher Unternehmen am Markt zusätzlich auch noch erhöht.

Da die nicht subventionierten Unternehmen zum gesunkenen Preis nicht oder nur weniger anbieten können, werden darüber hinaus Arbeitsplätze vernichtet. Im Gegenzug werden dafür in den subventionierten Unternehmen Arbeitsplätze künstlich am Leben erhalten, die im ordentlichen Marktwettbewerb keine Chance hätten.

Subventionen helfen, Unternehmen am Leben zu halten, die auf dem freien Markt nicht lebensfähig wären. Steuergelder werden verschwendet. Es kommt zur Überproduktion stark subventionierter Güter. Subventionen verhindern, dass veraltete Industrien absterben und moderne Industrien wachsen können.

Der Schaden geht weit über die reinen Geldbeträge hinaus, die da verpulvert werden. Subventionen bringen das ganze Wirtschaftssystem in eine Schieflage. Sie sind eines der am verheerendsten wuchernden Krebsgeschwüre demokratischer Systeme.

Es gibt kaum einen größeren wirtschaftlichen Unsinn, als Subventionen über ein Land zu verteilen. Und man könnte hinzufügen: Genau deshalb sind sie ja so beliebt bei demokratischen Politikern und Politbürokraten, weil die nämlich vor keinerlei Unfug zurückschrecken, wenn man denen gestattet, mit dem Geld der Steuerzahler herumzufuhrwerken…

Eine anfangs einmal sinnvolle Subvention kann sich im Laufe der Zeit als ökonomisch nicht mehr notwendig erweisen. Aber angesichts der Trägheit der politischen Prozesse oder infolge des Einflusses von Interessengruppen bleibt sie dennoch bestehen.

Das ist ein gerade in repräsentativen Demokratien virulentes Problem: Nach einigen Jahren haben sich ganze Wirtschaftszweige darauf eingerichtet, auf immer und ewig subventioniert zu werden.

Der ursprünglich vielleicht sogar ernsthaft geplante Wegfall von Subventionen würde dann einen politischen Sturm auslösen: Politiker haben den Betroffenen in Wahlkämpfen zugesagt, dass die Subventionen nicht zurückgenommen werden. Vertreter der subventionierten Wirtschaftszweige und ihre Lobbyisten haben sich in den politischen Parteien und den Parlamenten eingenistet und können nun ihren Einfluss dafür geltend machen, dass die Subventionen weiter fließen. Und den Politikern fällt es ohnehin viel leichter, Subventionen in Millionenhöhe zu verteilen, als sie wieder zurückzudrehen.

Es bereitet der Politik ja keine Mühe, irgendeiner Personengruppe eine Subvention zu bewilligen, wenn man die nicht aus der eigenen Tasche bezahlen muss. Auch dann nicht, wenn es um Millionen- oder gar Milliardenbeträge geht. Aber es ist so gut wie unmöglich - politisch unmöglich -, den Geldsegen wieder abzustellen, wenn die Subvention zurückgenommen werden soll.

Dann wehrt sich die betroffene Klientel nach Kräften gegen die Kürzung ihrer Bezüge. Sie mobilisiert ihre Lobbyisten und ihre Repräsentanten und Fürsprecher in den politischen Parteien. Die betroffenen Personen kommen womöglich in wirtschaftliche Bedrängnis, weil sie mit dem Geld gerechnet haben, und können damit drohen, dass sie die Partei der Subventionskürzer nicht mehr wählen werden.

Das alles ist sehr schwer, und es fällt den politischen Repräsentanten viel leichter, den Steuerzahlern weiter tief in die Taschen zu greifen und deren Gelder auch in Zukunft zu verschleudern.

So dreht sich eine gefährliche Spirale. Subventionen in der Hand von demokratisch gewählten Repräsentanten haben die Tendenz, von Jahr zu Jahr zu wachsen. Politiker haben zwar die Angewohnheit, in publikumswirksamen Veranstaltungen immer und immer wieder zu "fordern", Subventionen sollten wieder abgebaut werden. Aber das bleibt in der Regel nur leeres Politgeschwätz ohne Substanz. Macht sich gut in Talkshows - den neuzeitlichen Stätten haltlosen Geschwafels ohne Sinn, Verstand und Verbindlichkeit.

Subventionen sind erstarrte Instrumente der Klientelpolitik. Und deshalb fummeln die Politiker im Extremfall mal ein bisschen an der einen oder anderen Subvention herum, um Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit vorzutäuschen. Aber im Großen und Ganzen ändert sich jedoch nichts daran, dass die Subventionen in der Regel von Jahr zu Jahr steigen.

Würde die Regierung tatsächlich eine größere Zahl von Subventionen streichen, müsste sie bei der nächsten Wahl mit einer bedrohlichen Zuspitzung ihrer eigenen Lage rechnen. Womöglich würden die Betroffenen sogar dazu aufrufen, die Regierungsparteien nicht wiederzuwählen. Selbst wenn sie es nicht täten, würden die (noch) regierenden Parteien damit rechnen, dass sie die nächste Wahl verlieren könnten. Dieses Risiko werden sie nicht eingehen. Also läuft alles weiter wie bisher. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Subventionen bremsen das Wirtschaftswachstum, vernichten Wohlstand und Arbeitsplätze. Sie kosten viel Geld, das den Steuerzahlern selbst nicht mehr zur freien Verfügung steht, sondern vom Staat verpulvert wird.

Werden Subventionen hingegen gekürzt oder abgeschafft, werden bisher gebremste Marktkräfte gelöst und tragen zu einem höheren Wohlstand für alle bei. Ein nachhaltiger Subventionsabbau würde viel Energie freisetzen und neuen finanziellen Spielraum schaffen, um die Verschuldung zu reduzieren. Und es ergäben sich neue Chancen, die Bürger und Unternehmen steuerlich zu entlasten.

Ein Skilift für die Ostsee

Subventionen streichen, weniger Schulden machen, Steuern senken. Das könnte eine sinnvolle und auch populäre Politik sein. Doch dazu müssten Politiker bereit sein, auf Subventionen als Instrument des Machterhalts zu verzichten. Und das sind sie nicht.

Manche der absurdesten Verirrungen zeigen, wie die Verantwortlichen ohne jede Verantwortung mit den Geldern wirtschaften, die ihnen noch nicht einmal gehören.

Man mag es nicht glauben, aber die folgende Geschichte hat sich wirklich zugetragen: Da hat ein dänischer Bauer 2009 aus lauter Jux eine Subvention für einen Skilift auf der Badeinsel Bornholm in der Ostsee beantragt. Wer Bornholm kennt, der weiß: Die Insel ist so flach wie eine Flunder.

Um die Subvention bewilligt zu bekommen, musste der lustige Landwirt sich mit dem für die Insel zuständigen Berater von Europe Direct, dem zentralen Beratungsdienst der EU, zusammensetzen. Der unterstützte den Antrag. Europe Direct beschäftigt in ganz Europa 474 Berater, die Anträge auf EU-Gelder für lokale Projekte abwickeln.

Man muss sich das nur einmal vor Augen führen: Da hocken in ganz Europa fast 500 festangestellte Mitarbeiter, zu deren wesentlichen Aufgaben es gehört, anderen Leuten, Firmen und Unternehmen dabei zur Hand zu gehen, Geld aus den riesigen Töpfen der EU für Subventionen loszueisen.

Ein Erfolgsmaßstab für ihre Tätigkeit ist es, dass es ihnen gelingt, möglichst viele Subventionen durchzuboxen. Allein schon deshalb besteht keinerlei Hoffnung, dass der Sumpf der Subventionen jemals trockengelegt wird. Die Mitarbeiter von Europe Direct müssten um ihren Job fürchten. Also sorgt jeder Einzelne von ihnen dafür, dass in seinem Bereich möglichst viel subventioniert wird, damit er auch im nächsten Haushaltsjahr wieder viel zu subventionieren bekommt.

Auf jeden Fall gewährte die EU-Kommission dem ski-begeisterten Inselbauer eine Subvention von 100.000 Euro. Und so bekam die Badeinsel tatsächlich einen Skilift auf einem hundert Meter langen Hügel, dazu ein Pistengerät und eine Schneekanone für im Schnitt eineinhalb Tage Skibetrieb im Jahr. Mehr gibt das milde Klima auf der Insel nicht her.

Die Schneekanone war dringend erforderlich, weil es dort so gut wie nie schneit. Das versteht jeder aufgeklärte Mensch sofort: Ohne Schnee kann man ja schließlich gar nicht Skifahren. Man muss also Kunstschnee auf die Piste streuen. Wer dafür kein Verständnis aufbringt, ist ein völlig uneinfühlsamer Klotz.

Und weil das so hervorragend funktioniert hatte, beantragte der lustige Landwirt von Bornholm 2011 gleich noch einmal 150.000 Euro für seine Skianlage. Die muss ja nun regelmäßig gewartet werden. Skianlagen auf Ostseeinseln verschleißen nun einmal leicht. Die raue See und die feuchte Luft zehren am Gestänge.

Auch das wird niemand glauben, ist aber ebenfalls wahr: Der Landwirt bekam tatsächlich noch einmal 150.000 Euro bewilligt. Und nun hat er ja sogar eine Art Präzedenzfall geschaffen. Wenn der Verschleiß der Anlage der EU-Kommission 2011 so viel Geld wert war, dann wird er ja in den kommenden Jahren wieder mit einem steten Geldfluss rechnen dürfen.

Dabei gilt Bornholm als Dänemarks Sonneninsel, weil es dort recht warm ist. Im Winter 2011/2012 konnte die Skianlage sogar noch nicht einmal einen einzigen Tag in Betrieb genommen werden, weil es zu warm war…

Die Praxis sieht so aus, dass staatliche Subventionen in Deutschland und in Europa seit Jahrzehnten gewährt werden und seit Jahrzehnten wachsen. Die Politiker plädieren pro forma immer wieder mal leidenschaftlich für den radikalen Abbau von Subventionen und sorgen anschließend dafür, dass im nächsten Haushalt noch mehr Geld für Subventionen bereit steht.

Solchen Quatsch produzieren die Brüsseler Bürokraten am laufenden Band. So hat die EU in Griechenland rund 80 Prozent der Kosten getragen, die zur Ermittlung von Wehrpflichtigen-Listen anfielen. Welchen Sinn das haben könnte, bleibt schleierhaft. EU-Fördergelder flossen auch in das Training von TV-Showgirls in Neapel, in die Ausbildung von "City Clowns" im finnischen Tampere oder in die bessere Verständigung zwischen dänischen und schwedischen Komponisten in der Öresund-Region.

Imaginäre Rasenmäher können Subventionen auch nicht kürzen

Da nimmt es nicht wunder, dass 2010 wie schon in den Jahren davor ein neuer Höhepunkt der Ausgabenfreudigkeit erreicht wurde. Der Staat und die Europäische Union (EU) haben noch nie zuvor so viel Geld an Subventionen in der Gegend verstreut. Auch in kommenden Jahren dürfte sich daran kaum etwas ändern.

Das geht aus einem Gutachten des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hervor. Beim Bund, den Ländern, den Gemeinden und der Europäischen Union summierten sich alle 2011 gezahlten Subventionen für Deutschland auf 164 Milliarden Euro.

Der gesamte Bundeshaushalt ist gerade mal doppelt so hoch. Das kann man gar deutlich genug hervorheben: Ein Betrag, der halb so hoch ist, wie die Gesamtausgaben des Bundes, wird aus politischen Gründen in marode Unternehmen, Organisationen und Wirtschaftszweige gesteckt.

Das IfW-Gutachten analysiert auch, welche Finanzhilfen und Steuervergünstigungen durch den Bund und im Schulterschluss mit den Ländern gekürzt werden können. Als "realistisches Kürzungspotenzial" ermittelten die Wissenschaftler Subventionen über 58 Milliarden Euro pro Jahr und empfahlen, den Subventionsabbau zeitlich gestreckt mit der "Rasenmähermethode" zu realisieren.

Dabei werden alle Subventionen in gleichem Maße um denselben Prozentsatz gekürzt und nicht einzelne Programme völlig gekippt. Es ist dann nicht mehr notwendig, sich mit den betroffenen Interessengruppen auseinanderzusetzen, da die Kürzung alle in gleichem Maße trifft.

Das wäre sogar eine Methode, die aus politischen Gründen scheinbar einigermaßen leicht durchsetzbar sein könnte. Denn dann müssten alle Betroffenen in gleichem Maße mit Kürzungen rechnen. Da könnte sich keiner beschweren, er werde diskriminiert und schmerzhafter als andere zur Ader gelassen.

Doch in Wahrheit scheint das nur so zu sein; denn dazu müssten die gewählten politischen Repräsentanten das Instrument der Subventionen - und damit einen Teil ihrer politischen Macht - aus der Hand geben. Und das werden sie nicht tun.

Nach einer anderen Studie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität Köln (Fifo Köln) können die öffentlichen Hände in Deutschland kurzfristig 22,4 Milliarden Euro einsparen. 14,6 Milliarden würden auf den Bund entfallen, der übrige Betrag auf Länder und Gemeinden. Mittelfristig wäre gar ein vielfach höheres Sparpotenzial möglich, wenn die Staatsaktivitäten effizienter organisiert würden.

Insgesamt nennt das Fifo Köln zwei Dutzend Posten, deren "soziale beziehungsweise ökonomische Rechtfertigung oder Leistungsfähigkeit sehr fraglich" sind - und die schnell gestrichen werden könnten. Da allerdings lachen die Hühner; denn es fällt nicht schwer, hunderte von absolut absurden Subventionen aufzuzählen, die wesentlich überflüssiger als so mancher Kropf sind…

Nach der Rechnung des Fifo könnte der Staat noch einmal 60 Milliarden Euro jährlich durch effizienteren Mitteleinsatz sparen. Bei der Verwaltung, der Armutsabsicherung, der Infrastruktur, der Schulbildung, der Gesundheit gibt es laut Fifo noch Effizienzreserven, wenn die Regierung als Maßstab die erfolgreichsten Länder in den jeweiligen Bereichen zu Grunde legte.

Allein in der öffentlichen Verwaltung beträgt die deutsche Effizienzreserve im Vergleich zur wesentlich effizienter operierenden Schweiz rund 30 Prozent. Umgerechnet bedeutet dies ein Einsparpotenzial von über 20 Milliarden Euro für den Steuerzahler.

Würde Deutschland in der Armutssicherung dem Beispiel Japans folgen, könnte der Staat rund 21 Milliarden Euro sparen. Weitere vier Milliarden wären in der Infrastruktur möglich, wenn Deutschland es dem Vorreiter Dänemark gleichtun würde. Etwas unklarer ist das Einsparpotenzial in Gesundheit und Schulbildung. Hier schwankt die Summe jeweils deutlich - zwischen drei und 21 beziehungsweise sechs und 21 Milliarden Euro.

Doch so sehr diese Rechenkunststücke auch einleuchten mögen, sie sind von vornherein in den Wind geschrieben. Denn sie sind weltfremd und gehen an der politischen Realität vorbei.

Solche mehr oder auch minder wissenschaftlichen Untersuchungen dienen vorwiegend zum Gaudium des kritischen Publikums. Sie sind vor allem dazu da, die Öffentlichkeit zu unterhalten und ihr etwas Stoff zum Diskutieren vorzuwerfen. Da können die Leute dann trefflich die Vor- und Nachteile der einen oder anderen Maßnahme erörtern und sich so in der Illusion wälzen, es gehe doch alles ziemlich demokratisch zu. Schließlich praktiziert man ja Meinungsfreiheit in Onlineforen, Leserbriefspalten und Talkshows.

Doch politisch haben solche Studien keinerlei Wirkung; denn die Subventionen dienen ja gar nicht der Förderung notleidender Wirtschaftszweige und sind keine wirtschaftspolitischen Instrumente. Es geht auch in Wahrheit nicht um Einsparungspotenziale.

Ein konkreter Blick auf die tatsächlich gewährten Subventionen zeigt: Die Realität hat mit der volkswirtschaftlichen Theorie der Subventionen überhaupt nichts zu tun. Subventionen bekommen Bierbrauereien ebenso wie globale Lebensmittelkonzerne, Großgrundbesitzer, Reedereien, Speditionen, Schnapshersteller, Zirkuswagenfahrer, Landwirte, Matrosen und Betreiber von Biogasanlagen.

Der Staat subventioniert vom Freibier bis zur Zahnprothese fast alles, was ihm vor die Geldspritze kommt. Da werden riesige Summen ohne Sinn und Verstand übers Land verstreut. In zäher Lobbyarbeit haben sich viele Branchen milliardenschwere Vorteile erkämpft, die sie nun nie mehr aufgeben werden.

kosch.htm


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