Industriestrompreis: Wer rettet das Kapital?
Seite 3: Den Firmen kostet ihre Belegschaft immer zu viel
- Industriestrompreis: Wer rettet das Kapital?
- Die Preistreiber sitzen im eigenen Land
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Dass es ihrer Klientel nicht allzu gut geht, bemerken die Gewerkschaften natürlich. Die Ende 2022 abgeschlossenen Tarifrunden bei IG Metall und IG Bergbau, Chemie, Energie lagen dennoch unter der Inflationsrate.
Von einer spürbaren Verbesserung der materiellen Lage der Mitglieder ist ohnehin schon lange nicht mehr die Rede. Stattdessen zeigen die Arbeitnehmervertreter ihre "Verantwortung" für die Lage der Wirtschaft und vereinbaren Abschlüsse, mit denen die Unternehmen leben können, die Beschäftigten hingegen immer weniger.
In der aktuellen Tarifrunde für das Kfz-Gewerbe liest sich die "Verantwortung" bei der IG Metall zum Beispiel so:
In den Autohäusern brummt es. Zahlreiche Werkstätten berichten von Spitzenauslastung. Der Handel mit Gebrauchtwagen floriert. Viele Beschäftigte ächzen unter der hohen Auslastung. Sie erwarten eine ordentliche Entgelterhöhung. Auch wegen der steigenden Lebenshaltungskosten. Denn in den Unternehmen läuft es nach der Pandemie wieder gut an.
IG Metall: "Mit Power in die Kfz-Tarifrunde
Es passt demnach: Die Betriebe florieren, dann dürfen diejenigen, auf deren Rücken das ausgetragen wird, auch etwas fordern. Das bedeutet umgekehrt, wenn es nicht so brummt, haben auch die Beschäftigten wenig Argumente für mehr Geld. Ganz gleich, wie es um ihre wirtschaftliche Situation bestellt ist.
Die zählt nur in Abhängigkeit vom Wohl des Kapitals. Salopp formuliert: Wenn die Gewinne sprudeln, dürfen die, die diese Gewinne ermöglichen, auch ein paar Krümel abbekommen. Das ist dann der "gerechte" Anteil der Arbeitnehmer. Zu viel darf es selbstverständlich nicht sein, dann mangelt es am Gewinn. Und wenn der sich nicht genügend einstellt, gibt es natürlich nichts zu "verteilen".
So viel Verständnis für die kapitalistische Erfolgsrechnung hat seinen Preis: Wer dIe Kosten der Arbeitnehmer als eine Belastung der Unternehmen anerkennt, macht sich in Verhandlungen um eben diese Kosten erpressbar. Schließlich können sie aus Sicht der Unternehmen nicht gering genug sein.
Mit dem Hinweis auf gute laufende Geschäfte und einem minimalen Bedarf der Arbeitnehmer an Lohn und Gehalt, um davon leben und vor allem weiter arbeiten zu können, versuchen die Gewerkschaften in den Tarifrunden, das Unvereinbare zu vereinbaren – die Profitkalkulation des Kapitals und die Lebensbedürfnisse der Beschäftigten. Die Ergebnisse fallen kaum überraschend ziemlich einseitig aus.
Am Ende demonstrieren die Gewerkschaften gegen sich selbst
Eine neue Qualität stellt nun das gewerkschaftliche Engagement für niedrigere Industriestrompreise dar. IG Metall und Co. machen sich die Kostenprobleme der Unternehmen noch umfassender zueigen. Sie gehen auf die Straße, damit das deutsche Kapital gegenüber der ausländischen Konkurrenz – übrigens mitsamt den ausländischen Kollegen, aber das tangiert eine deutsche Gewerkschaft nicht – weiter überlegen bleibt.
Dafür soll der Staat sorgen, indem er den Preis subventioniert, also künstlich senkt. Dass er sich das Geld dafür auf dem Finanzmarkt leiht und damit die ehedem hohe Inflation, unter dem gerade die Arbeitnehmer leiden, noch mehr anschiebt, ist hier nicht von Interesse.
Man möchte sich gar nicht weiter ausmalen, für welche anderen Kostensenkungen die Gewerkschaften ihre Mitglieder demnächst noch antreten lassen. Zu teure Maschinen und Rohstoffe, zu aufwendige Transportwege und Transportmittel, zu hohe Steuern und Abgaben, zu strenge Umweltauflagen usw.
Stets ist der Hauptzweck der Wirtschaft gefährdet, Profit zu erzielen – pardon, Arbeitsplätze zu schaffen, muss es natürlich heißen. Da haben die Arbeitnehmervertreter noch eine Menge zu tun. Am Ende schicken sie ihre Mitglieder womöglich auf die Straße, um gegen sich selbst zu demonstrieren. Sie sind schließlich einfach zu teuer, oder?