Insekten im Essen: Was Sie längst unbewusst mitessen

Christoph Jehle
Lackschildlaus auf Löffel

Insekten im Essen sorgen oft für Ekelgefühle. Dabei sind sie in vielen Produkten längst Alltag. Was Sie nicht wissen: In Ihrem Kühlschrank verstecken sich mehr Krabbeltiere, als Sie denken.

Wenn wieder einmal neue Lebensmittelzutaten, die auf Insekten basieren, in der EU zugelassen werden, kocht der allgemeine Ekel vor dem Ungewohnten hoch. Dabei wird gerne übersehen, dass Insekten nicht nur in Fernost zu den durchaus üblichen Lebensmitteln zählen, die auch in Deutschland immer mehr Liebhaber finden, sondern auch hierzulande traditioneller Bestandteil von Produkten der Lebensmittelindustrie ist.

EFSA begrenzt maximale tägliche Aufnahme von Karmin

Die rote Farbe in vielen Nahrungsmitteln muss nicht auf die Roten Bete zurückzuführen sein, sondern kann auch als "roter Karmin", "Karmin" oder "E 120" in der Zutatenliste aufgeführt werden. Der wird aus Scharlachschildläusen gewonnen, indem die trächtigen Läuse erst getrocknet und dann ausgekocht werden.

Der Farbstoff findet sich in zahlreichen bekannten und beliebten Naschereien. Aber auch in veganen und vegetarischen Produkten wird E 120 verwendet, um Fleischersatzstoffen die gewünschte Farbe zu verschaffen. Unter den Namen "CI 75470", "Carmine" oder "Cochenille" wird der gleiche Farbstoff in Kosmetika eingesetzt.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2015 eine wissenschaftliche Neubewertung von E 120 als Lebensmittelzusatzstoff veröffentlicht. Da wurde eine akzeptable tägliche Aufnahmemenge von 2,5 mg Karminsäure pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt. Für eine 70 Kilogramm schwere Person entspräche das einer maximalen täglichen Aufnahme von 350 Milligramm Karmine.

Insekten-Ausscheidungen sind auch ganz beliebt

Zu den gebräuchlichen Lebensmittelzusatzstoffen, die aus Insekten gewonnen werden, zählt auch der Schellack. Mit den Namen Schellack, Tafellack, Plattlack, Lacca in tabulis, Gummi Lacca, Gummilack oder Lackharz wird eine harzige Substanz bezeichnet, die aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus Kerria lacca nach ihrem Saugen an bestimmten Pflanzen gewonnen wird und in denen, in denen der Nachwuchs der Läuse heranwächst.

Das Harz wird vorrangig in Asien gewonnen. Bei der industriellen Produktion landet, nach Aussage der Organisation Peta, wohl nicht nur das Harz in den Produkten, sondern mit ihm auch jede Menge lebender Läuse. Das Lackharz kann, abhängig von der Baumart, auf welcher die Läuse sitzen, und vom jeweiligen Herkunftsland, unterschiedliche Farben annehmen.

In Zutatenlisten kann sich Schellack hinter der Nummer "E 904" verbergen. Schellack gilt im Gegensatz zu anderen Zusatzstoffen mit E-Nummern als gesundheitlich unbedenklich. Mit dem Harz erhalten Süßigkeiten wie Schokolade und Kaugummidragées ihren Glanz.

Auch Kaffeebohnen, Nüsse und anderes Obst wie Zitrusfrüchte bekommen mit Schellack eine glänzende Oberfläche. Die Oberflächenbehandlung von frischen Zitrusfrüchten mit "E 904 Schellack" ist von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zugelassen. Die Zitrusfrüchte müssen dann mit dem Hinweis "gewachst" gekennzeichnet werden.

Bei loser Abgabe von Zitrusfrüchten muss der Hinweis auf einem Schild auf oder neben dem Lebensmittel vermerkt sein. Ob es der Verbraucher dort in der Eile des Einkaufs auch wahrnimmt, ist eine andere Sache. Die Kennzeichnung des Wachses ist dabei nicht vorgeschrieben, kann aber zusätzlich in Form der Verkehrsbezeichnung oder der E-Nummer erfolgen.

Werden keine Nacherntebehandlungsmittel eingesetzt, so ist eine ausdrückliche Kennzeichnung der Nicht-Behandlung nicht vorgesehen, ja es wird sogar ausdrücklich vor Formulierungen wie "unbehandelt" oder "frei von chemischer Behandlung" gewarnt. Denn diese Aussage könnte von Behörden, Gerichten und Verbrauchern mit der Aussage gleichgesetzt werden, dass das Erzeugnis gänzlich frei von jeglichen Rückständen sei, wie sie teilweise vor der Ernte aufgebracht werden.

Da Schellack ein tierisches Produkt ist, in dem nicht nur Ausscheidungen der Schildläuse enthalten sind, sondern auch Rückstände der Tiere, gelten Produkte mit Schellacküberzug für Veganer nicht geeignet. Die Schalen von gewachsten Zitrusfrüchten sollten davon abgesehen nicht verzehrt werden.

Schellack wird auch als Klebstoff bei der Zigarettenproduktion verwendet. Es findet sich auch in Nahrungsergänzungsmitteln, wie sie bei vermutetem B12-Mangel gerne eingenommen werden. Grundsätzlich muss man bei glänzenden Oberflächen von Dragees immer mit Schellack rechnen.

Außer in Lebensmitteln wird Schellack in Farben und Lacken sowie in Nagellack, Haarspray und Polituren genutzt. Auch beim Honigtau handelt es sich um zuckerhaltige Ausscheidungen von Blattläusen, Blattflöhen und Zikaden, der dann von Bienen gesammelt und zu Honig verarbeitet wird. Im Handel findet sich das Endprodukt dann als Waldhonig.

Früher überzog die Plattenindustrie ihre Schallplatten mit Schellack, um die Oberflächen zu versiegeln. Diese Schallplatten wurden daher damals Schellackplatten genannt.