Investiert Bundesregierung Milliarden in neue fossile Gaskraftwerke?
Energie und Klima – kompakt: Wirtschaftsministerium will für Dunkelflauten Kraftwerke bauen lassen. Grüner Wasserstoff im Mittelpunkt, auch fossile Gaskraftwerke sind erlaubt.
Wir hatten letzte Woche berichtet, wie die Bundesregierung ihre Wasserstoffstrategie fortschreiben will, auch über die großen Mengen Wasserstoff, die dafür benötigt werden und die derzeit nur zu einem Bruchteil im Inland und mit erneuerbarem Strom erzeugt werden können. Selbst eine Verdoppelung der Kapazitäten würde nicht sehr weit führen.
Ein Teil des Wasserstoffs soll künftig in Wasserstoffkraftwerken oder in auf Wasserstoff umgerüsteten Gaskraftwerken genutzt werden. Solche Kraftwerke, die im Prinzip auf konventioneller Verbrennung basieren, sollen kurzfristig einspringen, wenn Sonne und Wind, die die Hauptlast der Stromerzeugung tragen werden, nicht genügend Energie liefern. Sie bilden dann eine flexible Ergänzung, die schnell hoch- und auch wieder heruntergefahren werden kann. (Im Gegensatz etwa zu Kohle- oder gar Atomkraftwerken, die eher unflexibel arbeiten).
Da sich Kraftwerke, die möglichst wenig Strom produzieren sollen, nicht über den Stromverkauf rechnen, müssen sie anders finanziert werden. Deshalb sollen Wasserstoffkraftwerke nach den Plänen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) staatlich gefördert werden. Minister Robert Habeck (Grüne) hat sich in der vergangenen Woche mit der EU-Kommission geeinigt, die solche staatlichen Beihilfen genehmigen muss.
Das BMWK sieht Ausschreibungen für drei verschiedene Kraftwerkstypen vor. Zwischen 2024 und 2028 sollen 4,4 GW an "Wasserstoff-Sprinter-Kraftwerken" ausgeschrieben werden. Aus dem Ministerium heißt es:
Dieses Konzept zielt auf Standorte ab, an denen eine Anbindung an eine Infrastruktur, wie einen großen Wasserstoff- oder Ammoniakspeicher, an ein regionales Netz oder einen Wasserstoff- Cluster oder eine Importmöglichkeit für Wasserstoff oder Ammoniak, vergleichsweise früh gegeben ist. Gegenstand der Förderung ist hier die Erzeugung von Strom aus erneuerbarem Wasserstoff, sobald das Kraftwerk in Betrieb genommen wird.
Eine weitere Kapazität von 4,4 GW ist für "Wasserstoff-Hybrid-Kraftwerke" vorgesehen.
Mit diesem Konzept soll die gesamte Wasserstoffkette von der variablen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zur Elektrolyse, Speicherung und Rückverstromung des erzeugten Wasserstoffs entwickelt und getestet werden. Das Gesamtsystem kombiniert daher Wind- und PV- Anlagen mit einem wasserstoffbasierten Stromspeicher (Elektrolyseur, lokaler Wasserstoffspeicher und Wasserstoffkraftwerk), wodurch eine steuerbare erneuerbare Stromerzeugung auf der Grundlage von erneuerbarem Wasserstoff entsteht.
Neben Kraftwerken, die sofort mit Wasserstoff betrieben werden können, sollen auch Gaskraftwerke gefördert werden, die bis spätestens 2035 auf den Brennstoff Wasserstoff umgestellt werden müssen, sogenannte H2-Ready-Kraftwerke. Hier sind Kapazitäten von bis zu 15 GW vorgesehen, beginnend mit 10 GW zwischen 2024 und 2026. Dabei kann es sich sowohl um neue als auch um bestehende Kraftwerke handeln. Die "Kraftwerksstrategie" aus dem BMWK trifft jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) bemängelt, dass grüner Wasserstoff oder dessen Derivate überhaupt nicht in ausreichender Menge vorhanden seien.
"Wo wird der erforderliche Wasserstoff hergestellt und wie kommt er zu den Kraftwerken, aber auch, wird er in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, wie viel davon wird in Deutschland, in Europa und in anderen Ländern produziert und was wird es kosten?", fragt der Energieexperte des VDI, Harald Bradke.
Neben Kraftwerken werde Wasserstoff hauptsächlich für die chemische Industrie, die Stahlindustrie und als Basis für synthetische Kraftstoffe für die Luftfahrt benötigt. Hier sieht Bradke offene Verteilungs- und Kostenfragen, da bei großer Nachfrage und geringem Angebot der Wasserstoffpreis entsprechend hoch sein könnte. Insbesondere bei Strom aus Wasserstoff stelle sich dann die Frage, ob die hohen Kosten vom Staat getragen oder auf die Stromkunden umgelegt würden.
Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert in erster Linie, dass die Kraftwerksstrategie eine Förderung neuer fossiler Kraftwerke beinhaltet. "Statt sich mit der EU-Kommission auf eine zukunftsfähige Kraftwerksstrategie zu einigen, befeuert die Bundesregierung mit den nun vorgelegten Eckpunkten die Klimakrise. Im Jahre 2024 Steuergelder für die Förderung fossiler Energien auszugeben, ist absolut verantwortungslos", bemängelt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
In den von der DUH vorgelegten "Leitplanken für den Zubau und Einsatz steuerbarer Leistungen" fordert der Verband, zunächst alle klimafreundlichen Optionen auszuschöpfen. Dies könnten auch Erneuerbare-Energien-Anlagen in Kombination mit anderen Speicheroptionen sein. Die Förderung sollte sich daher nicht auf die Nutzung von Wasserstoff beschränken. Auch mehr steuerbarer Verbrauch, ein beschleunigter Ausbau der Stromnetze und eine stärkere Sektorenkopplung könnten zu mehr Ausgleich im Stromsystem beitragen.
Der verbleibende Bedarf an regelbarer Kraftwerksleistung müsse transparent und nach wissenschaftlichen Kriterien festgelegt werden. Förderungen sollten nur in die Stromerzeugung aus grünem Wasserstoff fließen, Subventionen für fossile Kraftwerke sollten unter allen Umständen vermieden werden.
Für steuerbare fossile Kraftwerke sollten vorab verbindliche Emissionsobergrenzen festgelegt werden, für neue fossile Kraftwerke sollte die Umstellung auf Wasserstoff bereits in der Genehmigung geregelt werden. Mögliche Gewinne aus dem Kraftwerksbetrieb sollten von Anfang an begrenzt werden, fordert die DUH weiter.
Nicht nur die Bundesregierung stimmt sich derzeit mit der EU-Kommission über die Förderung von Wasserstofftechnologien ab. Die Niederlande haben sich gerade die Ausschreibung von Elektrolysekapazitäten mit erneuerbarem Strom von bis zu 60 MW genehmigen lassen. Ziel ist es, bis 2030 Erzeugungskapazitäten für grünen Wasserstoff von 3 bis 4 GW zu erreichen.
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