Iran-Atomabkommen: Große Nato-Länder sprechen sich ab
Nach einer weiteren Zuspitzung des Atomstreits mit dem Iran beraten Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit den USA über das weitere Vorgehen
Auch im Lockdown gibt es Leute, die reisen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) ist beispielsweise – anders als sein US-Amtskollege Anthony Blinken, der sich nur über Video zuschalten lässt – nach Paris geflogen, um dort mit ihm, dem französischen Ministre des Affaires étrangères Jean-Yves Le Drian und dem britischen Secretary of State for Foreign Affairs Dominic Raab darüber zu sprechen, wie man nach dem Machtwechsel in Washington mit dem Iran umgehen soll.
Sanktionen
Donald Trump, der Vorgänger des amtierenden US-Präsidenten Joseph Biden, hatte nämlich ein 2015 von Vertretern der USA, des Iran, Chinas, Russlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreich und Deutschland ausgehandeltes Atomabkommen 2018 aufgekündigt und erneut Sanktionen gegen den schiitischen Gottesstaat verhängt. Diese Sanktionen betreffen nicht nur US-amerikanische, sondern auch europäische Unternehmen, die nun weder Öl- noch Dollargeschäfte mit dem Land machen dürfen (vgl. "Das größte Problem ist, eine Bank zu finden, über die legale Iran-Geschäfte abgewickelt werden können").
Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten sich damals in einer gemeinsamen Erklärung gegen diese Sanktionen ausgesprochen und dabei betont, dass die Internationale Atomenergiebehörde IAEA zum Kündigungszeitpunkt keine iranischen Verstöße gegen das Atomabkommen festgestellt hatte.
Donald Trump bestritt das nicht, verwies aber darauf, dass die IAEA-Inspektoren dem Abkommen nach militärische und nicht als Forschungseinrichtungen deklarierte Anlagen erst dann inspizieren konnten, wenn sie vorher einen Antrag stellten, den die iranischen Behörden zwei Wochen lang prüfen durften. Zusammen mit einer weiteren Woche Prüfungszeit durch eine gemeinsame Schiedskommission gebe das den Persern ausreichend Zeit, eventuelle Beweise für Vertragsverstöße ab- und danach dort oder anderswo wieder aufzubauen.
Außerdem kritisierte der damalige US-Präsident, dass der Entwicklungsstopp auf 15 Jahre begrenzt war und dass das Abkommen dem Iran die Möglichkeit ließ, atomwaffenbestückbare Mittelstreckenraketen zu bauen. Deshalb, so Trump, müsse ein neues Abkommen her (vgl. Hin und Her um ein Treffen von Trump und Rohani).
Iran verschärfte Abweichungskurs nach Bidens Amtsantritt noch
Sein Nachfolger hatte im Wahlkampf verlautbart, er wolle "Teheran einen glaubwürdigen Weg zurück zur Diplomatie" öffnen - aber nur dann, wenn sich der Iran wieder an die Auflagen aus dem Atomabkommen hält. Das macht das Land aktuell nicht: Es reichert den Anteil des Isotops U-235 im Uran mit Zentrifugen des Typs IR-4 und des Typs IR-6 auf 20 Prozent an. Das Abkommen erlaubt ihm lediglich den Einsatz von Uranzentrifugen des Typs IR-1, mit dem sich dieser Anreicherungsgrad nicht erreichen lässt. Waffenfähig ist Uran ab einem Anreicherungsgrad von etwa 85 Prozent (vgl. Sanktionsstreit: Iran droht mit leistungsfähigeren Uranzentrifugen). Außerdem verlautbarte die iranische Staatsführung nach Bidens Amtsübernahme, keine kurzfristigen Inspektionen der internationalen Atomenergiebehörde IAEA mehr zuzulassen.
Ob diese gestern von Maas und den anderen Teilnehmern des Treffens kritisierten Signale welche sind, die den US-Amerikanern eine schnelle Rückkehr zum alten Abkommen erlauben, ist fraglich. Als wahrscheinlicher gilt, dass nun alle Seiten versuchen, ein neues Abkommen auszuhandeln. Ob das gelingt, und inwieweit so ein neues Abkommen dann dem ähnelt oder von dem abweicht, was Trump wollte, wird sich zeigen.
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