Iran: Bald Vollmitglied beim "Gegenpol zur Nato"
Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ): Die Rolle der USA in Zentralasien wird "auf ein weitaus geringeres Maß als bisher reduziert"
Morgen trifft sich die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ, englisch: SOC) zu einem Gipfel in Tadschikistan. Die Situation in Afghanistan wird ein großes Thema der Zusammenkunft sein, größere Beachtung bekommt aber auch die erwartete Aufnahme Irans in die Vereinigung, der geopolitisch ein wachsendes Gewicht zugemessen wird.
Gegengewicht zur Nato
Derzeit hat die SOZ acht Mitglieder: China, Russland, Indien, Pakistan, Kirgistan (Kirgisistan), Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan. Iran hat seit 2005 einen Bobachterstatus, wie auch die Mongolei, Belarus (Weißrussland) und Afghanistan. Beobachter sehen im Rückzug der USA aus Afghanistan eine Stärkung dieses Blocks. Die Machtbalance verschiebt sich, war in vielen Kommentaren nach dem US-Afghanistan-Desaster zu lesen. Die SOZ wird als Gegengewicht zur Nato eingestuft, bzw. als Gegenpol zu westlichen Einflüssen, seien sie wirtschaftlicher oder "sicherheitspolitischer" Natur.
"Dieser Block könnte als Puffer für den Handel und den diplomatischen Einfluss der USA in der Region dienen", so die relativ zurückhaltende Einschätzung des erfahrenen Asia-Times-Kommentator Spengler, der sich in seiner Analyse auf die Vorteile Chinas konzentriert, das in Zentralasien wichtige strategische Interessen hat, wozu auch eine Landverbindung zum Iran gehört, was allein schon wegen der dortigen Ölvorkommen von großem Nutzen ist.
Nachrichten über ein großes Sicherheits- und Handelsabkommen zwischen China und Iran hatten im Sommer letzten Jahres für großes Aufsehen und viele Spekulationen über eine anvisierte militärische Zusammenarbeit, in der internationalen Öffentlichkeit gesorgt.
Als der strategische Pakt Ende März dieses Jahres unterzeichnet wurde, sprach ein iranischer Diplomat gar von der Grundlage zu einer neuen Weltordnung. So wird auch der Beitritt Irans zur SOZ, mit China und Russland als Schlüsselmächten (Russisch und Chinesisch sind auch die offiziellen Sprachen der SOZ), von großen Worten begleitet.
Verlagerung nach Osten
"Iran's New Turn to the East", Irans "neue Hinwendung zum Osten" ist das Thema eher argwöhnischer Artikel aus den westlichen Medienzentren. Ayatollah Khameini soll angeblich den neuen Präsidenten Ebrahim Raisi noch mehr in diese Richtung bewegen, so der Beitrag des Magazins The Diplomat, der sich auf Rivalitäten innerhalb der SOZ konzentriert, besonders zwischen Russland und China.
Anders dagegen der Journalist Elijah J. Magnier, der über Iran mit einer für westliche Journalisten ungewöhnlichen Sympathie berichtet. Für ihn zeigt Irans Aufnahme als Vollmitglied an, dass sich die SOZ darauf vorbereite, "in Zukunft eine wichtigere Rolle in Zentral- und Westasien zu spielen".
Die Mitgliedschaft Irans scheint ausgemachte Sache. Die Nachrichtenagentur Tass meldet, dass die russische Regierung den Beitritt unterstützt. Saudi-Arabien, Katar, Bahrain und Ägypten sollen einen Status als Dialogpartner der SOZ beantragt haben, auch darin spiegelt sich die wachsende Bedeutung des Blocks.
Auch Europas Vorteil?
In der Teheran Times weist der ehemalige iranische Botschafter in China und Russland, Mehdi Safari, darauf hin, dass die Mitgliedschaft Irans große wirtschaftliche Vorteile bringe. Das mache Iran unabhängiger von westlichen Sanktionen -, wobei, und das ist nicht unwichtig, weil es einer bestimmten, oft von US-Publikationen akzentuierten Lagerspaltungen entgeht, Safari auch darauf setzt, dass das Interesse Europas an einer Zusammenarbeit mit Iran durch dessen Ausbau der wirtschaftlichen Kooperation mit Nachbarländern wachsen könnte.
Die Möglichkeiten, die sich durch eine engere Zusammenarbeit Irans mit regionalen Ländern ergeben, schildert Magnier am Beispiel der iranischen Stadt Tschahbahar am Golf von Oman. Sobald der Hafen eröffnet werde, fungiere er als Tor zum Osten und Westen des Kaspischen Meeres als Teil des Internationalen Nord-Süd-Transportkorridors (INSTC):
Tschahbahar verbindet zum einen Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan miteinander. Andererseits verbindet er diese Länder mit dem Westen, mit Aserbaidschan, der Türkei und Europa, und über den iranischen Hafen mit Afrika und Indien. Dies ermöglicht es Zentralasien, effektivere und produktivere Märkte zu finden, zumal die "Seidenstraße" nach Afghanistan durch Zentralasien zum Schwarzen Meer und zum Nahen Osten führt.
Elijah J. Magnier
Auf Kosten der USA
Auch hier blinkt eine neue Geografie auf, eine Verlagerung der "Welt-Mitte" weiter nach Osten, wie sie der britische Historiker Peter Frankopan in seinem Buch über die "Silk Roads" (Deutsch: Licht aus dem Osten) beschreibt. Geht es nach Elijah J. Magnier, der gut mit iranischen Quellen vernetzt ist und ihnen nähersteht, als es für westliche Journalisten üblich ist, so verläuft die Entwicklung vor allem auf Kosten der USA.
Die Nachbarländer Afghanistans hätten nun die Chance, den Aufbau eines neuen Staates zu unterstützen. Zusammen mit der SOZ würden sie die Rolle der USA in Zentralasien "auf ein weitaus geringeres Maß als bisher reduzieren".