zurück zum Artikel

"Israel ist der einzige Abwehrschild gegenüber dem extremistischen Islam"

Die israelische Regierung und Ajatolla Khamenei schüren den Konflikt

Die Welt heizt sich auf, die Konflikte im Nahen Osten, in der Ukraine oder zwischen den USA und China scheinen kaum wirklich lösbar zu sein. In den letzten Tagen hat sich erneut der Konflikt zwischen Russland und den USA bezüglich Syrien zugespitzt. Während Moskau das Assad-Regime, das an Boden verliert, weiter mit Waffen unterstützt und womöglich plant, die eigene Truppenpräsenz dort zu verstärken, hat Washington Bulgarien veranlasst und Griechenland aufgefordert, für russische Transportflugzeuge den Überflug zu sperren, sowie Moskau vor einer weiteren Eskalation gewarnt (USA-Russland-Konflikt über Syrien [1]).

Wenig verwunderlich hat inzwischen Iran den russischen Flugzeugen Transitrechte gewährt [2], was die amerikanischen Anstrengungen ins Leere laufen lässt.

Bislang haben wir immer wieder von der ukrainischen Regierung oder transatlantischen Lobby-Organisationen wie dem Atlantic Council gehört, dass die Ukraine das letzte Bollwerk vor der "russischen Aggression" oder, wie Präsident Poroschenko auch gerne sagt: "dem Feind" ist (Ukraine: Der gute Westen gegen das böse Russland [3]). Deswegen, so der Tenor, müsse die Ukraine bedingungslos als westliche Vorhut unterstützt werden, ansonsten drohten die Sicherheit, der Frieden und die westlichen Werte baden zu gehen.

Jetzt versucht sich auch die israelische Regierung auf ähnliche Weise zu positionieren. Nach dem Gespräch mit EU-Präsidenten Tusk und vor dem Abflug des israelischen Regierungschefs Netanjahu nach Großbritannien forderte er die EU auf, sie solle aufhören, "Israel unter Druck zu setzen und anzugreifen". Das Land sei "die einzig wirkliche Verteidigung, die Europa gegen die ansteigende Flutwelle des radikalen Islam hat".

Netanjahu hatte erst gerade deutlich gemacht, dass Israel keine Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak aufnehmen will. Die israelische Regierung kritisiert überdies scharf die Atom-Vereinbarung mit Iran, da dadurch das Land, das als besondere Bedrohung gesehen wird, mit der Lockerung der Sanktionen wirtschaftlich besser dastehen wird und sich weiter aufrüsten könnte. Man unterstellt auch, dass Iran trotz der Vereinbarung weiter Atomwaffen entwickeln wird. Für Schock sorgte die Ankündigung des russischen Präsidenten Putin kurz nach dem Bekanntwerden, dass eine Einigung mit dem Iran darüber erzielt wurde, dass Russland das Luftabwehrsystem S-300 an den Iran liefern und darauf dringen will, dass das Waffenembargo möglichst schnell aufgehoben wird.

Halbstarkenspiele zwischen Israel und Iran

Israel sieht sich von US-Präsident Obama ähnlich wie Saudi-Arabien ausgebootet. Das Weiße Haus hofft darauf, sollte das Abkommen vom Kongress abgenickt werden, mit dem Iran leichter Lösungen für den Irak und vor allem Syrien zu finden. Erst Ende August hatte Israel, das sich bislang gegenüber dem syrischen Konflikt zurückgehalten hat, Artillerie- und Luftangriffe gegen Stellungen der syrischen Armee geführt, nachdem vier Raketen auf die Golanhöhen eingeschlagen waren. Vorwürfe richteten sich gegen den Iran, für die Raketen verantwortlich zu sein, die Angriffe auf den iranischen Partner wiederum könnten auch der Provokation gedient haben.

Die Republikaner in den USA versuchen weiterhin den Atom-Deal zu Fall zu bringen. Der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney warnte [4] in einer Rede vor dem konservativen American Enterprise Institute, der Deal habe nicht nur "gewaltige Folgen" für die Sicherheit des jüdischen Volks, sondern werde durch die zusätzlichen Mittel und Waffen Terror verbreiten und nach Vorherrschaft im Mittleren Osten suchen, die Sicherheits Europas bedrohen und dem Iran die Möglichkeit geben, die USA mit Atomwaffen anzugreifen. Cheney beschwört "katastrophale Folgen".

Auch die iranischen Hardliner mischen mit. So twitterte [5] der oberste geistliche Führer Ajatolla Ali Khamenei gestern, Israel werde es in 25 Jahren nicht mehr geben. Damit will er auf Äußerungen "im zionistischen Regime" nach den Verhandlungen reagiert haben, nach denen der Iran die nächsten 25 Jahre keine Bedrohung mehr darstelle. Überhaupt war es dem Ajatolla äußerst wichtig, die Souveränität des Landes herauszustellen, das keinem Druck von außen nachgibt.

Dabei geht es durchaus sprachlich etwas kindisch zu, auch wenn die Haltung der Konservativen genau zu der der republikanischen Falken passt. So betonte er, dass die USA weiterhin der "Große Satan" seien. Den habe man einst vertrieben und dürfe nicht erlauben, dass er wieder hereintritt. Man könne mit allen Ländern Vereinbarungen auf verschiedenen Ebenen treffen, aber nicht mit den "Großen Satan". Man habe nur erlaubt [6], mit den USA über nukleare Themen in gewisser Hinsicht zu verhandeln, in anderen Bereichen sei dies nicht möglich. Dass neben den USA noch fünf weitere Staaten am Tisch saßen, spielt für die Schwarz-Weiß-Sicht des Ajatolla keine Rolle.

So schräg der Ajatolla meint, die Konflikte vereinfacht darstellen zu müssen, so einfach ist Netanjahu dazu zu bringen, auf derselben Ebene zu agieren. Die Äußerungen des "Tyrannen" würden den Unterstützern des Abkommens "keinen Raum für Illusionen" lassen, erwiderte [7] er. Aus der kindischen Retourkutsche, dass Israel in 25 Jahren nicht mehr existieren werden, macht Netanjahu die Behauptung, der Iran wolle "Israel zerstören". Um dem entgegen zu setzen:

Das wird nicht geschehen. Israel ist ein starkes Land und es wird sogar noch stärker werden.

So also läuft der Diskurs zwischen zwei Staatsführern, die als Halbstarke agieren, aber leider die Macht haben, die Region weiter in den Krieg zu ziehen.

Netanjahu argumentiert [8] durchaus rassistisch gegenüber Muslimen, auch wenn er als Jude da etwas vorsichtiger sein sollte. So sagte er: "Wir sind von der Opposition zur Modernität konfrontiert, die ein barbarisches, frühes Mittelaltertum, ein primitives, wildes, mörderisches von den zwei Quellen des militanten Islam ist."

Der Islamische Staat ist ein extremes Phänomen des sunnitischen Islam, Netanjahu muss aber auch die Schiiten, also den Iran, in das Korsett zwängen, um daraus die bedingungslose Treue zu Israel abzuleiten:

Europa sollte Israel unterstützen, nicht Israel unter Druck setzen, nicht Israel angreifen, sondern Israel unterstützen, das das einzige wirkliche Abwehrschild ist, das Europa und der Mittlere Osten gegen den anwachsenden extremistischen Islam besitzt.

Der US-Koalition will man sich aber nicht anschließen, auch nicht den IS in Syrien bekämpfen, Netanjahu schlägt viel mehr vor, in Afrika durch Entwicklungshilfe die Ursache für Migration auszutrocknen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3375338

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/USA-Russland-Konflikt-ueber-Syrien-3375320.html
[2] http://de.sputniknews.com/politik/20150909/304221949.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/Ukraine-Der-gute-Westen-gegen-das-boese-Russland-3373087.html
[4] https://www.aei.org/events/the-nuclear-deal-with-iran-and-the-implications-for-us-security-a-speech-by-former-vice-president-richard-b-cheney/
[5] https://twitter.com/khamenei_ir/status/641520641724780544
[6] https://twitter.com/khamenei_ir/status/641517425758994432
[7] http://www.timesofisrael.com/netanyahu-khamenei-is-wrong-israel-is-here-to-stay/
[8] http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4699284,00.html