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Israels Regierung will keine syrischen Flüchtlinge aufnehmen

Nicht einmal ein paar Flüchtlinge sollen ins Land als symbolische Geste, wie Oppositionspolitiker forderten, dafür baut Israel nun auch eine Mauer an der Grenze zu Jordanien

Die Nachbarländer Syriens haben viele Flüchtlinge aufgenommen. Im Libanon leben mehr als 1,3 Millionen registrierte Flüchtlinge vor allem aus Syrien, vermutlich werden es mehr als 1,5 Millionen Menschen sein. UNHCR geht [1] davon aus, dass es bis Jahresende fast 2 Millionen Menschen sein werden - in einem Land mit etwa 6 Millionen Einwohnern. Auch in der Türkei wird erwartet, dass die Zahl der syrischen Flüchtlinge von jetzt mehr als 1,5 Millionen bis Jahresende auf 1,7 Millionen wachsen wird. In Jordanien soll die Zahl von jetzt 750.000 auf mehr als 900.000 ansteigen.

Auch in den Irak sind Syrer geflohen, UNHCR geht derzeit von mehr als 100.000 aus, aber dort gibt es alleine zwischen 1,5 bis zu 4 Millionen intern Vertriebene [2], viele Iraker haben das Land verlassen, seit 2006 etwa 2 Millionen. Zu den außer Landes geflüchteten Syrern kommen die 6,5 Millionen intern Vertriebenen, von denen auch viele versuchen könnten, aus dem Land herauszukommen.

Ein Nachbarland Syriens hat sich bislang der Aufnahme von Flüchtlingen verweigert, ebenso wie die reichen Golfländer (Syrien-Flüchtlinge: Was machen die reichen Golfstaaten? [3]): Israel. Angesichts der Bilder und des Flüchtlingsstroms in Europa hat Elazar Stern [4], ein Ex-General und seit 4.9. erneut Knesset-Abgeordneter der Partei Jesch Atid, die Regierung am Samstag aufgefordert [5], zumindest als symbolische Geste auch syrische Flüchtlinge aufzunehmen, wie man dies Ende der 1970er Jahre auch bei den vietnamesischen "Boat People" gemacht habe. Damals wurden auch bereits symbolische 66 aufgenommen.

Zwar sei auch er zögerlich, Nicht-Juden ins Land zu holen, aber er könne sich vorstellen, dass Israel "ein oder zwei Schiffe" mit Flüchtlingen aufnimmt. Schmackhaft machen will er dies mit dem Argument, damit die arabischen Staaten herauszufordern: "Ich habe Leute sagen gehört, wie schockiert sie seien, dass die Golfstaaten keine Menschen aufnehmen. Vielleicht würde Israels Engagement diese Länder anspornen, etwas zu tun." Er erinnerte [6] an die "Lehren des Holocaust" und bat die Öffentlichkeit und die Rabbis, sich ihm anzuschließen. Auch die Juden in der Diaspora würden das gut heißen.

Auch Isaac Herzog, der Führer des Oppositionsbündnisses Zionistische Union, erklärte [7], Israel habe die Pflicht, Menschen aufzunehmen, und solle eine internationale Konferenz mit auf den Weg bringen: "Juden dürfen nicht gleichgültig bleiben, wenn Hunderttausende einen sicheren Ort suchen." Der palästinensische Präsident Abbas schlug [8] vor, dass palästinensische Flüchtlinge aus Syrien ins Westjordanland oder in den Gazastreifen gebracht werden sollten.

Netanjahu: "Wir sehen, was Ländern passiert, die die Kontrolle über ihre Grenzen verlieren"

Der israelische Regierungschef Netanjahu wies [9] die Forderung allerdings strikt zurück. Israel stehe dem Schicksal der Flüchtlinge nicht gleichgültig gegenüber, aber es sei ein kleines Land und könne die Tore für sie nicht öffnen, sagte [10] er am Sonntag. Man habe bereits "fast tausend Syrer medizinisch behandelt, die in Syrien bei den Kämpfen verletzt wurden, und ihnen bei der Rückkehr ins Leben geholfen".

Man stehe auch in Gesprächen mit afrikanischen und europäischen Staaten, um das Problem durch Hilfen an der Wurzel zu behandeln, aber Israel ist ein sehr kleines Land ohne demografische oder geografische Tiefe. Deswegen müssen wir unsere Grenzen kontrollieren." Man müsse die Grenzen vor Wirtschaftsflüchtlingen und Terroristen schützen, verkündete er anlässlich des Beginns der Arbeiten an einem Grenzzaun zu Jordanien: "Wir werden es nicht zulassen, dass Israel von illegalen Einwanderern, Arbeitsuchenden und Terroristen überflutet wird." Und er fügte [11] hinzu: "Wir sehen, was Ländern passiert, die die Kontrolle über ihre Grenzen verlieren."

Herzog warf [12] Netanjahu darauf gestern vor, dieser habe vergessen, was es bedeute, Jude zu sein: "Flüchtlinge. Verfolgt. Der Regierungschef des jüdischen Staats verschließt weder sein Herz noch die Grenzen, wenn Menschen mit ihren Babys in den Armen vor ihren Verfolgern fliehen." Dem Transportminister Israel Katz fiel [13] nur der Kalauer ein, Herzog doch selbst Flüchtlinge bei sich aufnehmen solle. Ansonsten: "Das ist ein populistischer Vorschlag. Israel war bereits seit Jahren an der Front der humanitären Hilfe … Wir müssen vorsichtig sein und wissen, wo man die Rote Linie ziehen muss. Wir sind kein europäisches Land. Wir sind zu nah und zu sehr verwickelt."

Auch die Justizministerin Ayelet Shaked sprach [14] sich gegen die Aufnahme auch von nur wenigen syrischen Flüchtlingen aus. Die Forderung der Oppositionspolitiker seien unverantwortlich: "Sobald man einige aufnimmt, werden es Zehntausende und Hunderttausende werden." Zudem seien die Flüchtlinge ein weltweites Problem, kein israelisches. Und Verteidigungsminister Moshe Yaalon sagte am Sonntag, dass Israel Grenzzäune brauche, um zu vermeiden, zum Opfer einer "Flüchtlingsinvasion" zu werden, wie dies in Europa der Fall sei. Man habe gute Beziehungen zu Jordanien, aber: "Gute Zäune machen gute Nachbarn."


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https://www.heise.de/-3375278

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.unhcr.org/pages/49e486676.html
[2] http://www.internal-displacement.org/middle-east-and-north-africa/iraq/figures-analysis
[3] https://www.heise.de/tp/features/Syrien-Fluechtlinge-Was-machen-die-reichen-Golfstaaten-3375212.html
[4] https://www.knesset.gov.il/mk/eng/mk_eng.asp?mk_individual_id_t=899
[5] http://www.jpost.com/Israel-News/Politics-And-Diplomacy/Israel-should-take-in-refugees-fleeing-Mideast-carnage-Yesh-Atid-lawmaker-says-415257
[6] http://www.timesofisrael.com/herzog-israel-has-a-duty-to-take-in-syrian-refugees/
[7] http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/.premium-1.674594
[8] http://www.jpost.com/Israel-News/Politics-And-Diplomacy/Herzog-Jews-cannot-be-indifferent-to-the-plight-of-refugees-415304
[9] http://mfa.gov.il/MFA/PressRoom/2015/Pages/PM-Netanyahus-remarks-at-the-start-of-the-weekly-Cabinet-meeting-6-September-2015.aspx
[10] http://www.jpost.com/Israel-News/Politics-And-Diplomacy/Netanyahu-Israel-not-indifferent-but-cant-absorb-Syrian-or-African-refugees-415374
[11] http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/200374
[12] http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/.premium-1.674717
[13] http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4698098,00.html
[14] http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/200367