Ist intensive oder extensive Bodennutzung besser?
Agrarwirtschaft und Artenschutz: Schonen Genpflanzen die Umwelt?
Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung nicht nur wachsen, sondern vermehrt Lebensmittel benötigen. Ist damit ein zunehmender Verlust der Tierwelt zu befürchten? R.E. Grenn und Mitarbeiter aus Cambridge versuchen dieser Frage in Science Express auf den Grund zu gehen. Sie untersuchen den Einfluss durch die Agrarwirtschaft, die in Europa die Erhaltung der Biodiversität anstrebt und vergleichen sie zu einer bodenschonenden Bewirtschaftung, die trotz des zunehmenden Ertrages der angebauten Fläche genau soviel Schäden verursacht.
Tatsächlich waren 2003 laut Roter Liste weltweit über 12.000 Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. In Kuala Lumpur (Malaysia) fand 2004 die erste UNO-Konferenz zum Erhalt der Artenvielfalt statt. Ergebnis war ein internationales Programm für die Einrichtung von Naturschutzgebieten. Zudem hatten britische Forscher 2004 vor einem Aussterben wegen des Klimawandels gewarnt. In deren Folge könne die Verlagerung und Verkleinerung von Klimazonen bis 2050 eine Million (!) von Tier- und Pflanzenarten gefährden.
In den Berechnungen unberücksichtigt bleibt der Anteil der Tiere und Pflanzen, die durch die Agrarwirtschaft bedroht werden. Nach den Schätzungen der UNO gehen allein damit mehr als 50 Prozent der Arten verloren. Hinzu kommen die künstliche Bewässerung und die Anwendung von Düngemitteln und Pestiziden, die noch einmal einen erheblichen Verlust bewirken.
Auch wenn nach dem Bericht der UN vom Dezember 2003 ("Weltbevölkerung 2300") das Bevölkerungswachstum geringer ist als bisher angenommen, wird die Zahl der Menschen im Jahr 2050 immer noch auf 8,9 Milliarden geschätzt. Die Personen werden zu 78 Prozent die Entwicklungsländer bevölkern. Asien wird mit 5 Milliarden Menschen der bevölkerungsreichste Kontinent bleiben. Den stärksten relativen Zuwachs errechnen die Experten für Afrika, nämlich eine Zunahme auf 24 Prozent (von heute 14 Prozent). Hingegen wird in Europa der Bevölkerungsanteil auf 7 Prozent (heute 12 Prozent) zurückgehen. Was aber wichtiger ist: Die Nahrungsproduktion beträgt bis 2050 das zwei- bis dreifache des heutigen Wertes.
Insgesamt hat das bewirtschaftete Land seit 1961 um 20 Prozent zugenommen – und das, obwohl in Europa und den USA die Anbaufläche abnahm. Gleichzeitig nahm die Fruchtbarkeit in den Entwicklungsländern ebenso zu wie in den bereits entwickelten Staaten. Die Verzögerung für diese Entwicklung beträgt zwar durchschnittlich 20 Jahre. Dafür hat die Fleischproduktion weitaus mehr zugenommen: 50 Prozent stammen aus den unterentwickelten Regionen, während in den reichen Ländern der Anteil eindeutig rückläufig ist.
Die Unterstützung der Europäischen Union für die Landwirtschaft beruht auf der Erhaltung der Biodiversität. Beispielsweise stieg der Anteil der Ökobetriebe in Deutschland von 1999 bis 2003 um 43 Prozent an und soll nach Auskunft der Bundesregierung bald 20 Prozent der genutzten Landfläche ausmachen.
Andererseits kann die Bewirtschaftung in Entwicklungsländern durch einen "bodenschonenden Effekt" (land sparing) erreicht werden. Dafür sprechen retrospektive Untersuchungen aus den USA, China und Indien. Tatsächlich wäre die landwirtschaftliche Fläche zwei- bis viermal so hoch wie heute – ohne die bessere Ausnutzung des Bodens. Ferner zeigen Erfahrungen aus Lateinamerika, dass mit zunehmendem Gewinn aus den bewirtschafteten Regionen die Fläche, die abgeholzt wird, deutlich zurückgeht. Und schließlich lassen Schätzungen vermuten, dass bis zum Jahr 2050 die Verdoppelung des Anbaus ohne Schwierigkeiten möglich ist. Was spricht gegen den bodenschonenden Effekt?
Im Unterschied zu wechselnden Parametern bedienen sich E.R. Grenn und Mitarbeiter der BirdLife International's World Bird Database, weil es sich nach ihrer Ansicht um die einzig zuverlässige Quelle für Vögel handelt und damit die Bestimmung der Beeinträchtigung nach internationalem Standard ermöglicht. Ihre Recherchen ergeben, dass in Europa der Verlust der betroffenen Tiere sehr viel niedriger ist als in den Entwicklungsländern. So werden in Europa weitaus weniger bedrohte oder fast bedrohte Vögel ausgerottet.
Ihr aufwendiges Modell (= 1 + (alpha/x`)(f(xŽ) - 1) berechnet für die landwirtschaftliche Nutzfläche den Ertrag, der durch die Dichtefunktion gekennzeichnet ist. Für alpha = 1 wird die vermutete Tierpopulation nicht beeinträchtigt, für Werte, die unter 1 liegen, ergibt sich eine Reduktion der Vögel, die allerdings vermindert wird, wenn der bodenschonende Effekt in Betracht gezogen wird.
Allerdings können die Berechnungen anhand der dargestellten Formel noch keineswegs alle Faktoren berücksichtigen. Das Modell ist "sehr viel einfacher als die reale Welt" schreiben die Autoren. So bleiben die begleitenden Nebenwirkungen, nämlich Dünger und Pestizide, unberücksichtigt. Ferner werden die Forderungen nach dem "Schonen des Bodens" in Wirklichkeit durch die unveränderte Brandrodung unterlaufen. Und schließlich wird eine Tierpopulation nicht nur von ihrer Besiedlungdichte und der Fläche bestimmt.
Gleichwohl handelt es sich um den ersten Ansatz, unter dem die Daten des bodenschonenden Effektes mit dem der Erhaltung der Biodiversität verglichen werden kann. Das europäische Verfahren ist zwar erfolgreich, wird aber in den Entwicklungsländern weniger leicht umsetzbar sein. Deshalb vertritt Georges W. Bush die erhöhte Produktivität durch genetisch modifizierte Pflanzen. Ob diese Einstellung richtig ist? Möglicherweise wird die Antwort durch die Berechnung von Grenn und Mitarbeitern erstmals transparent.