Jenseits des Gartenzauns: Europa sieht beim Klima-Wüten weg
Energie und Klima – kompakt: Die Klimakrise ist in vollem Gange. Tornados, Tropenstürme, schwere Überschwemmungen toben überall auf der Welt. Aber den Medien hierzulande ist all das nicht wichtig genug. Ein Kommentar.
Es vergeht seit Langem keine Woche mehr ohne ein verheerendes Unwetter irgendwo auf der Welt. Allerdings schaffen diese es meist nicht auf die Titelseiten, oft nicht einmal in die Zeitungen, da sie sich weit jenseits des europäisch-atlantischen Gartenzauns abspielen.
Nur wenn die USA mal wieder von einem Hurrikan oder, wie in den letzten Tagen, von einer Serie tödlicher Tornados getroffen werden, hält man in den Redaktionsstuben die Nachricht für wichtig genug für das deutsche Publikum. Von mindestens 26 Todesopfern ist jenseits des Atlantiks die Rede.
Mit weniger Aufmerksamkeit können dagegen die Menschen im Mosambik rechnen, wo sich derzeit in den von Tropensturm "Freddy" verheerten Überschwemmungsgebieten Cholera ausbreitet. (Telepolis hatte über "Freddy" mehrfach berichtet.)
Auch von den aktuellen Überschwemmungskatastrophen in Äthiopien, Kenia, Indonesien oder den zerstörerischen Schlammlawinen in Ecuador wird hierzulande kaum Notiz genommen. Nicht einmal die schweren Überschwemmungen in Lettland scheinen die Medien hierzulande zu interessieren.
Große Teile der sich entfaltenden Klimakrise bleiben somit unter dem Radar der Zeitungen und Sender, die offensichtlich zu sehr damit beschäftigt sind, das Volk auf den großen Konflikt mit Russland und China einzustimmen, ihm Wehrpflicht, Aufrüstung und einen neuen Kampf um den Platz an der Sonne schmackhaft zu machen.
Der Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung – wir sind inzwischen bei rund 1,1 Grad Celsius über dem Durchschnitt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelangt – und den zunehmenden und vor allem heftigeren Starkregenereignissen ist relativ simpel. Für jedes Grad Erwärmung kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen.
Es kann also zum einen mehr ausregnen. Zum anderen bedeutet mehr Wasserdampf auch mehr Energie, die freigesetzt wird, wenn er in der Luft kondensiert. Diese Energie verstärkt Wirbelstürme und Zyklonen und sorgt damit dafür, dass die Unwetter größere Verheerungen anrichten können.
Wie stark diese im Einzelnen ausfallen, hat natürlich auch etwas damit zu tun, wie gut sich die Gesellschaften auf Katastrophenfälle vorbereiten (können), wie viel Vorsorge getroffen wird, ob Schutzdeiche gebaut und Überflutungsflächen freigehalten werden, ob es funktionierende Warnsysteme gibt und so weiter. Doch das ist ein anderes Thema, eines, um das es im real existierende Kapitalismus meist sehr schlecht bestellt ist, wie unter anderem der Hurrikan "Katrina" im August 2005 im US-amerikanischen New Orleans oder das tödliche Julihochwasser 2021 im deutschen Rheinland und im benachbarten Belgien gezeigt hat.
Noch sind die Klimaveränderungen halbwegs beherrschbar, oder sie wären es zumindest, wenn nicht zugunsten der Umverteilung oftmals am nötigsten der Katastrophenhilfe gespart würde, was sich in Deutschland und in vielen europäischen Ländern zuletzt unter anderem auch während der Corona-Pandemie gezeigt hatte.
Aber klar ist, dass es mit jeden Zehntel-Grad schlimmer wird, dass nicht nur die Unwetter verheerender ausfallen, sondern auch Dürren und Hitzewellen, und dass jenseits von 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau diverse "Punkte ohne Rückkehrmöglichkeit" liegen, an denen ganze Subsysteme, wie der Amazonas-Regenwald oder der nördliche Permafrost, unwiederbringlich umkippen und schließlich auch Teile der Tropen und Subtropen unbewohnbar werden. Sei es, weil das steigende Meer flache Inseln und Küstenstreifen verschlingt, sei es, dass die Lufttemperaturen lebensbedrohliche Höhen erreichen.
Noch wäre es möglich, die Erwärmung, wie in der Pariser Klimaübereinkunft verabredet, auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Doch dafür müssten die Treibhausgasemissionen massiv eingeschränkt werden, wovon man sowohl hierzulande als auch in den meisten anderen Industrie- und Schwellenländern weit entfernt ist.
Und die Berliner Ampelkoalition hat ja zuletzt mit ihren LNG-Plänen, dem grünen Licht für das weitere Abbaggern von Braunkohle im Rheinland, mit ihrer Verkehrspolitik und dem Aufweichen des Klimaschutzgesetzes gezeigt, dass sie keinesfalls bereit ist, sich an die 2015 in Paris vereinbarten Ziele zu halten.
Lieber steckt man Unsummen in die Aufrüstung, womöglich auch mit dem Hintergedanken, Europa zur Festung auszubauen, und die künftig von der Industrie-, Energie- und Verkehrspolitik zu Klimaflüchtlingen Gemachten mit aller Gewalt draußen zu halten.
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