Jetzt kennen wir keine Parteien mehr
Seite 3: Absichtsvolle Amnesie: noch nie "Krieg in Europa"
- Jetzt kennen wir keine Parteien mehr
- Angriffskrieg: Es kommt darauf an, wer ihn führt
- Absichtsvolle Amnesie: noch nie "Krieg in Europa"
- Wer den Krieg gewinnt, ist im Recht
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Diese Handlungsweise ist eben erschreckend normal und spricht dagegen, sich damit gemein zu machen, egal, ob im Westen, im Osten oder sonst wo auf der Welt. Denn als Mitglied eines Staates ist man in der gewalttätigen Auseinandersetzung mit anderen Staaten vorgesehen als Kanonier oder Kanonenfutter.
Im Krieg geht es nämlich zuallerletzt um die "Sicherheit" der Bürger. Sondern die Bürger haben mit Leib und Leben sich für die Sicherheit des Staates einzusetzen, dem sie unterstehen: Als Soldaten die Untertanen der Gegenseite umzubringen oder sie in Zivil dabei zu unterstützen.
Aber das hat es ja seit dem Zweiten Weltkrieg wenigstens in Europa nicht mehr gegeben! Das behaupten jedenfalls Scholz, Baerbock & Co. und begründen damit ihre besondere Empörung, dass Krieg nun "im Herzen" des Kontinents stattfindet. Auf einmal liegt die Ukraine mit Tschernobyl und Charkiw mitten in Europa?
Geografisch sicher nicht, aber ideologisch: Deutschland und mit ihr die EU zählt die Ukraine halt bereits zum eigenen Lager. Abgesehen davon muss man sich über den sehr absichtsvollen Gedächtnisverlust der führenden Politiker wundern. Denn einen "Krieg in Europa", wirklich im "Herzen", nämlich in Jugoslawien, entfachte der Westen in den 1990er-Jahren.
Am Ende einer langen Reihe von angeheizten Bürgerkriegen bombardierte die Nato völkerrechtswidrig Serbien, um die Abtrennung des Kosovo durchzusetzen. Der Eingriff nannte sich "Operation Allied Force", natürlich nicht Angriffskrieg. Man könnte auch "Militäroperation" dazu sagen, aber das verbietet sich. Die Ähnlichkeit mit aktuellen Ereignissen und deren Bezeichnung wäre einfach zu groß.
Das mag ja alles sein, und der Westen trägt an der Eskalation in der Ukraine sicher eine Mitschuld, denkt vielleicht bis hierhin so mancher. Trotzdem müssten "wir" einem freiheitsliebenden Volk doch im Kampf gegen ein "Unterdrückungsregime" beistehen – für "den Frieden, gegen Krieg"!
"Wir" gegen "die": Einstimmung auf den Krieg
Um mit dem "wir" anzufangen: Wenn der "eigene" Staat angegriffen wird oder, wie nun, in einem Krieg Partei ergreift, gibt es weder Parteien noch Gegensätze mehr. Dann sind "wir alle" betroffen und haben für die Interessen "unseres" Staates einzustehen. "Wir" sind ja alle Deutsche – die einen, Politiker, schreiben halt den anderen vor, was sie zu tun und zu lassen haben, und die Unternehmer "geben" Arbeit und packen sich so die Taschen voll.
Die anderen, die weder Macht noch Kapital besitzen, nicken das ab und schuften brav jeden Tag – zwar nicht ganz freiwillig, weil man braucht ja die Arbeit zum Leben, und Gesetz und Ordnung werden einem vorgesetzt. Aber, immerhin, man darf frei seine Regierung alle vier Jahre wählen und sich ebenso frei seinen Reim darauf machen.
So sieht der "Frieden" aus: Ein fleißiges Volk, das "seinen" Staat mit seiner Arbeit in die Lage versetzt, auf der Welt erfolgreich Einfluss zu entwickeln und so die Geschäfte der Wirtschaft zu sichern und zu fördern. Friedlich ist das allerdings ganz und gar nicht. Denn die genauso um Einfluss und Geschäft konkurrierenden anderen Staaten setzen ihre Völker ebenso ein, um Erfolg zu haben. Und wenn gegensätzliche Interessen auf den Märkten dieser Welt oder um Einflusszonen eskalieren, werden die betreffenden Völker aufeinandergehetzt.
Dann heißt es "wir" gegen "die", wobei "die" natürlich Ausgeburten der Hölle sind, allen voran deren Staatsoberhäupter – denen "die" aus unerfindlichen Gründen hinterherlaufen, was "wir" ja nun überhaupt nicht tun. Das ist dann die Bebilderung der Ansage von oben, dass ein kriegerisches Vorgehen gegen den ausgemachten Feind ansteht und über alle Zweifel erhaben ist, also "gerecht".