Journalisten können sich auf eidesstattliche Versicherungen berufen

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Investigative Recherchen werden mit diesen Beteuerungen oft von Zeugen untermauert. Die seien aber gar nichts wert? Das ist in dieser Pauschalität nicht richtig. Eine kurze Einordnung.

Immer wieder verteidigen Journalisten ihre #Verdachtsberichterstattung vollmundig damit, sie hätten ja als #Beweistatsachen eidesstattliche Versicherungen von Zeugen bekommen, so auch im Fall #Aiwanger und #Lindemann. Tatsächlich sind das wertlose Nebelkerzen:

Denn in einer eidesstattlichen Versicherung zu #Aiwanger oder #Lindemann gegenüber Journalisten kann jeder Zeuge lügen, dass sich die Balken biegen, ohne dass ihm dabei irgendwelche juristischen Konsequenzen drohen. Denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist nach § 156 StGB nur dann strafbar, wenn sie vor einer zuständigen Behörde abgegeben wird. (...)

Rechtsanwalt Carsten Brennecke auf X/Twitter

Immer wieder taucht in Diskussionen die Behauptung auf, sogenannte eidesstattliche Versicherungen (EV) gegenüber Journalisten seien nicht mehr wert als der Schwur bei der Großmutter oder das kindliche "große Indianer-Ehrenwort".

Auf den ersten Blick zutreffend wird dabei auf die Gesetzeslage verwiesen. So heißt es in dem von Rechtsanwalt Brennecke angeführten § 156 StGB:

Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Gängige Praxis

Diese "Versicherung an Eides statt" ist ein Mittel zur Glaubhaftmachung, an die geringere Anforderungen als an einen Beweis gestellt werden. Sie kommt im Zivilrecht zum Beispiel bei Vermögensauskünften zum Einsatz, wenn ein Schuldner die Richtigkeit seiner Angaben versichert.

Presserechtlich werden eidesstattliche Versicherungen vor allem benötigt, wenn einem Antrag auf einstweilige Verfügung (§ 935 ZPO), mit dem eine journalistische Veröffentlichung unterbunden werden soll, zu begegnen ist.

Da hier regelmäßig gar keine mündliche Verhandlung stattfindet, sondern die Argumente schriftlich ausgetauscht werden, können gar keine Zeugen geladen werden. Das Mittel der Wahl ist daher die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen, welche die Aussagen des angegriffenen Presseberichts stützen. Und eine solche Vorlage ist im Gesetz explizit vorgesehen.

Auch im Einstweiligen-Verfügungs-Verfahren Till Lindemanns gegen den Spiegel (Gerichtsbeschluss als pdf) kamen solche eidesstattlichen Versicherungen zum Einsatz, wie eine Gerichtssprecherin auf Anfrage bestätigte - sie seien gängige Praxis.

Keine feste Form vorgegeben

Für eine eidesstattliche Versicherung ist keine feste Form vorgegeben. Sie muss allerdings von demjenigen, der sie abgibt, eigenhändig unterschrieben sein, und es muss sich aus ihr ergeben, dass sie zur Vorlage bei Gericht gedacht ist, einschließlich des Hinweises auf die Strafbarkeit einer falschen Erklärung. Entsprechende Vordrucke gibt es im Netz mannigfach, auch einige Gerichte stellen sie auf ihren Internetseiten zur Verfügung, teils mit sehr ausführlichen Belehrungen.

Lassen sich Journalisten solche Versicherungen aushändigen, können sie diese im Falle eines Gerichtsverfahrens vorlegen - und sie werden dann auch anerkannt. Allerdings schränkt diese Option den Informantenschutz erheblich ein, worauf Journalisten ihre Informationsgeber vorab hinweisen sollten.

Informantenschutz und mögliche Strafen

Denn im Falle eines schriftlichen Gerichtsverfahrens gelangen solche Dokumente auch zu der Partei, die eine einstweilige Verfügung beantragt. Andernfalls könnte sie sich dazu schließlich nicht verhalten. Kommt es zum sogenannten Hauptsacheverfahren, muss öffentlich verhandelt werden und Zeugen müssen vor Gericht erscheinen.

Gerade im Zusammenhang mit Whistleblowern bedeutet dies, dass zunächst wenigstens dem Beschuldigten offenbar wird, wer genau Vorwürfe erhoben hat, auch wenn diese Person in der Berichterstattung anonymisiert war.

Damit wird auch die Möglichkeit eröffnet, diese Information an andere Medien weiterzugeben, auch wenn dies nicht legal sein sollte - denn hier greift zunächst erneut der Informantenschutz.

Wer sich also gegenüber der Presse offenbart, muss beim Unterzeichnen einer eidesstattlichen Versicherung wissen, dass im Falle ihrer Vorlage bei Gericht nicht nur eine Strafe für Falschbehauptungen droht, sondern dass auch die Anonymität nicht mehr gewährleistet ist.

Die Behauptung, gegenüber Journalisten abgegebene eidesstattliche Versicherungen seien "wertlose Nebelkerzen", ist in der Praxis jedenfalls dann falsch, wenn sie korrekt formuliert sind, nämlich zur Vorlage bei einem Gericht und in Kenntnis, dass eine falsche Erklärung unter Strafe steht.