Justizskandal um Julian Assange: Außenministerin Baerbock äußert zaghaft Kritik

John Shipton bei einer Solidaritätsaktion für seinen Sohn in Berlin, 2019. Bild: Fraktion DIE LINKE, CC BY 2.0

Nach der Auslieferungsentscheidung in London kämpft die Familie des Journalisten verzweifelt um seine Freiheit und sein Leben. In Berlin sieht man den Fall weiter recht gelassen.

Während die Familie des Wikileaks-Gründers Julian Assange mit zunehmender Verzweiflung gegen eine drohende Auslieferung in die USA mit folgender lebenslanger Haft kämpft, sieht die Bundesregierung von einer aktiven Unterstützung des Journalisten ab. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/ Die Grünen) übte zwar verhalten Kritik an dem Auslieferungsgesuch der US-Justiz, verwies aber auf das laufende Verfahren in Großbritannien.

Die britische Regierung plant, Assange an die USA auszuliefern. Innenministerin Priti Patel hatte diesen Monat die entsprechende Auslieferungsanweisung unterzeichnet. Assanges Anwaltsteam legte daraufhin umgehend Einspruch ein.

Presse- und Menschenrechtsorganisationen in aller Welt haben die Entscheidung harsch kritisiert und die Freilassung des Journalisten gefordert. Assange drohen in den USA bis zu 175 Jahre Haft, weil die US-Justiz die Arbeit von Wikileaks als Spionage einstuft.

Die Entscheidung Patels nach 13-jähriger Verfolgung sei "von demonstrativer Gleichgültigkeit geprägt", sagte gegenüber Telepolis Assanges Vater John Shipton: "Wer kann darauf nicht mit Empörung und Abscheu reagieren?"

Die Entscheidung der britischen Innenministerin bedeute, "dass jedem Publizisten, der Informationen über die nationale Sicherheit eines verbündeten Landes preisgibt, eine Auslieferung mit zweimal lebenslänglichem Gefängnis droht", sagte der Bruder des Inhaftierten, Gabriel Shipton: "Julian wird gegen diese Entscheidung Berufung einlegen und dieser einmalige Kampf für die Pressefreiheit geht weiter."

Außenministerin Baerbock hat indes verhaltene Kritik an dem Auslieferungsverfahren geäußert. Sie sagte am vergangenen Freitag, die US-Justiz folge einem Weg, den "wir aus unserem Rechtsverständnis anders sehen". Letzten Endes gehe es "um einen Fall von Pressefreiheit" – und da dürfe es keine Einschränkungen geben.

Laufende Rechtsstaatliche Verfahren?

Die Außenministerin verwies allerdings auch auf "noch laufende rechtsstaatliche Verfahren", wie es in Nachrichtenagenturen hieß. Zudem könnten Assange und seine Verteidiger den Rechtsweg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschreiten. Es sei wichtig, diese Möglichkeiten auszuschöpfen.

Journalistengewerkschaften aus verschiedenen Ländern geht das nicht weit genug, zumal Assange in einem Hochsicherheitsgefängnis einsitzt und gesundheitlich schwer angeschlagen ist. Die Journalistengewerkschaften forderten daher die sofortige Freilassung des Wikileaks-Gründers.

Dass die britische Innenministerin grünes Licht für die Auslieferung Assanges an die USA gegeben hat, sei eine "eklatante Verletzung der Menschenrechte" und eine "Missachtung der Pressefreiheit", heißt es in der Stellungnahme von Journalistenvertreter aus fünf Ländern.

Mitgetragen wird der Aufruf unter anderem vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV), aber auch von Branchengewerkschaften aus Australien, Frankreich, Großbritannien und Spanien.

Nach Ansicht von DJV-Vizechef Mika Beuster hat die Entscheidung zur Auslieferung Assanges einen "gefährlichen Präzedenzfall für die Pressefreiheit geschaffen".

Das Auswärtige Amt hatte sich zum Fall Assange trotz massiver Proteste lange zurückgehalten. Noch im vergangenen September erklärte das "Team Annalena Baerbock" auf Wählernachfrage, man verfolge "den Umgang mit Wikileaks und Julian Assange sehr aufmerksam" und setze sich bei der Bundesregierung "mit Nachdruck" dafür ein, dass sie sich bei den jeweiligen Regierungen "klar für die Einhaltung seiner grundlegenden Menschenrechte" ausspreche.