Kampf gegen HIV und Aids stockt wegen Corona und Ukraine-Krieg

Die "Aids-Schleife" Red Ribbon symbolisiert Solidarität mit den Erkrankten. Foto: Ted Eytan / CC BY-SA 2.0

Deutsche Aidshilfe und UNAids sehen Ressourcen für den Kampf gegen das Virus bedroht

Menschen mit Immunschwäche gelten als Risikogruppe für schwere oder tödliche Covid-19-Verläufe. Im Zuge der Corona-Krise wird aber laut der Deutschen Aidshilfe und UNAids ausgerechnet der weltweite Kampf gegen die durch das HI-Virus ausgelöste Immunschwächekrankheit vernachlässigt.

"Die Fortschritte bei der Prävention sind ins Stocken geraten", warnte UNAids vor wenigen Tagen bei Veröffentlichung des Global Aids Updates 2022. Neben dem Coronavirus wird darin der Krieg in der Ukraine als eine der "Herausforderungen für Generationen" genannt, mit denen der Kampf gegen HIV und Aids letztendlich konkurrieren muss.

"Leistungsfähigkeit der Welt unter Beweis gestellt"

Diese Krisen hätten aber andererseits "die Leistungsfähigkeit der Welt unter Beweis gestellt", massive Ressourcen zu mobilisieren und die Politik bei "außergewöhnlichen Widrigkeiten" schnell zu ändern, heißt es diplomatisch in dem UNAids-Report.

Das Projekt der Vereinten Nationen hat zum Ziel, die Aktivitäten einzelner Länder im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit zu koordinieren – und sieht aktuell die Ressourcen dafür bedroht.

Dabei ist die Verbreitung des Virus leichter einzudämmen als im Fall von Covid-19. Das Coronavirus überträgt sich auch im Büro-Alltag und bei Gesprächen mit Nachbarn; HIV durch sexuelle Kontakte ohne Kondom oder verunreinigte Spritzen. Die lange Inkubationszeit erfordert aber eine andere, zielgruppengerechte Teststrategie.

"Im Rahmen der Corona-Pandemie ist es international zu dramatischen Reduktionen von HIV-Test- und Beratungseinrichtungen gekommen", sagte Jürgen Rockstroh, Professor am Universitätsklinikum Bonn vor wenigen Tagen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Notwendige Laborkontrollen wurden gestreckt. Engpässe in der Medikamentenversorgung sind vielfach berichtet worden. Zudem haben sich viele Forscher – aber auch Public-Health-Kollegen – auf Covid konzentrieren müssen, sodass für HIV viele Ressourcen verloren gegangen sind."

Ohne Behandlung ansteckend – und tödlich

Unbehandelt ist die Krankheit tödlich – jede für Durchschnittsmenschen mittleren Alters harmlose Infektion kann das im Endstadium sein. Mit antiretroviralen Medikamenten lässt sich die Krankheit unterdrücken und die Lebenserwartung normalisieren – wenn die Therapie rechtzeitig begonnen wird und anschlägt, haben die Betroffenen zwar das Immunschwächevirus HIV (Human Immunodeficiency Virus), aber kein Aids.

Letzteres steht für "erworbenes Immunschwächesyndrom" (Acquired Immunodeficiency Syndrome). HIV-Patienten sind aber beim bisherigem Forschungsstand lebenslang medikamentenabhängig. Die Viruslast wird durch die antiretrovirale Therapie in der Regel so stark reduziert, dass eine Ansteckung nicht mehr möglich ist. Seit rund zehn Jahren dürfen daher Infizierte, die täglich ihre Medikamente einnehmen, uneingeschränkt medizinische Berufe ausüben.

Wo große Teile der Bevölkerung vom Gesundheitssystem ausgeschlossen sind, bleibt die Infektion aber ein Todesurteil, auch wenn bis zu den ersten Symptomen noch Jahre vergehen können – und die Betroffenen bleiben ansteckend.

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland das Virus in sich tragen, ohne davon zu wissen, wird laut der Deutschen Aidshilfe auf rund 10.000 geschätzt. Wer hier positiv getestet wird, kann aber auch versorgt werden. Rund zehn Millionen Betroffenen weltweit fehlen dagegen die dringend benötigten Medikamente.