Katar: Was bei der Empörungs-WM ausgeblendet wird
Kriegswaffen für Diktaturen? – Normalität. WM-Halligalli – verwerflich? Was Deutschland und andere westliche Staaten sonst noch mit der Region verbindet – und was an der aktuellen Debatte heuchlerisch ist.
Anlässlich der bevorstehenden Herrenfußball-WM in Katar beherrscht die Kritik an Menschenrechtsverletzungen in dem Golfemirat die Schlagzeilen und erhitzt die Gemüter, wie es fast undenkbar ist, wenn es um militärische Zusammenarbeit und Energiepartnerschaften westlicher Staaten mit Diktaturen in der Ölregion am Golf geht. Der Kooperation mit Saudi-Arabien etwa steht nicht einmal der staatlich verantwortete Mord am Journalisten Jamal Khashoggi entgegen.
Einige Staaten , die in den Jemen-Krieg verwickelt sind, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Kuwait und Katar, befinden sich unter den Ländern, die Kriegswaffen aus Deutschland erhalten. Von dieser Verletzung des Paragraphen 6 Kriegswaffenkontrollgesetzes lenkt auch die Empörung über homophobe Äußerungen von Funktionären aus Katar im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft der Männer ab.
Doppelstandards für Waffenkunden
Die fossilen Deals mit diesen Staaten, um keine Energie mehr aus dem kriegführenden Russland zu beziehen, drücken doppelte Standards gegenüber diesen Waffenkunden aus.
Wenn es um die rund 6500 toten ausländischen Arbeitskräfte geht, die in Katar am Aufbau der 200 Milliarden teuren Sportinfrastruktur beteiligt waren, wird zudem ausgeblendet, welche Lebensverhältnisse, welche ausbeuterischen Bedingungen in den Herkunftsländern dieser Arbeitssklaven herrschen, also vor allem in Kenia, Somalia, Nepal, Bangladesh, Pakistan, Indien, Sri Lanka und Indonesien.
Diese Opfer des großen Geschäfts kamen trotz der unmenschlichen Verhältnisse auf die Baustellen in Katar. Die selektive Wahrnehmung der Zusammenhänge ist eines der zentralen Elemente des Nachrichtenmanagements in den meinungsführenden Medien.
Gerichte in Katar ordnen nach wie vor Auspeitschungen an und fällen Todesurteile. Derartige Verletzungen der Menschenrechte, die nicht in direktem Zusammenhang mit der WM stehen, filtern die Nachrichten aus oder machen daraus Randnotizen – nicht zuletzt deshalb, weil der kritische Blick sonst auf die militärstrategische Bedeutung von Katar fällt.
Flugzeugträger der USA
Der US-Trainer Gregg Berhalter besuchte gerade den Luftwaffenstützpunkt Al Udeid in Doha, Katar, wo er sich am "Veteranentag" und an den Feiern zum 75-jährige Bestehen der US-Luftwaffe beteiligte. Al Udeid ist der größte Luftwaffenstützpunkt der USA in der Region zwischen den Ölstaaten am Golf und dem Mittelmeer. Katar beteiligte sich an der Finanzierung und am Ausbau von Al Udeid, in den nach Schätzungen rund 1,8 Milliarden Dollar investiert wurden.
Al Udeid ist die Basis des Hauptquartiers des United States Central Command (USCC) und des United State Air Force Central Command (USAFCC). Während der intensivsten Phasen des Krieges gegen Afghanistan waren dort etwa 4000 US-Soldaten stationiert. Dort verkehrten neben den Jets der US Airforce auch Flugzeuge, die für die Betankung von Bombern und Kampfjets über Afghanistan zum Einsatz kamen.
Im September 2002 war die Zahl der amerikanischen Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt auf etwa 2000 gesunken. Als Resultat der Erweiterung von Al Udeid in Katar kann der Stützpunkt bis zu 120 Flugzeuge und 10.000 Soldaten aufnehmen.
Die US-Armee ist in Katar nicht nur großzügig unterstützter Gast, sondern auch Partner bei Verletzungen des Völkerrechts, etwa in Afghanistan und im Irak sowie in Syrien. Militärinterventionen in diesen Staaten sind nur entweder auf Einladung der Staatsmacht oder auf der Basis von UNO-Mandaten zulässig. Doch hier wird darauf keine Rücksicht genommen: Das US-Magazin Airforce Times berichtete 2016 über täglich Hunderte von Flugzeugeinsätzen im Luftraum des Irak, Syriens und in anderen Staaten der Region.
Al Udeid sei "ein integraler Bestandteil der Missionen in Afghanistan, die derzeit als Operationen Freedom's Sentinel oder Resolute Support bezeichnet werden, sowie des Kampfes gegen die Gruppe Islamischer Staat im Rahmen der Operation Inherent Resolve". Diese militärischen Aktivitäten werden durch Konflikte zwischen den Partnerstaaten des Westens nicht gefährdet. Aus Katar sendete Al Jazeera Programme, mit denen der "Arabische Frühling" unterstützt wurde.
Katar unterhielt relativ gute Beziehungen zum Iran, als die Spannungen mit Saudi-Arabien zunahmen, und es hat die Muslimbruderschaft unterstützt. 2017 blockierten einige Staaten der Region, darunter Saudi-Arabien, im Zusammenhang mit dem Jemen-Krieg Katars Luftraum.
Offensichtlicher Bruch des Völkerrechts
Ein für die Welt offensichtlicher Bruch des Völker- und Kriegsrechts war der Krieg der USA gegen den Irak, der ohne die Unterstützung des Emirats Katar nicht so schnell zu einem Zusammenbruch der Regierung im Irak geführt hätte.
Für die Invasion in den Irak verlegten die USA ihr regionales Combined Air Operations Center für den Nahen Osten auf die Luftwaffenbasis Al Udeid. Im Combined Air Operations Center liefen die Fäden für die hochkomplexen Luftoperationen über dem Irak unter Einbezug der Weltraumaufklärung zusammen.
Katar ist nicht nur ein landgestützter Flugzeugträger für die USA, sondern zugleich auch eine Schaltzentrale für die US-Kriegsführung in dieser Region und weit nach Afrika hinein über sie hinaus. Dies alles auszublenden und lediglich die WM zu skandalisieren, ist ein willkommenes Mittel zur Verblendung der Weltöffentlichkeit.