Fall Khashoggi: Mohammad bin Salman räumt gewisse Verantwortung ein
Er habe nichts davon gewusst, sagt der Kronprinz einem US-Sender. "Aber es geschah unter meiner Amtsaufsicht"
Der saudi-arabische Kronprinz Mohammad (oft auch: Mohammed) bin Salman räumt ein gewisses Maß an Verantwortlichkeit für den Mordfall Jamal Khashoggi ein, wie am heutigen Donnerstag verschiedene Medienberichte melden. So geht aus einem Trailer des US-Senders PBS für das Doku-Format Frontline hervor, dass der Kronprinz seinem Interviewer Martin Smith gesagt habe: "Es geschah unter meiner Amtsaufsicht (i. O. "watch"). So geht alle Verantwortung auf mich, da es unter meiner Aufsicht passierte."
Die Frage, die der Interviewer im Trailer stellt, geht von der höflichen Annahme aus, dass Mohammad bin Salman nichts von der Tötung wusste. Im Begleittext zur Sendung steht, dass der Kronprinz darauf insistiert habe, dass er nichts davon wusste.
"Wie konnte dies passieren, ohne dass Sie davon wussten?", heißt es im Trailer. Die Antwort: "Wir haben eine Bevölkerung mit 20 Millionen. Wir haben 3 Millionen Regierungsangestellte." Smith fragt nach: "Und sie können sich eins Ihrer Flugzeuge nehmen?" Der Kronzprinz antwortet ihm: "Ich habe Offizielle und Minister, die Dinge verfolgen und sie sind verantwortlich. Sie haben die Befugnis, dies zu tun."
Das Gespräch fand im Dezember letzten Jahres(!) am Rande einer Rennsportveranstaltung mit elektronischen Autos statt. Die Sendung soll am kommenden Dienstagabend, dem 1. Oktober, auf PBS ausgestrahlt werden. Am 2. Oktober letzten Jahres hat der im Exil lebende saudische Staatsbürger Jamal Khashoggi das Konsulat seines Landes in Istanbul betreten und ist seither nicht mehr lebend gesehen worden.
Am Sonntag zuvor (29.September) strahlt der US-Sender CBS ein Interview mit dem Kronprinzen in seinem Format "60 Minutes" (ungefähr 11 Millionen Zuschauer) aus. Es ist sehr viel aktueller, da sich das US-Fernsehteam mit Mohammad bin Salman am vergangenen Dienstag im saudischen Jeddah (Dschidda) traf. Der Sender verrät allerdings vorab nichts über den Inhalt.
So konzentrieren sich die Berichte über das Eingeständnis des Kronprinzen, wie sie von Reuters stammend in der israelischen Zeitung Ha'aretz oder von al-Jazeera wiedergegeben werden, auf die Aussagen aus dem Dezember letzten Jahres, die der Journalist Martin Smith zitiert.
Auch der bekannte Autor der New York Times, Ben Hubbard, bezieht sich in seinem Bericht für die New York Times über das von einem "Nicht schuldig" an der Tat eingeschränkte Verantwortungseingeständnis des Kronprinzen einzig auf Aussagen, die vor zehn Monaten zur brisanten Sache gemacht wurden.
Allein die lange Wartezeit zeigt schon an, dass die Bekenntnisse des Prinzen nicht sensationell genug waren, um sie möglichst bald als Scoop zu veröffentlichen. Der Aufmerksamkeitswirbel, den sie anregen, soll der Sendung zum Jahrestag des Verschwindens Khashoggi nutzen.
Es wäre eine Sensation, wenn der Kronprinz im CBS-Interview, das am Sonntag ausgestrahlt wird, bedeutend mehr eingesteht als diese "minimale moralische Verantwortung", die strafrechtlich nicht relevant ist, wie al-Jazeera den Leiter des Zentrums für "Gulf Studies" an der Universität von Katar zitiert.
Ein Politikum?
Politisch relevant könnte das Minimal-Eingeständnis des Kronprinzen schon sein. Al-Jazeera selbst hat dazu beigetragen. Der katarische Sender veröffentlichte vor gut zwei Wochen die Ausschnitte aus dem Gesprächsprotokoll der angeblich letzten Minuten Khashoggis und der Kommunikation von Mitgliedern des saudischen Killerteams, die zehn Minuten, bevor dieser das Gebäude des Konsulats betrat, stattfand. Lanciert hatte die Veröffentlichung die regierungsnahe türkische Zeitung Daily Sabah (Türkische Attacke auf den saudischen Kronprinzen). Durch die Reichweite, die al-Jazeera in der arabischen Öffentlichkeit hat, wurde das Thema "Mord an Khashoggi" und besonders die Verstrickung des Kronprinzen neu belebt und verbreitet.
Zwar fehlt in den Ausschnitten - deren Authentizität auch erst belegt werden müsste - der beweiskräftige Nachweis, dass Mohammad bin Salman ein Drahtzieher der Tötung war, aber es geht daraus sehr deutlich hervor, dass der Tod des Kritikers der Politik des Kronprinzen kein Unfall war, und die Vorwürfe der Mitwisserschaft des Kronprinzen sind mit dessen vage gefassten Eingeständnis auch nicht wirklich ausgeräumt.
Auch der türkische Präsident Erdogan erwähnte den Fall Khashoggi noch einmal bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung, was darauf deutet, dass er in dem Fall noch politische Brisanz sieht. Ob sich dies mit dem Auftritt vor den US-Sendern erledigen wird?
Die US-Öffentlichkeit ist laut einer Umfrage, die das Wall Street Journal (WSJ) heute erwähnt, sehr skeptisch gegenüber den Verbindungen zu Saudi-Arabien eingestellt, wie der aktuelle Bericht herausstellt. Die Zeitung ist "kein Freund Trumps". Dessen Geschäfte mit Saudi-Arabien werden in einem sehr kritischen Licht dargestellt und der Fall Khashoggi wird erneut als der Skandal hervorgehoben, der dem Image des Königreiches sehr abträglich war.
Dies spielt natürlich hinein in die Diskussionen darüber, wie weit die Partnerschaft der USA zu Saudi-Arabien gehen soll, wenn es so ernst wird, wie es die jüngsten Angriffe auf die saudische Öl-Herzkammer andeuteten. Es spielt hinein in die Vorwürfe, die sich auf undurchsichtige politische Geschäfte von Trump zu seinem persönlichen Vorteil beziehen.