Analyse: Der tiefe Fall von VW
- Analyse: Der tiefe Fall von VW
- Ein schleppendes Geschäftsmodell
- Mangelhafte Governance
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VW steckt in der Krise. Drei deutsche Werke stehen vor dem Aus, der Nettogewinn brach um 64 Prozent ein. Wie konnte Europas Autoriese so tief fallen?
Ende Oktober gab der Betriebsrat von Volkswagen bekannt, dass die Konzernleitung die Schließung von drei Werken in Deutschland erwäge, was den Verlust von Zehntausenden von Arbeitsplätzen und eine allgemeine Lohnkürzung zur Folge hätte. Am 30. Oktober gab der Konzern einen Rückgang des Nettogewinns im dritten Quartal um 63,7 Prozent bekannt.
Mit mehr als 200 Milliarden Euro Schulden ist Volkswagen das am höchsten verschuldete börsennotierte Unternehmen der Welt. Der Absatz ist gesunken, während die Kosten (vor allem für Energie, Personal, Forschung und Entwicklung) stark gestiegen sind.
Wie konnte es dazu kommen, dass Europas führender Automobilhersteller, Deutschlands größter industrieller Arbeitgeber und Symbol für seinen Kapitalismusstil der Mitbestimmung zwischen Aktionären und Gewerkschaften so weit gekommen ist? Es ist das Ergebnis einer Reihe strategischer Fehler, einer barocken Unternehmensführung und toxischer Managementpraktiken.
Ein deutsches Modell
Der österreichische Ingenieur Ferdinand Porsche gründete Volkswagen im Mai 1937 auf Wunsch Adolf Hitlers nach einem "Volkswagen". Das Ergebnis war der Käfer, ein robustes, praktisches und sparsames Auto, das über 15 Millionen Mal verkauft wurde und das Ford T-Modell als erfolgreichstes Auto der Automobilgeschichte ablöste.
Doch Ende der 1960er Jahre stieß die Konstruktion des Käfers (mit luftgekühltem Heckmotor und Heckantrieb) an ihre Grenzen.
Die Rettung kam mit der Übernahme der Konkurrenten Auto Union und NSU, die zur Marke Audi verschmolzen wurden und ihr Know-how im Bau von Fahrzeugen mit Frontantrieb einbrachten. Volkswagen wurde ein echter Konzern, dessen Wiedergeburt der Golf (mit wassergekühltem Frontmotor und Frontantrieb) symbolisierte, der 1974 auf den Markt kam.
In den 1980er und 1990er Jahren expandierte der Volkswagen-Konzern rasch durch Übernahmen: Seat in Spanien (1988), Škoda in Tschechien (1991), Bentley in England (1998), Lamborghini in Italien (1998), Lastwagen von MAN und Scania, Motorräder von Ducati und Supersportwagen von Bugatti.
Sein Marktanteil in Europa stieg von 12 Prozent im Jahr 1980 auf 25 Prozent im Jahr 2020. 2017 überholte der Konzern erstmals Toyota und wurde zum weltweit größten Automobilhersteller. Volkswagen war damals auf dem Höhepunkt seines Ruhms, mit einem etwas arroganten Slogan: "Das Auto". Doch der Absturz des Konzerns sollte gewaltig sein.
Der Abgasskandal
Das Sandkorn im Getriebe des Unternehmens kam aus den USA. Im Jahr 2015 deckte die US-Umweltbehörde auf, dass der Dieselmotor TDI Typ EA 189 von Volkswagen bis zu 22-mal mehr Stickoxide (NOx) ausstösst, als die aktuelle Norm vorschreibt.
Volkswagen räumte daraufhin ein, seine Fahrzeuge seit 2009 mit einer "Manipulationssoftware" ausgestattet zu haben, die in der Lage ist, Testphasen zu erkennen und während dieser den NOx-Ausstoß zu reduzieren.
Unter normalen Umständen ist die Software inaktiv, was dazu führt, dass die Fahrzeuge erheblich mehr Schadstoffe ausstoßen als angegeben, was einen Betrug an den Behörden und eine Täuschung der Kunden darstellt. Der Motor EA 189 wurde in mehr als 11 Millionen Fahrzeugen des Konzerns in 32 Modellen verkauft.
Der Skandal war gewaltig. Während sich die Klagen in den USA und Europa häuften, brach der Kurs der Volkswagen-Aktie an der Frankfurter Börse um 40 Prozent ein. Der Vorstandsvorsitzende des Konzerns musste zurücktreten. Bis 2024, wenn alle Urteile gesprochen sind, wird die Affäre Volkswagen schätzungsweise mehr als 32 Milliarden Euro gekostet haben.
In der Hoffnung, sich zu einem Zeitpunkt zu rehabilitieren, an dem das Image seiner Dieselmotoren irreparabel beschädigt ist, hat Volkswagen einen gigantischen Plan zur Umstellung auf Elektrofahrzeuge gestartet und Investitionen in Höhe von 122 Milliarden Euro bis 2023 angekündigt.
Doch die ersten Elektromodelle sind im Vergleich zu Tesla oder chinesischen Herstellern nicht konkurrenzfähig genug und haben es schwer, auf einem Markt zu überzeugen, der seit der Covid-19-Pandemie allgemein depressiv ist.