Die Russen bald "wieder" vor dem Brandenburger Tor?
Geschichte sei, was die Sieger aufschreiben, meinen manche. Geschichte wiederhole sich nicht – höchstens als Farce, sagen andere. Und was ist mit Geschichtsrevisionismus? Eine Polemik.
"Sonst stehen die Russen bald wieder vor dem Brandenburger Tor", sagt der Ex-Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, dieser Tage dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wieder".
Da wird man ja wohl mal "wieder" sagen dürfen: Man weiß natürlich nicht mehr so ganz genau, warum "der Russe" seinerzeit das erste und vorerst letzte Mal "vor dem Brandenburger Tor" war. Aber es war offenbar so schlimm, dass an einer solchen Stelle nicht einmal ansatzweise nachzufragen wäre. "Wieder"!
Denn wenn man sich auch nur dunkel erinnern mag, eines bleibt doch wahr: Damals haben "die Russen" den gewählten deutschen Kanzler ja sogar in den Selbstmord getrieben. So etwas kann niemand "wieder" wollen.
Nur böse Zungen behaupten, das seien 1945 gar nicht "die Russen" gewesen, sondern die sowjetische Armee. Also Russen und Ukrainer, Weißrussen und Kasachen und noch viele andere. Danke an die Befreier? Nichts zu danken!
Geschichtsschreibung in Medien
Geschichte wird geschrieben: Zum Glück auch von engagierten Hobby-Historikern wie Christian Ehring, Moderator bei NDR-extra3 (bei Timecode 9:21). Komplett zu Recht wies er jüngst wieder, wie so viele bestens aufgeklärte Patrioten, darauf hin, dass im Juni 1944 in der Normandie selbstverständlich "die Alliierten" gelandet sind. Warum sollten "die Russen" (siehe oben) jemals zu diesen "Alliierten" gehört haben?
Und vor allem ist es wichtig und richtig – gerade in Zeiten von Fake News und Hate Speech – , wie auch Entertainer Ehring darauf zu verweisen, dass jene "Alliierten" damals landeten, um ganz alleine "Europa von den Nazis zu befreien".
An dieser Befreiung hatten "die Russen" selbstverständlich nicht den geringsten Anteil. Auch wenn sie dann im Frühjahr 1945 irgendwie und leider, leider "vor dem Brandenburger Tor" standen. Keiner weiß, warum und wozu. Manchmal geht die Geschichte verschlungene Wege.
Wie Anfang des Jahres 1933, als in Deutschland die "Machtübernahme" oder eben "Machtergreifung" durch "die Nationalsozialisten" stattfand.
Macht und Geist
Natürlich war das alles andere als eine Machtübergabe der herrschenden konservativen bürgerlichen Eliten in Politik, Wirtschaft und sonstiger Gesellschaft an die deutschen Faschisten. Nein, die Macht lag damals irgendwie auf der Straße – "die Nationalsozialisten" nutzten die Gunst der Stunde und ergriffen sie halt irgendwie.
Es scheint derzeit auch dringend geboten, die Nazis immer mit ihrer Eigenbezeichnung "Nationalsozialisten" zu benennen. Zwei Fliegen mit einer Klappe: differenzierte Darstellung des NS-Regimes und zugleich sachlich gebotene Abschreckung vor jeder Art von "Sozialismus".
Bei der Gelegenheit: Auch wenn die DDR einerseits mindestens ebenso schlimm war wie die "Nationalsozialisten" (Rot gleich Braun), scheint es andererseits ebenso korrekt, hier stets von "SED-Diktatur" oder "SED-Regime" zu reden (was, fieser Zug, nie deren Eigenbezeichnung war) und gerade nicht vom "ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden" oder Ähnlichem zu reden (denn so hatten die Zonen-Oberen ihr Land ja gerne mal bezeichnet).
Um den Kreis von der "Machtergreifung" in Richtung 1945 zu schließen: Widerstand gegen die "Nationalsozialisten" in Deutschland schnurrt sinnvollerweise zusammen auf "Stauffenberg": Bürgerliche und konservative Eliten hatten einerseits nichts zu tun mit der "Machtergreifung" durch die "Nationalsozialisten", aber anderseits selbstverständlich alles mit dem – wenn auch vielleicht etwas späten – innerdeutschen Widerstand gegen Hitler & Co.
Dass Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter zu den allerersten Personen zählten, die von den "Nationalsozialisten" in die entstehenden "Konzentrationslager" gesteckt wurden – bestenfalls eine längst zu vernachlässigende Fußnote der Geschichte!
Und hat das nicht auch solch ein merkwürdiger Sozialist wie August Bebel gesagt?
"Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten."
Was nicht zu beweisen war.