Wie Andrij Melnyk uns einmal enttäuschte
Der ehemalige ukrainische Botschafter wird nach Brasilien weggelobt. Aber er kann von Berlin nicht lassen. Und irgendwie finden wir das gut.
Zu Beginn ein Geständnis: Ich finde Andrij Melnyk großartig! Seit Mitte 2022 können wir einen Artikel über seine Beschimpfungen deutscher Politiker immer wieder aktualisiert online stellen. Mit Andrij Melnyk wird es nie langweilig. Wenn er kommt, heißt es in Berlin: Tourette sich, wer kann!
Mal beschimpft er Sahra Wagenknecht als "widerliche Hexe". Nicht etwa, weil sie zum Niedergang der Linken beigetragen hätte, wegen ihrer Sachbucheinkünfte oder ihrer Position zu den Grünen. Für die und die Linken hat Melnyk als Anhänger des Faschisten Stepan Bandera ohnehin nichts übrig. Sondern weil sie im Januar 2023 nicht das gesagt hat, was er von einer deutschen Politikerin hören wollte.
Dann ist Bundeskanzler Olaf Scholz für Melnyk eine "beleidigte Leberwurst". Nicht weil er der charismatischste Bundeskanzler der Bundesrepublik in Vergangenheit, Gegenwart und wohl auch Zukunft ist. Sondern weil Scholz sich nach Melnyks Regierung an einem Genossen ohne Parteibuch, Frank-Walter Steinmeier, nicht nach Kiew vorladen lassen wollte, um sich ungeachtet der von 2014 bis dahin bereits überwiesenen 4,43 Milliarden deutscher Euro die Leviten lesen zu lassen.
Der SPD-Karrierist Michael Roth sei ein "Arschloch", meint Melnyk. Nicht, weil Roth seit jeher jeden Posten annimmt, um noch von den letzten Pfründen einer präfinalen SPD zu profitieren. Sondern weil Roth mal wieder nicht das gesagt hat, was Melnyk von einem deutschen Geldgeber hören wollte. Und das in diesem Fall sogar vor laufender Kamera.
Melnyk kennt keine Parteien mehr, er kennt nur noch Kämpfer gegen Russland. Er schießt verbal, politisch und diplomatisch in alle Richtungen. Da kann es auch schon mal einen russischen Pianisten wie Evgeny Kissin und eine Polonaise von Frédéric Chopin treffen, wenn sich beide zur falschen Zeit am falschen Ort befinden.
Wir von Telepolis verfolgten die Beschimpfung mit einem gewissen Unglauben und, wir geben es zu, auch Amüsement. Wir mögen Melnyk. Er bringt ein bisschen Stimmung in die auf vielen Ebenen deprimierende Ukraine-Politik.
Er ist gleichermaßen Zeuge des Niedergangs der politischen Kultur und der geopolitischen Neuordnung. Ob die Geschichte ihn freisprechen wird, um Fidel Castro zu zitieren, bleibt offen. Wir werden es noch erfahren.
Kurzer Schreckmoment: Kommt uns Melnyk abhanden?
Vor ein paar Monaten dachten wir, Andrij Melnyk würde uns abhandenkommen. Er gab einer in Berlin erscheinenden Tageszeitung mit medialem Führungsanspruch ein Interview, in dem er sich reumütig zeigte. Viele dieser und anderer Äußerungen seien unüberlegt gewesen, er habe einfach unter Druck gestanden.
"Ich hätte meine Rolle vielleicht ab und zu weniger leidenschaftlich ausfüllen können, um manche Menschen nicht vor den Kopf zu stoßen", sagte er, und wir dachten: Gut, das war es jetzt mit der Melnyk-Serie wiederkehrender Beschimpfungen.
Doch da haben wir Andrij Melnyk unterschätzt. Nach der Tiefkühl-Kriegsrede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, bei der seine ganze Fraktion applaudierte und zu der nun keiner mehr stehen will, fand der ehemalige Botschafter der Ukraine in Deutschland – inzwischen weggelobt ins wärmere, aber unbedeutende Brasilien – zu alter Form zurück.
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Mützenich „war und ist der widerlichste deutsche Politiker“, so Melnyk. Und wir konnten nicht widerstehen. Aus der Top Eleven wurde eine Top Twelve. Das fiel auch dem so Geehrten auf; Melnyk schrieb auf Twitter:
Lieber Gott, ich wusste gar nicht, dass jemand die besten Affronts sammelt & eine Top Twelve der Melnyk-Beschimpfungen dokumentiert. Sogar “in immer wieder aktualisierter Form" Meine Fresse
Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Brasilia
Darauf eine Caipirinha, dachten wir und antworteten:
Menno, Herr Melnyk, wir hatten fest damit gerechnet, den Text mit Teil 13 fortsetzen zu können. Jetzt rechnen wir fest mit Rolf #Mützenich von der @spdbt! Vorwärts, Genossinnen und Genossen, die Redaktion rechnet fest mit Euch!
Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Wir haben volles Vertrauen in das diplomatische Geschick von Andrij Melnyk und seinen leidenschaftlichen Einsatz gegen deutsche Geldgeber.
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